"Hier ist kein Bauer, wir sind eine GmbH"
In Burow herrscht Ausnahmezustand im September 1989. Während in anderen Orten der DDR schon das "Neue Forum" diskutiert, Hunderte in Leipzig auf die Straße gehen oder über Ungarn flüchten, herrscht hier eine andere Art der Aufregung. Das zentrale Erntefest der DDR wird in dem Dorf bei Altentreptow ausgerichtet. "Das war eine Auszeichnung für unsere Arbeit", sagt Günter Kurzhals, damals als Vorsitzender der LPG verantwortlich für die Tierproduktion im Ort. Mehr als 2.000 Kühe hat der Betrieb. Stolz werden im DDR-Fernsehen die Erfolge der Landwirte verkündet. Günter Kurzhals ist der "Protokoll-Gruppe 1" zugeordnet, darf beim Abendessen am Tisch des Zentralkomitee(ZK)-Sekretärs für Landwirtschaft Werner Krolikowski sitzen. Worüber sie damals sprechen, daran erinnert er sich heute nicht mehr.
Bargeld-Koffer aus den Niederlanden
Zwei Monate später tritt Krolikowski von allen Ämter zurück. Jetzt ändert sich auch für die Burower Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) alles. Die Zeiten sind chaotisch: Drei Monate hätten sie Milch an eine Molkerei in Altentreptow geliefert und kein Geld bekommen, erzählt der ehemalige LPG-Vorsitzende. Der Betrieb kann die Mitarbeiter nicht mehr bezahlen: "Dann kamen die Holländer", sagt Kurzhals, "die kamen mit großen Koffern mit Bargeld und haben uns das Vieh abgekauft - und wir haben die Leute bar ausbezahlt. Solche Zeiten haben wir dann hier erlebt." 1991 wird aus der LPG Tierproduktion "Thomas Müntzer" die Burower Gutsmilch GmbH. Günter Kurzhals glaubt damals eigentlich, dass auch in der ehemaligen DDR nun statt großer Betreibe die kleinbäuerliche Landwirtschaft Zukunft hat: "Aber da habe ich mich geirrt", sagt er heute.
Noch 40 Mitarbeiter im Betrieb
Kurzhals' Sohn Frank, der mittlerweile die Geschäfte führt, ist gerade in der 10. Klasse, als die DDR verschwindet. Welche Berufe überhaupt Zukunft haben, sei damals gar nicht klar gewesen, erinnert er sich. Er entscheidet sich für eine Berufsausbildung mit Abitur - zum Landwirt. "Das war eigentlich meine schönste Zeit, weil das auch so der Wandel war". Die Lehrer hätten damals nicht viel mehr gewusst als ihre Schüler. Später fängt Frank Kurzhals ein Wirtschaftsinformatik-Studium in Berlin an. Aber es zieht ihn zurück nach Burow. In seinem Betrieb gibt es heute neben der Tier- auch Pflanzenproduktion und zwei Biogas-Anlagen. Er beschäftigt noch 40 Mitarbeiter. Zu DDR-Zeiten arbeiteten 200 Menschen in der Tierproduktion.
Landkauf war wichtigster Schritt
Die wichtigste Entscheidung für den Betrieb sei es gewesen, Land zu kaufen, sagt Vater Günter Kurzhals im Rückblick auf die Zeit nach 1990. Sie hätten bei Null angefangen und seien mittlerweile bei 2.000 Hektar. Dazu habe ihn auch sein Sohn immer gedrängt, erinnert er sich. Ihn ärgert das Image, das Bauern in Ostdeutschland haben: "Das ist immer ein Fehldenken in der Alt-BRD", meint Kurzhals. Der Bauer werde als Bauer dargestellt, aber dass er noch Beschäftigte habe, die auch ihren Lebensunterhalt verdienen müssten, werde vergessen: "Hier ist kein Bauer, wir sind eine GmbH".
Landwirtschaft als "Prügelknabe"
Der Blick beider Landwirte auf die Situation heute und die Zukunft ist eher nüchtern. Günter Kurzhals glaubt, dass noch mehr Automatisierung in den Ställen Einzug halten wird. Auch sein Sohn meint, die aktuellen Preise ließen sich nur durch noch mehr Arbeit mit weniger Leuten stemmen. "Es macht noch Spaß. Aber die Frage ist, wie lange man der Prügelknabe sein möchte", sagt er über sein Berufsleben. Obwohl die Burower Gutsmilch größer Arbeitgeber in der Gemeinde ist, glaubt Frank Kurzhals: "Die Landwirtschaft hat im Ort nicht mehr den Stellenwert, den sie zu DDR-Zeiten hatte."