Zeitreise: 125 Jahre Schwartauer Werke
Von Fußbodenöl und Bohnerwachs zum deutschen Marktführer bei Konfitüre: Bei der Gründung des Schwartauer Unternehmens 1899 war die industrielle Herstellung von Marmelade noch undenkbar.
Am Anfang stand die Chemische Fabrik Schwartau, gegründet von Paul und Otto Fromm. Die Brüder aus Rostock, ein Chemiker und ein Kaufmann, bauen ihre erste gemeinsame Firma rund 140 Kilometer von ihrer Heimatstadt entfernt auf. Der Grund: Schwartau ist per Eisenbahn und auf dem Wasserweg durch die Trave gut angebunden, es gibt bereits ein Wasserwerk und Zollvorteile, da Schwartau zum dänischen Zollgebiet gehört.
Neuer Trend: Marmelade aus der Fabrik
Logistisch ein guter Ausgangspunkt für ihr Unternehmen, Anfang des 20. Jahrhunderts kommt dann noch die zündende Geschäftsidee dazu: Denn ab jetzt wird Obst auch in großen Mengen produziert, per Bahn transportiert und neue Züchtungen machen Zuckerrüben billig - da wittern die Brüder Fromm einen Trend. 1907 steigen sie von Fußbodenprodukten auf industrielle Marmeladenproduktion um. Seitdem sind Früchte das Hauptgeschäft der Schwartauer. Die Brüder Fromm legen den Grundstein, ab 1930 steigt eine andere deutsche Unternehmer-Familie in Bad Schwartau ein: die Oetkers. Trotz der vielen Wechsel in Geschäftsform und Geschäftsführung in den ersten Jahrzehnten: Die Schwartauer Werke bleiben, überstehen auch die wirtschaftlich und politisch schwierigen Jahre während des Ersten und Zweiten Weltkrieges.
Unternehmensgeschichte aufgearbeitet
"Ich glaube, der Begriff Opportunisten trifft es vielleicht ganz gut." Max Schlenker, Historiker
Der Historiker Max Schlenker hat mit seiner Agentur zum 125-jährigen Bestehen der Schwartauer Werke die Unternehmensgeschichte noch mal aufgearbeitet - auch den Umgang mit dem Nationalsozialismus. "Die Führungsebene tritt erst 1933 in die Partei ein, aber als es zum Beispiel darum geht, inwiefern ein jüdischer Bankier, der im Aufsichtsrat sitzt, ausgeschlossen wird, da beschließt man dann schon - man nimmt diesen Menschen da raus. Man ist auf die Aufträge angewiesen, und da macht man dann eben auch mit."
Anpassung an die Zeit
Genauso dann auch bei der Beschäftigung von Zwangsarbeitern: Während die deutschen Arbeiter an der Front sind, müssen weibliche polnische Arbeitskräfte und französische Kriegsgefangene bei der Marmeladen-Produktion anpacken - Details über ihre Behandlung sind unbekannt, es gibt nur wenige Dokumente aus der Zeit.
Nach dem Krieg müssen sich auch die Schwartauer Werke wieder aufbauen, ihre Produktion automatisieren und modernisieren. Zusätzlich zur Marmelade probieren die Schwartauer Werke auch viele weitere Produkte aus: Honig, Bonbons, Tierfutter, Müsliriegel - das Unternehmen will mit der Zeit gehen, auch technisch.
Kurs halten in schwierigen Zeiten
Als Familienbetrieb sind sie im vorletzten Jahrhundert gestartet – seit den 1990er-Jahren gehören die Schwartauer Werke zum Großkonzern Hero der Oetker-Gruppe. Deutscher Marktführer bei Konfitüren, ein millionenschweres Unternehmen. Der Erfolg macht auch angreifbar: 1997 werden die Schwartauer Werke mit vergifteten Marmeladengläser erpresst - der Täter wird gefasst, das Unternehmen erholt sich nach einigen Monaten vom Schock und Vertrauensverlust. Dabei hilft dem Unternehmen laut Historiker Schlenker der Glauben an ihr Produkt: "Die Schwartauer sind in der Hinsicht immer Schwartau geblieben. Das heißt, es gab keinen völligen Umschwung. Dieser Markenkern, der ist geblieben: die süßen Produkte." Die Vision vom Beginn 1899: Mehrere Hundert Gläser pro Stunde maschinell mit Marmelade füllen, zuschrauben und etikettieren – sie ist heute Wirklichkeit. 960 Mitarbeitende produzieren hier nicht nur Marmelade - aber die hat die Schwartauer Werke bekannt gemacht, über die Grenzen von Schleswig-Holstein hinaus.