Ein Ermittler bei einer Abhör-Aktion mit Kopfhörern und Tonbandgeräten. Nachgestellte Szene aus der Dokumentation "Reeperbahn Spezialeinheit FD 65". © NDR / Gebrüder Beetz Filmproduktion

FD65: Hamburgs Kampf gegen die Organisierte Kriminalität

Stand: 04.01.2023 12:15 Uhr

1982 wird in Hamburg die Fachdirektion 65 eingerichtet. Die Spezialeinheit unter der Leitung von Wolfgang Sielaff ermittelt im Rotlichtmilieu auf der Reeperbahn gegen Organisierte Kriminalität - und Korruption bei der Polizei.

von Stefanie Grossmann

Noch in den 60er- und 70er-Jahren herrscht auf St. Pauli ein unausgesprochener Ehrenkodex im Milieu: keine Waffen. Konflikte untereinander tragen die Zuhälter und ihre schweren Jungs mit Fäusten aus. Das ändert sich schlagartig Anfang der 80er - damals erschüttert der Mord an Fritz Schroer, "Chinesen-Fritz", den Kiez. Auf einem Barhocker im Lokal "Zur Ritze" wird der Zuhälter und Drogenhändler mit drei Schüssen niedergestreckt. Der Ludenkrieg um Geld und Macht zeigt sich in einer neuen, extremen Form blutiger Gewalt. Die Innere Sicherheit der Hansestadt scheint zunehmend bedroht, die Behörden müssen eine Antwort auf die rivalisierenden Bandenstrukturen auf St. Pauli finden. Und so wird im Mai 1982 - nach FBI-Vorbild - Deutschlands erste Spezialeinheit der Kriminalpolizei zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität (OK) in Hamburg gegründet.

Die True-Crime-Dokumentation "Reeperbahn Spezialeinheit FD65" - als fünfteilige Serie in der ARD-Mediathek - blickt zurück auf den damals vollkommen neuartigen Kampf gegen das Verbrechen auf St. Pauli und lässt Ermittler, aber auch einstige Kiez-Größen zu Wort kommen.

Wolfgang Sielaff leitet die Spezialeinheit FD65

Wolfgang Sielaff im September 2020 bei der Premiere des ARD-Dreiteilers "Das Geheimnis des Totenwaldes" auf dem 28. Filmfest Hamburg. © picture alliance / Geisler-Fotopress Foto: Christopher Tamcke / Geisler-Fotopress
Wolfgang Sielaff (Hier auf einer Aufnahme von 2020) wird als Kenner der Organisierten Kriminalität 1982 Leiter der neuen Spezialeinheit FD65.

Die Fachdirektion 65 (FD65) arbeitet damals im Auftrag der Staatsanwaltschaft - sie besteht aus rund 40 handverlesenen Ermittlerinnen und Ermittlern aus den Bereichen Sitte, Rauschgift, Menschenhandel und Hehlerei, an deren Spitze Wolfgang Sielaff steht. Der ehemalige Leiter des Rauschgiftdezernats leitet bereits von 1980 bis 1981 eine Sonderkommission, die untersucht, ob es in Hamburg Organisierte Kriminalität gibt.

Er kennt die Strukturen im Kiez-Milieu gut, aber auch deren Tücken: "Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, heißt, sie in erster Linie wahrzunehmen und zu erkennen", erläutert Sielaff im NDR schon vor einigen Jahren. Sie zu erkennen, sei aber ein schwieriger Prozess: "Täter verschleiern ihre Taten. Keine Prostituierte zeigt ihren Zuhälter an, kein Junkie seinen Dealer."

FD65-Ermittler agieren unter absoluter Geheimhaltung

Das ehemalige Polizei-Hochhaus am Berliner Tor © NDR Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Streng abgeschottet ist die Fachdirektion 65 ab 1982 in einem eigenen Stockwerk im damaligen Polizei-Hochhaus am Berliner Tor untergebracht.

Die neue Spezialeinheit beruht auf Sielaffs Konzept. Das Team arbeitet - unabhängig vom restlichen Polizeiapparat - streng autonom, will wegen der Infrastruktur aber im Polizeipräsidium untergebracht bleiben. Die FD65 zieht in ein eigenes Stockwerk und schließt sich dort ein, wie Sielaff es in "Reeperbahn Spezialeinheit FD65" beschreibt. "Und damit das Ding nicht mal abgefackelt wird, musste erstmal baulich alles umgeändert werden. Das war meine Horrorvorstellung - alle Ermittlungsunterlagen sind weg." Die Einheit braucht außerdem eine völlig eigene Technik, Fahrzeuge und verschlüsselte Kommunikation.

Korruption bei der Hamburger Polizei?

Von ihrem Standort im unscheinbaren Bürogebäude aus agieren die Beamten verdeckt und unter absoluter Geheimhaltung. Das Ziel: die Zerschlagung der mafiaähnlichen Bandenstrukturen auf St. Pauli. Darüber hinaus soll die Fachdirektion untersuchen, ob und in welchem Ausmaß es in der Hamburger Polizei Korruption gibt. Denn: "Mehr und mehr wurden in den Medien auch Fragen gestellt. Liegen da schützende Hände aus dem Polizeipräsidium über dem Sankt-Pauli-Milieu? Gibt es da eine Komplizenschaft?", erinnert sich Sielaff. Wie kaum ein anderer Polizeiführer gibt er schon damals Fehlentwicklungen in Deutschlands Polizei zu.

Erstes Zeugenschutzprogramm in Deutschland

Abhörgerät. Szene aus der Dokumentation "Reeperbahn Spezialeinheit FD 65". © NDR / Gebrüder Beetz Filmproduktion
Die Fachdirektion 65 setzt in den 80ern modernste Abhörtechniken ein, um gegen das Organisierte Verbrechen ermitteln zu können.

Der Erfolgsdruck für die neue Einheit ist groß - die Auseinandersetzungen zwischen den konkurrierenden Zuhälterbanden eskalieren zusehends. Selbst vor Mord schrecken die Beteiligten nicht mehr zurück. "Zum Erfolg verdammt", beschreibt Sielaff den Kampf gegen die Unterwelt. Ein gefährlicher Einsatz - es heißt, kaum jemand sei freiwillig da. Die Fachdirektion 65 schottet derweil ihre Ermittlungen ab - damit die Beamten erfolgversprechend arbeiten können, dürfen sie keinesfalls zu früh bekannt werden. Bis es zu einer Beschlagnahme oder Verhaftung kommt, dauert es oft ein bis zwei Jahre. Sielaffs Einheit bedient sich modernster Abhörtechniken. Darüber hinaus schleusen die Ermittler V-Leute ins Rotlichtmilieu ein - und legen schließlich das erste Zeugenschutzprogramm Deutschlands auf. Doch bis dahin ist es ein beschwerlicher Weg.

Neue Polizeimethoden: Ermittlungen sind personenbezogen

Die Spezialeinheit arbeitet nach neusten Polizeimethoden - noch bis Ende der 70er-Jahre wird Kriminalität in Hamburg deliktbezogen bekämpft. Das heißt, die Polizei reagiert nur auf Anzeigen oder offensichtliche Straftaten. Jetzt ermitteln die Beamtinnen und Beamten personenbezogen - und handeln nach dem Motto "Aktion statt Reaktion". Es geht um "Erkenntnisgewinnung durch systematische Informationsbeschaffung", mithilfe der "Verdachtsschöpfung" im "deliktischen Vorfeld", wie das Hamburger Abendblatt in einem Rückblick schreibt.

"Kann es sein, dass Schulz hier Pate ist?"

Der deutsche Unternehmer und Boxveranstalter Wilfrid Schulz, auch bekannt als "König von St. Pauli" oder "Pate", aufgenommen im Hamburg (undatierte Aufnahme). © picture alliance / Werner Baum Foto: Werner Baum
"König von St. Pauli" Wilfrid Schulz: Ist er der Strippenzieher in Hamburgs Untergrund?

Die FD65 ermittelt also Täter, wälzt sich dafür durch Aktenordner. "Wir wissen noch nicht genau, was für Straftaten sie begehen, aber wir wissen, sie begehen welche. Und jetzt gucken wir uns diese Personen mal an", so der damalige Staatsanwalt Rüdiger Bagger. Ein Ordner gehört zur Person Wilfrid Schulz. Seit den 60er-Jahren beherrscht er den Kiez wie kein anderer. "Der Name war in aller Munde, den kannte ja jeder in der Stadt. - Kann es sein, dass Schulz hier Pate ist? Ein Big Boss, der hier das ganze Geschehen beeinflusst?", so Sielaff zu den damaligen Überlegungen.

Kriminalität wird professioneller und internationaler

Schulz werden gute Beziehungen zu Spitzen der Hamburger Politik und besonders zur Polizei nachgesagt. Auch zu Kriminaldirektor Hans Zühlsdorf. Der soll einen Schuldschein in Höhe von 200.000 Mark wegen Wettschulden bei Schulz unterschrieben haben. Und es soll ein Film existieren, der Zühlsdorf zeigt - angeblich in der Villa von Schulz, in einem Pool mit Prostituierten, erinnert sich Sielaff. Doch der Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk wiegelt damals in der NDR Talk Show ab: "Es gibt überhaupt keinen Anlass, davon auszugehen, dass da irgendwas vertuscht wird." Pawelczyk ist es aber auch, der auf die Vorwürfe reagiert und nach einem Austausch mit Sielaff Richtlinien für die Arbeit der Polizei mit V-Personen und Informanten aus dem kriminellen Milieu erlässt. Kriminalität werde immer intelligenter und in Gruppen ausgeübt - und die Polizei müsse dem folgen, so der Polizeiminister.

Wilfrid Schulz kooperiert mit Größen der US-Mafia

Der "König von St. Pauli" Schulz pflegt außerdem Kontakte zur US-Mafia. Als Box-Promoter reist er einige Male in die USA, knüpft dort Kontakte zu Dino Cellini, Freddy Ayoub und Joseph Nesline. Die berüchtigten Mafia-Bosse weilen 1976 auch in Hamburg, aber erst sehr viel später erkennt Sielaff die Dimensionen, als ihm ein Kollege vom Glücksspiel ein Fernschreiben des FBI zeigt: Bei dem US-Gangster Nesline hatten die amerikanischen Ermittler in New Jersey eine Durchsuchung gemacht. "Und dann gucke ich mir das an, und auch die Namen - und die kenne ich doch alle. Wilfrid Schulz, Uwe Carstens", wundert sich Sielaff damals.

Sielaff tauscht sich mit Kollegen in den USA aus

Das Gros der Hamburger Polizei will die mafiösen Strukturen weiterhin nicht erkennen und bleibt untätig. Anders Sielaff: Seine Leute beginnen zu ermitteln, er selbst schließt sich mit dem FBI kurz, reist zum Kollegen-Austausch sogar in die USA. Vieles hat sich gerade in den 70er- und 80er-Jahren im kriminellen Milieu verändert - der Ermittler erkennt diese neue Form der Kriminalität als internationales Phänomen. Weil das FBI viele Leute verhaftet, machen die Casinos in Amerika "schlapp". Der Plan ist nun wohl, nach Europa auszuweichen, schildert Sielaff die damalige Situation: "Offenbar wollten die US-Bosse in Hamburg Fuß fassen."

Hamburg wird Hochburg des illegalen Glücksspiels

Eine Frau steht beim Fotografieren hinter einem Vorhang am Fenster. Szene aus der Dokumentation "Reeperbahn Spezialeinheit FD 65". © NDR / Gebrüder Beetz Filmproduktion
Unter absoluter Geheimhaltung tragen die Ermittler anderthalb Jahre lang Informationen über Kiez-Größen wie Wilfrid Schulz zusammen. (Szenenbild aus "Reeperbahn Spezialeinheit FD65")

Den Ermittlern fällt auf, dass sich in den Hamburger Casinos vermehrt amerikanische Staatsangehörige aufhalten. Einer von ihnen ist Guiseppe di Giorgio, genannt "Onkel Joe". Er hatte für den amerikanischen Mafia-Boß "Lucky" Luciano als Fahrer gearbeitet. Nach Sielaffs Aussage wird "Onkel Joe" von Schulz vergöttert. Auf St. Pauli ist der amerikanische Freund nun als Croupier in dessen Casinos tätig. Hamburg entwickelt sich zum Eldorado des illegalen Glücksspiels mit manipulierten Roulette-Tischen, gezinkten Karten und gefälschten Jetons. "Seven Eleven und so, das war nicht legal. Da ging es dann schon um richtig hohe Beträge. Aber das ist immer so - alles, was nicht legal ist, bringt Geld", sagt die einstige Kiez-Größe Karl-Heinz "Kalle" Schwensen in der True-Crime-Doku rückblickend über das Glücks- und Falschspiel. Anderthalb Jahre ermittelt die FD65 verdeckt, observiert, hört ab. 40 bis 50 Kriminelle sind im Visier der Spezialeinheit. Dann soll schließlich der Zugriff erfolgen.

Der erste Coup gelingt mit Verhaftung von Schulz

Am 4. November 1982 verhaftet die FD65 mit Unterstützung von 600 Beamtinnen und Beamten Wilfrid Schulz und den Kiez-Boss Uwe Carstens, genannt "Dakota-Uwe". Insgesamt werden 19 Verdächtige festgenommen und mehrere Lastwagen voller belastender Akten, Glücksspiel-Utensilien, Chemikalien und Waffen sichergestellt. Allerdings gelingt nicht jeder Zugriff, Mitglieder der kriminellen Vereinigung wie William Davis und Ursula Hayn haben sich abgesetzt, Haftbefehle können nicht vollstreckt werden. Obwohl Schulz' Haus gründlich durchsucht wird, finden die Ermittler wichtige Beweismittel nicht. Der Fachdirektion fehlen also entscheidende Details. Eine Anklage wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung scheitert ebenso wie die wegen Glücks- und Falschspiels. "Aber da blieb immer noch Bestechung, Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung, Anstiftung zu Mord und Förderung der Prostitution", so der damalige Staatsanwalt Bagger. Wegen Förderung der Prostitution, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung muss Schulz schließlich für drei Jahre und sechs Monate in Haft.

Niedergang des Geschäfts mit Sex durch Aids

Die Lücke, die Schulz hinterlässt, wird durch andere Zuhälter schnell wieder geschlossen. "Was danach kam, war wesentlich brutaler", erzählt Erika Haessler, die einzige Kommissarin der FD65, in "Reeperbahn Spezialeinheit FD65". Zwei Zuhälter-Organisationen konkurrieren im Kampf und Macht und Geld. Das ist zum einem die "GMBH", die - von vier Leuten geführt - geschätzt weit über 100 Prostituierte kontrolliert. "Und dann waren plötzlich eben die 'Nutellas' ein ernsthafter Gegner", sagt Bagger. Es folgen Revier- und Verteilkämpfe, die sich durch das Aufkommen von Aids verschärfen: Wegen der Angst vor Ansteckung kommt weniger Kundschaft. In der Folge erschüttern 1982 mehrere Morde das Rotlichtmilieu. Und die Spezialeinheit um Sielaff steckt mittendrin: "Wir waren die Leute am Herzen der Gangster, die wirklich einsickerten in die Unterwelt", erinnert sich Hartmut Voß von der verdeckten Einheit.

Angst und Schrecken: Motorrad-Rocker mischen den Kiez auf

Zudem mischen die "Hells Angels" in der Bordell-Szene mit: "Sie waren voll verstrickt in das Organisierte Verbrechen, und zwar hauptsächlich in den Bereichen Drogenhandel, Zuhälterei, Menschenhandel, Erpressung, Schutzgelderpressung", erläutert Sielaff. Die Rocker fahren mit ihren Harleys in die Lokale rein, verbreiten Angst und Schrecken. Und obwohl jedes Mal rund 100 Zeugen anwesend sind, will keiner etwas gesehen haben. Immer wieder habe er von FBI-Kollegen gehört: "Wenn du erfolgreich sein willst in der Bekämpfung des Organisierten Verbrechens, musst du deine Zeugen vor Gericht bringen", so Sielaff weiter.

1983 kommt Verbot für die "Hells Angels" in Hamburg

Wieder wendet sich der Leiter der FD65 an das FBI. Dort gibt es bereits ein Zeugenschutzprogramm, durchgeführt vom US Marshal Service. Nach dessen Vorbild baut Sielaff das erste Zeugenschutzprogramm in Deutschland auf. Als Leiter setzt er Otto Köhn von der Mordkommission ein, der sich auf einem Lehrgang in den USA fortbildet. Der FD65 gelingt ihr nächster Coup - am 11. August 1983 verhaftet sie 24 Mitglieder des Rocker-Clubs - Zeugen, die unter Schutz gestellt sind, sagen gegen sie aus. Noch im gleichen Jahr erwirkt der damalige Bundesinnenminister Zimmermann ein Verbot der Hamburger Rockergruppe.

Mitglieder der Hells Angels umarmen sich im Hamburger Landgericht. © picture alliance / AP | Norbert Foersterling Foto: Norbert Foersterling
24 Hamburger "Hells Angels" stehen 1984 wegen schwerer Straftaten vor dem Landgericht Hamburg.

Das Hamburger "Hells Angels"-Verfahren 1984 ist quasi die Geburtsstunde der Zeugenschutz-Abteilung. Aber auch diesmal bleibt ein Wermutstropfen für die FD65: Eine Verurteilung wegen des Straftatsbestands der kriminellen Vereinigung bleibt abermals aus. Drogenhandel, Menschenhandel und Schutzgelderpressung reichen aber für Strafen von 600 D-Mark Geldstrafe bis zu sieben Jahren Haft.

Drogenhandel löst neue Gewaltspirale auf dem Kiez aus

Ruhe kehrt aber auch nach dem Mammut-Prozess gegen die Rocker nicht ein. Die Lage auf dem Kiez eskaliert zusehends, die Hemmschwelle sinkt. 1984 sterben mehrere Zuhälter durch Auftragsmorde aus dem Milieu der "Chikago-Bande", die zu Beginn der 80er-Jahre in das Kokain-Geschäft eingestiegen ist. Fünf Zuhälter werden mit gezielten Kopfschüssen regelrecht hingerichtet. Weil sich die Mordkommission bei ihren Ermittlungen auf der Stelle tritt, richtet Sielaff nach dem fünften Mord in kürzester Zeit die Soko 855 ein - die Zahl 85 für das Jahr und die fünf für den Monat Mai. Zuständig für die Sonderkommission ist Staatsanwalt Wolfgang Bisky. Ein zupackender, handfester und geradliniger Typ, der sich nicht die Butter vom Brot nehmen lasse, so der ehemalige Staatsanwalt und Kollege Martin Köhnke in der Fernseh-Doku über die FD65: "Genau das, was wir brauchten."

Kunstgriff: Die FD65 trickst Werner Pinzner aus

Der St. Pauli-Killer Werner Pinzner bei seiner Verhaftung im April 1986 © NDR / Gebrüder Beetz Filmproduktion / Polizeimuseum Hamburg
"Überraschungsmoment geglückt": Am 15. April 1986 wird der Auftragskiller Werner Pinzner verhaftet. Das ikonische Bild wird bundesweit in der Presse gezeigt.

Rolf Bauer von der Mordkommission ist damals Ermittlungs- und V-Mann-Führer. Er ist auch zuständig für vertrauliche Kontakte. Nach dem Anruf eines Zeugen, der wohl Aussagen zu den Morden machen kann, trifft er sich mit dem Anrufer in einem Hotel im Ausland: "Die haben uns damals ganz klipp und klar gesagt, dass Pinzner der Täter war. Und Anstifter der 'Wiener Peter'", so Bauer. Der wichtigste Zeuge ist der Bordell-Besitzer Gerd Gabriel. Sein Revier ist der unauffällige Straßenstrich. Er sagt aus - und erhält dafür Zeugenschutz.

Der Haftbefehl gegen Pinzner liegt vor, doch wie vorgehen gegen einen Killer, der bewaffnet ist? Die FD65 braucht laut Sielaff ein "Überraschungsmoment". Eine Kollegin in Zivil fingiert einen Autounfall. Der Plan: Pinzner soll denken, dass der Grund für die Polizei im Haus ein ganz banaler ist - nämlich sein angefahrenes Auto. Die Beamten treffen Pinzner im Bademantel an - der Überraschungseffekt ist geglückt.

"Das war Organisiertes Verbrechen in übelster Form"

Doch auf dem Fahndungserfolg liegt ein lebenslanger Schatten. Bei seiner letzten Vernehmung schießt Pinzner auf Staatsanwalt Bisky, er stirbt einen Tag später an den Folgen im Krankenhaus. Anschließend richtet Pinzner seine Frau Jutta und dann sich selbst hin. Die Waffe hatte ihm seine Anwältin hinein geschmuggelt. "Und das war auch Organisiertes Verbrechen - in übelster Form", erinnert sich Bagger. Nach einer kurzen Schockstarre machen sich Sielaffs Leute auf die Suche nach den Hintermännern, im Visier: der "Wiener Peter" Peter Nusser. Weniger später wird auch er verhaftet, der Auftraggeber für zahlreiche Morde auf den Kiez - unter anderem vermutlich auch am "Chinesen-Fritz". Der Mann, der den alten St. Pauli-Kodex außer Kraft gesetzt hat - und die Polizei vor neue Herausforderungen gestellt.

Die FD65 wird 1989 als Abteilung "Organisierte Kriminalität" in das neu gegründete LKA Hamburg eingegliedert. Über die Arbeit der einstigen Fachdirektion sagt Sielaff heute: "Wir waren Wegbereiter einer neuen Form der Verbrechensbekämpfung auf diesem wichtigen Feld. Und die Genugtuung war ja die, dass die anderen Landeskriminalämter das übernommen haben - peng!"

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Reeperbahn Spezialeinheit FD65 | 04.01.2023 | 22:00 Uhr

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