Hoffmann von Fallersleben: Ein streitbarer Geist
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben textete das "Lied der Deutschen" und Hunderte Kinderlieder. Der Professor aus der Nähe von Wolfsburg, den seine politischen Ansichten den Job kosteten, führte ein bewegtes Leben. Am 19. Januar 1874 starb er.
Während wohl jeder zumindest einige seiner Lieder kennt, weiß man über ihren Verfasser eher wenig. Wer war der Mann aus Fallersleben, der wegen seiner politischen Ansichten viele Jahre ein Wanderleben im Exil führte?
Hoffmann von Fallersleben: Treffen mit Grimm als Wendepunkt
August Heinrich Hoffmann wird am 2. April 1798 in dem kleinen Ort Fallersleben bei Wolfsburg geboren. Schon als Teenager schreibt der Gymnasiast erste Gedichte. Nach dem Abitur nimmt Hoffman 1816 in Göttingen zunächst das Theologiestudium auf. Bei Studien in Kassel im Jahr 1818 lernt er Jacob Grimm kennen, der Hoffmanns Interesse an Sprache und Literatur bestärkt. Daraufhin wechselt Hoffmann das Studienfach und bald auch den Studienort. Unter der Anleitung seiner Dozenten Grimm und Ernst Moritz Arndt widmet er sich fortan in Bonn der Germanistik und deutschen Philologie.
Seine politischen Ansichten beeinflusst in Bonn - wie schon in Göttingen - die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft. Als Kind hat Hoffmann unter der napoleonischen Besatzung Bürgerrechte wie Gleichheit vor dem Gesetz, öffentliche Gerichtsverfahren und Religionsfreiheit erlebt. Mit Bedauern sieht er nach dem Fall Napoleons den Rückfall in Kleinstaaterei und die alte Adelsordnung, in Zensur und Fürstenwillkür.
Ab 1821 Beiname "von Fallersleben"
Mit der Veröffentlichung der Gedichtsammlung "Lieder und Romanzen" wird aus dem jungen Dichter Hoffmann von Fallersleben. Mit dem Namenszusatz will Hoffmann Verwechslungen vorbeugen. Neben eigenen Gedichten widmet sich der Student der Erforschung und Veröffentlichung historischer Schriftstücke. Während seiner anschließenden Tätigkeit als Bibliothekar in Berlin verkehrt von Fallersleben mit dem Philosophen Georg Friedrich Hegel, dem Rechtsgelehrten Friedrich Karl von Savigny und mit dem Dichter Ludwig Uhland.
Hoffmann von Fallersleben wird Professor in Breslau
Langsam aber stetig macht Hoffmann Karriere im akademischen Literaturbetrieb. 1823 beruft die Universitätsbibliothek in Breslau ihn zu ihrem Kustos. Sein Wirken vor Ort führt dazu, dass der schließlich 1830 den Titel des außerordentlichen Professors für deutsche Sprache und Literatur erlangt. Fünf Jahre später wird er ordentlicher Professor. Daneben macht Hoffmann sich einen Namen als Experte der niederländischen Sprache. Er gilt als Begründer der niederländischen Philologie und bekommt 1823 die Ehrendoktorwürde der Universität Leiden verliehen.
"Unpolitische Lieder" führen ins Exil
Schlagartig vorbei ist es mit der Karriere, als Hoffmann 1840 seine Gedichtsammlung "Unpolitische Lieder" veröffentlicht, in denen er die politischen und gesellschaftlichen Zustände in Deutschland kritisiert. Die preußische Regierung reagiert hart auf die "politisch anstößigen Grundsätze und Tendenzen" in den "Unpolitischen Liedern". Sie verbietet den Gedichtband, enthebt Hoffmann 1842 pensionslos seiner Professur und entzieht ihm im Folgejahr die preußische Staatsbürgerschaft. Es folgen unruhige Jahre für den Vormärzlyriker. Er führt ein Wanderleben quer durch die deutschen Kleinstaaten. 39 Mal wird er ausgewiesen, aber immer wieder von politischen Freunden aufgenommen. Auf den mecklenburgischen Rittergütern Holdorf und Buchholtz findet Hoffmann für längere Zeit als Kuhhirte Unterschlupf. Die ländliche Ruhe inspiriert ihn zu einer großen Zahl von Kinderliedern - 550 werden es insgesamt.
"Lied der Deutschen" entsteht auf Helgoland
Im Zuge eines Treffens mit politisch Gleichgesinnten auf Helgoland im August 1841 verfasst Hoffmann das "Lied der Deutschen". Helgoland ist zu dem Zeitpunkt britisch, sodass die Liberalen bei ihrem Treffen keine Repressalien zu befürchten brauchen. Der Überlieferung nach schreibt Hoffmann den Text am 26. August, als er auf einer Klippe der Nordseeinsel sitzt. Einer der Auslöser für das Verfassen des Liedes ist der Anspruch Frankreichs auf das Rheinland während der Rheinkrise 1840/41.
Besonders unter Studenten und liberal Denkenden ist das "Lied der Deutschen", das bereits im September veröffentlicht wird, sehr beliebt. Hoffmann unterlegt den Text mit der Melodie der Kaiserhymne des Komponisten Joseph Haydn. Die wechselvolle Geschichte des Liedes dauert bis in unsere Zeit fort. Ab 1922 Nationalhymne der Weimarer Republik, wird der Text von den Nationalsozialisten ab 1933 im Sinne ihres Herrschaftsanspruches und ihrer Expansionspolitik ausgelegt. Seit 1991 ist die dritte Strophe die offizielle Nationalhymne Deutschlands.
Antisemitische Tendenzen
Hoffmanns Gedichte und Liedtexte, die ein einheitliches Deutschland und freiheitliche Bürgerrechte propagieren, stoßen unter liberalen Denkern auf große Resonanz. Dabei wendet sich sein Nationalismus gegen alles Fremde und Andere. Immer wieder finden sich in seinen Gedichten antisemitische Passagen. Nach der Rheinkrise äußert sich der Lyriker vermehrt franzosenfeindlich.
Familiengründung nach Rehabilitation
Erst ab 1849 verläuft Hoffmanns Leben wieder in ruhigeren Bahnen. Er lehnt jegliche Aktivität im Zusammenhang mit der Märzrevolution von 1848 ab. Nach mehrfachen Anfragen wird er am 20. März 1849 rehabilitiert und kehrt ins Rheinland zurück. Der inzwischen über 50-Jährige gründet eine Familie. Von vier Kindern aus der Ehe mit seiner jüngeren Nichte Ida vom Berge überlebt nur ein Sohn das erste Lebensjahr. Ida selbst stirbt mit nur 29 Jahren.
Letzte Station Corvey
Ab 1853 lebt die Familie für einige Jahre in Weimar, wo Hoffmann literaturwissenschaftliche Studien betreibt. Hier schließt der ehemalige Exilant Freundschaft mit dem Komponisten und Pianisten Franz Liszt, der Hoffmanns Sohn Franz Friedrich von Fallersleben Pate steht. Sein Freund Liszt ist es auch, der Hoffmann 1860 zu seiner Anstellung als Schlossbibliothekar in Corvey bei Herzog Viktor von Ratibor verhilft. Hier verbringt der Lyriker seinen letzten Lebensabschnitt. Neben seiner Arbeit in der Bibliothek widmet sich Hoffmann dem Schreiben einer sechsbändigen Autobiografie. Am 19. Januar 1874 erleidet er im Schloss einen Schlaganfall, dem er erliegt. Zu seiner Beerdigung in Corvey kommen über 1.000 Trauergäste.
Zur Erinnerung wurden zahlreiche Schulen und Straßen nach dem Dichter benannt sowie auf Helgoland und in Höxter bei Corvey Denkmäler errichtet. Im Schloss Fallersleben in Wolfsburg zeichnet das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum außerdem die Lebensgeschichte des Dichters nach.