Henning Venske: Ein Hamburger Kabarett-Urgestein
Ältere Menschen dürften Henning Venske noch aus der "Sesamstraße" kennen. Auch im "Tatort" spielte er mit. Der Schauspieler machte sich aber vor allem als wortgewandter Kabarettist einen Namen. Geboren wurde er am 3. April 1939.
"Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst" - das sind die letzten Worte, die Henning Venske Ende November 2018 im Alma Hoppe Lustspielhaus als Kabarettist spricht und sich in den Ruhestand verabschiedet. Das stimmt aber nicht so ganz. "Das war kein Abtritt von der Bühne. Ich habe nur das aktuelle politische Kabarett an den Nagel gehängt. Das heißt aber nicht, dass ich nicht irgendwann wieder auf eine Bühne gehe, um, sagen wir mal, Theater zu spielen", stellt der gelernte Schauspieler schon rund vier Monate später im Gespräch mit dem NDR klar. Schließlich ist das Theater schon seit jeher eine seiner Leidenschaften.
Studium zugunsten der Schauspielausbildung abgebrochen
Geboren wird Henning Venske am 3. April 1939 in Stettin im heutigen Polen. Seine Familie flieht zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den Westen. In Hinterzarten im Schwarzwald und in Minden in Ostwestfalen wächst er auf. Nach dem Abitur 1958 beginnt Venske ein Studium: Germanistik und Geschichte. Auch in Theaterwissenschaften probiert er sich aus. Doch er bricht das Studium ab zugunsten einer Schauspielausbildung an der renommierten Max-Reinhardt-Schule in Berlin. Außerdem nimmt er als Privatschüler Unterricht bei der Berliner Schauspielerin Käthe Braun.
Venske hadert mit Vorankommen an Theatern
Als Schauspieler und Regieassistent arbeitet er in den 1960er-Jahren am Berliner Schillertheater mit mehreren Regisseuren sowie dem Schriftsteller Samuel Beckett zusammen. 1967 geht er - weil er beruflich nach seinen Vorstellungen nicht vorankommt - nach Hamburg ans Thalia Theater. Aber auch diese Spielstätte verlässt er, weil es "nicht schnell genug voranging mit den versprochenen Aufgaben", schreibt die "Welt" über Venske 2013. Dabei soll der Spruch "Herr Professor, ich fühle mich von Ihnen beschissen" gefallen sein.
Wechsel zum NDR: Kultig und streitbar
Im Anschluss wechselt der Schauspieler zum NDR. Im Hörfunk prägt Venske die Modernisierung des Mediums maßgeblich mit, zum Beispiel als einer der Stamm-Moderatoren im "Fünf-Uhr-Club" (ab 1969), einem damals neuartigen Jugendformat mit Popmusik und Wortbeiträgen auch zu politischen Themen. Im Fernsehen ist er als ein Nachfolger von Chris Howland in "Musik aus Studio B" zu sehen, wo er gerne Unsinn macht und bei den Zuschauern auch wegen seiner frechen Sprüche beliebt ist. Weil Venske die Show aber als "eine Sendung für Blöde" bezeichnet, findet seine Moderation 1974 ein jähes Ende.
Ab 1978 avanciert er jedoch im NDR neben Liselotte Pulver zu einer Kultfigur der deutschen Fernsehausgabe der "Sesamstraße". Vor allem seine Dialoge mit dem tapsigen und etwas schwerfälligen Bären "Samson" sind in Erinnerung geblieben.
Aus bei der "Sesamstraße", Mikrofonverbot beim HR
Aber auch dort zieht er sich den Unmut der Verantwortlichen zu. In einem TV-Spot zur Hamburger Bürgerschaftswahl 1978 hat Venske für die links-alternative "Bunte Liste" geworben. Die Folge: keine Auftritte mehr in der Kindersendung. 1979 erteilt ihm der Hessische Rundfunk ein Mikrofonverbot, weil er den Freiraum für Satire mehrmals erheblich überschritten habe. Teilweise werden die Auseinandersetzungen zwischen Venske und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auch vor Gericht ausgefochten.
Trotz aller Streitigkeiten mit den Sendern taucht der Schauspieler öfter im Fernsehen auf. 1963 ist er in der Krimiserie "Hafenpolizei" zu sehen, 1976 spielt Venske in der "Tatort"-Folge "Augenzeuge" die Hauptrolle. Später wirkt er zum Beispiel in der Krimiserie "Balko" (1995) mit, ebenso in der Komödie "Der kleine Dachschaden" (1998).
Polarisierend und provokant
Thematisch ernst geht es für Venske vor allem ab Mitte der 1980er-Jahre zu, als er zunächst bei der Münchener Lach- und Schießgesellschaft und dann als Solokünstler zum politischen Kabarett findet. 1987 eckt er beim einem Auftritt in Ottobrunn wegen einer als respektlos verstandenen Bemerkung gegenüber einem katholischen Kirchenvertreter an. Die dortige CSU-Ortsgruppe verklagt ihn. Auf Wunsch der bayerischen Staatskanzlei wird die Klage aber zurückgezogen.
Venske liebt es, sich an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen abzuarbeiten und sie zuzuspitzen. Er polarisiert und provoziert. Dabei bedient er sich einer Wortwahl, die er wohl überlegt und ganz bewusst einsetzt. Venske bringt die Dinge auf den Punkt und gibt sich schonungslos.
Eigenen Angaben zufolge fühlt sich der Kabarettist auf Kleinkunstbühnen besser aufgehoben als im Fernsehen. Eine neue künstlerische Heimat findet Venske in "Alma Hoppes Lustspielhaus" in Hamburg, wo er ab 1996 mit regelmäßigen "Monats-" und "Jahresschauern" seinen kabarettistischen Rückblick auf das Zeitgeschehen präsentiert. Von Anfang der 2000er-Jahre an geht der Kabarettist mit einem Programm deutschlandweit auf Tournee.
Venske ist Fan von Jan Böhmermann
Das deutsche Kabarett beobachtet Venske auch im hohen Alter genau. Herausragend ist für ihn einer, der kein Kabarettist im eigentlichen Sinne ist. "Ich bin ein ausgesprochener Fan von Jan Böhmermann. So wie der das macht, wird das dem Medium Fernsehen gerecht. Das ist in der Schärfe gut, das gefällt mir. Der ist hochbegabt. Ich sitze oft davor und denke: 'Ja! Gut!'", sagt er dem NDR 2019.
Bandbreite beim Schreiben ist groß
Schreiben ist eine weitere Leidenschaft von Venske, der seit vielen Jahren als Journalist und Buchautor in Erscheinung tritt. Von 1973 an publiziert er regelmäßig in der links angesiedelten Politik- und Kulturzeitschrift "konkret", aber auch in Magazinen wie "Spiegel" und "stern". 1980 wird er Chefredakteur der Satirezeitschrift "pardon". Die Texte dort verärgern mehrmals öffentlich-rechtliche Sendeanstalten.
"Gestammelte Werke" machen 1972 den Anfang von Venskes Büchern. Der Autor landet unter dem Pseudonym Arne Piewitz mit der Parodie "Ich war der Märchenprinz" 1983 einen Szenebestseller im Milieu der Friedens- und Frauenbewegung. In Zusammenarbeit mit dem "Stern"-Journalisten Günter Handlögten entstehen vier "Enthüllungsbücher" über Wirtschaftskriminalität, darunter "Dreckiger Sumpf" von 1983, nach dessen Erscheinen der Oberstadtdirektor von Wilhelmshaven seines Amt enthoben wird, und "Klüngel, Filz & Korruption" (1993) mit Beispielen aus der gesamten Bundesrepublik. 2011 erscheint der Satireband "Lallbacken", in dem Venske "den Phrasenmüll der Blender und Wichtigtuer in der Politik" aus der Zeit von 2002 bis 2011 auseinandernimmt. 2018 kommt "Summa Summarum. Ultimative satirische Abrechnungen" heraus, ein Buch mit seinen besten Texten aus 30 Jahren.
Auch Kinderbücher stammen aus Venskes Feder. Das Buch "Als die Autos rückwärts fuhren" von 1976 ist ebenso erfolgreich wie "Mäxchen oder wie ein Max entsteht" aus dem Jahr 1982.
Viel Freude als Großvater
Wehmütig in die Vergangenheit zu blicken, sei nicht seine Sache, sagt Venske dem NDR. Er sei aber dankbar, wenn er über seine Karriere nachdenke. "Ich habe das große Glück und auch die Energie gehabt, von meiner Arbeit leben zu können."
Privat hat Venske das Auf und Ab des Lebens kennengelernt: 1961 wird er Vater von Zwillinge. Beide sterben jedoch in noch recht jungen Jahren - Nicolaus 2006 und Louise 2009. "Ich bin jeden Tag damit konfrontiert“, sagt er 2013 der "Welt". "Aber die Arbeit verhilft dazu, das Leben auszubalancieren." Seine zweite Tochter Sophie hat ihn zum Großvater gemacht. "Die Mädchen sind kein Ausgleich für den Verlust, aber es ist eine immerwährende Freude, sie um mich zu haben", erklärt Venske der Zeitung. Mit seiner zweiten Frau Hilde lebt der Kabarettist schon lange in Hamburg.