Rauchwolke über Helgoland nach der Sprengung am 18. April 1947. © picture-alliance / epd

Operation "Big Bang": Aschewolke über Helgoland

Stand: 18.04.2022 23:59 Uhr

Am 18. April 1947 sprengen die Briten 6.700 Tonnen Munition und die Militäranlagen Helgolands in die Luft. Die Insel ist damit entmilitarisiert. Doch zurück können die Inselbewohner erst mal nicht.

Ein dumpfes Grollen, eine bis zu vier Kilometer hohe Rauch- und Aschewolke über Helgoland, die bis nach Cuxhaven zu sehen ist - so erleben Augenzeugen den 18. April 1947. An diesem Tag sprengen die Briten 6.700 Tonnen Granaten, Raketen und Sprengstoff in die Luft. Es war Munition, die in unterirdischen Bunkern und Tunneln der Insel lagerte und Sprengstoff, den die Briten zuvor vom Festland herbeigeschafft hatten. Das Ziel der gigantischen Sprengung, dem "Big Bang" von Helgoland: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Besatzer wichtige Munition und Militäranlagen auf Helgoland vernichten.

Eine warme Böe und ein leichter Wind

Der britische Marine-Leutnant Brian Butler erlebt die Sprengung von einem Schiff in zehn Meilen Entfernung mit: "Ich konnte sehen, wie sich die Wasseroberfläche kräuselte. Das Meer war sehr ruhig an dem Tag. Und dann spürten wir eine sehr warme Böe und schließlich einen leichten Wind, der das Meer weiter kräuselte".

Am 18. April 1947 steigt nach der Sprengung auf Helgoland eine riesige Rauchwolke in den Himmel. © Brian Butler
AUDIO: "Big Bang": Die Sprengung auf Helgoland 1947 (15 Min)

An den Papst geschrieben

Die 2.500 Bewohner von Helgoland hatten die Insel 1945 verlassen müssen. Auch Olaf Ohlsen und seine Eltern. Er erinnert sich, wie erbittert seine Eltern und andere Helgoländer gegen die Zerstörungspläne gekämpft hatten. "Die haben an den Papst geschrieben, die haben an Churchill geschrieben, damit Helgoland nicht gesprengt wird", erinnert er sich. "Mein Vater war Kriegsgefangener hier. Er musste die ganze Munition mit reinschleppen. Deshalb war er der festen Überzeugung, dass von Helgoland nach dieser Sprengung nichts mehr übrig ist." Doch diese Angst ist unbegründet. "Mein Vater kam zurück vom Hafen und hat gejubelt: Helgoland steht! Helgoland steht", erzählt Ohlsen. Damals war er elf Jahre alt.

Die Lange Anna steht noch

Zwar ist die Insel ein Trümmerfeld, doch ihre Form ist einigermaßen erhalten geblieben. Nur an der Südspitze sind etwa 70.000 Quadratmeter im Meer versunken. Dort hatte sich Hitlers gigantischer U-Boot-Bunker befunden. Die berühmte Felsnadel Lange Anna hingegen steht noch, auch die Hafenanlagen und Küstenschutzmauern sind noch intakt.

Befestigungsanlagen zerstören

Viele Jahre hält sich das Gerücht, die Briten hätten die Insel gänzlich vernichten wollen. Einen solchen Befehl hat es allerdings nie gegeben. In einem Schreiben der Briten an deutsche Regierungsstellen vom Dezember 1946 heißt es: "Eine Sprengung der Insel Helgoland ist nicht beabsichtigt, es ist jedoch unbedingt notwendig, die Insel zu entmilitarisieren, und da hierbei einige 22 Kilometer Tunnel und Galerien zerstört oder durch Sprengmaterial blockiert werden dürften, wird unweigerlich ein großer Teil der Inseloberfläche vernichtet werden." Auch Brian Butler betont, dass Helgoland nicht komplett vernichtet werden sollte: "Wir wollten die Befestigungsanlagen zerstören und die Kriegsmunition, die es noch in Deutschland gab und auf der Insel."

Helgoland: Eine Insel als Bombenabwurfplatz

Ein britischer Soldat mit Bomben auf Helgoland nach dem Zweiten Weltkrieg. © Museum Helgoland
Die Briten sammelten tonnenweise Munition auf der Insel, um sie zusammen mit den Militäranlagen zu vernichten.

Die Helgoländer sind nach der Sprengung erleichtert, dass ihre Insel noch steht. Sie hoffen, nach Hause zurückkehren zu können. Doch sie haben die Rechnung ohne die Briten gemacht. Für die Besatzungsmacht ist das Eiland ein idealer Bombenabwurfplatz zu Übungszwecken. Und so gehen die Bombardements dort unvermindert weiter. Deutsche Politiker protestieren immer wieder dagegen. Im Dezember 1949 fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung einstimmig dazu auf, bei den Alliierten eine Rückkehr der Helgoländer auf ihre Insel zu erwirken. Doch die Bemühungen bleiben erfolglos.

Übergabe an deutsche Verwaltung 1952

Erst als die Studenten René Leudesdorff und Georg von Hatzfeld Helgoland im Dezember 1950 besetzen, um für die Rückgabe an Deutschland zu demonstrieren, kommt Bewegung in die Sache. Die Öffentlichkeit wird auf das Problem aufmerksam und die internationale Presse berichtet darüber. Daraufhin nehmen die Briten die Verhandlungen mit der Regierung Adenauer auf. Nur wenige Wochen später, am 21. Februar 1951, beschließt die britische Regierung, die Insel zurückzugeben. Die Übergabe erfolgt am 1. März 1952.

Weitere Informationen
Der Zeitzeuge half damals die Sprengung vorzubereiten.
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"Wir wollten die Insel nicht zerstören"

Der Engländer Brian Butler half, die Sprengung Helgolands 1947 vorzubereiten. Im Jahr 2007 erklärt er im Video, wie die Briten damals vorgingen. 1 Min

René Leudesdorff (l.) und sein Kommilitone Georg Hatzfeld stoßen am 22. Dezember 1950 im Flakbunker auf Helogland mit jewils einer Flasche Wein an im Flakkbunker © dpa Picture Alliance Foto: Jochen Blume

Mit Flaggen für eine freie Insel

Mit einem Freund besetzt René Leudesdorff Ende 1950 Helgoland, um für die Rückgabe der Insel zu demonstrieren. mehr

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Dieses Thema im Programm:

Doku & Reportage | 01.03.2022 | 23:30 Uhr

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