Ein Faksimile, das die dritte Strophe des Deutschlandliedes von Heinrich Hoffmann von Fallersleben zeigt, aufgenommen im Berliner Reichstagsgebäude. © picture alliance / Peer Grimm/dpa Foto: Peer Grimm

Das Deutschlandlied - ein Lied mit Geschichte

Stand: 12.08.2022 00:01 Uhr

Das "Lied der Deutschen" wird am 26. August 1841 von Hoffmann von Fallersleben geschrieben. Es sorgt schon in der Entstehungszeit für Kontroversen. Am 11. August 1922 bestimmt Reichspräsident Ebert das Deutschlandlied zur Hymne der Weimarer Republik.

von Hanno Hotsch

Hoffmann von Fallersleben wollte frei denken, frei mit anderen diskutieren - ohne die Angst vor Spitzeln, Polizei und Gefängnis. Das ging für den jungen Dichter am ehesten im Ausland. Helgoland war damals Ausland, es gehörte zu Großbritannien. In Deutschland konnten die Menschen damals von Werten wie Freiheit oder Recht nur träumen. Genau das aber tat August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Ähnlich wie viele fortschrittliche Geister sehnte er die Überwindung von Willkür und Feudalherrschaft der zahllosen Fürsten herbei: ein einiges, demokratisches Deutschland.

"Lied der Deutschen" entsteht auf Helgoland

Fallerslebens Haus in schwarz-weiß als Gemälde. © NDR
Das Haus, in dem von Fallersleben während seines Helgoland-Aufenthaltes gewohnt hat, steht nicht mehr.

Diese Träume diskutierte er auf Helgoland mit Gleichgesinnten. Auf einer Klippe der Nordseeinsel sitzend schrieb von Fallersleben das "Lied der Deutschen" auf. Er unterlegte dem Text die Melodie des "Kaiserquartetts" von Joseph Haydn. Hoffmann von Fallersleben, der am 2. April 1798 in dem kleinen Ort Fallersleben bei Wolfsburg geboren wurde, sprach mit dem Text der Sehnsucht vieler Menschen in Deutschland aus dem Herzen. Sein Verleger Kampe kaufte ihm das dreistrophige Lied sofort ab. Er druckte mehrere hundert Exemplare - die waren sofort vergriffen.

Eine Strophe in Noten vom "Lied der Deutschen" liegt auf einer deutschen Nationalfahne. © Imago/Steinbach
AUDIO: "Einigkeit und Recht und Freiheit" (15 Min)

Hoffmann von Fallersleben: Star des Liberalismus, Feind des Adels

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben an seinem Schreibtisch, undatierte Aufnahme © picture-alliance / dpa | dpa
Der Dichter des Deutschlandliedes schrieb auch Kinderlieder wie "Alle Vögel sind schon da" und "Ein Männlein steht im Walde".

Bei den Intellektuellen wurde von Fallersleben schnell ein Star, nicht aber bei vielen Fürsten. Denn die Idee von einem einheitlichen Deutschland machte sie überflüssig. Der Ruf nach Recht bedrohte ihr Feudalsystem, der Ruf nach Freiheit gefährdete ihre Macht. Obwohl das Deutschlandlied damals nur eines von vielen Liedern der deutschen Nationalbewegung war, wurde von Fallersleben nur ein Jahr nach dem Verfassen auf Helgoland kurzerhand und ohne weitere Bezüge seines Lehrstuhls an der Uni Breslau enthoben. Die Zensurbehörde warf ihm Verachtung und Hass gegen Landesherrn und Obrigkeit vor, und so wurde er in den 1840er-Jahren zum politisch verfolgten Asylanten.

Im Jahr 1922 bestimmte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) das immer populärer gewordene Lied zur Nationalhymne der Weimarer Republik - mit allen drei Strophen.

"Lied der Deutschen": Nationalsozialisten singen nur die erste Strophe

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde nur noch die erste Strophe gesungen, auf die das "Horst Wessel Lied" folgte. Hatte von Fallersleben die Idee eines nach innen geeinten Deutschland über alles gestellt, stellten die Nazis nun Deutschland nach außen über alle anderen. Das Lied selbst war durch die Nazis, deren Diktatur und den Krieg so negativ besetzt, dass es danach viele Menschen nicht mehr als Nationalhymne wollten. 1950 sagte unter anderem der damalige Bundespräsident Theodor Heuss, der Text sei zwar in seinem Ursprung ein Teil der deutschen Geschichte, aber "das ungeheure Schicksal, das die staatlichen Zusammenhänge zerschlug, schuf einen Geschichtseinschnitt, der mit dem alten Sinn- und Wortvorrat nicht mehr umfasst werden kann."

Neue Hymne findet keinen Zuspruch

Heuss gab deshalb ein neues Deutschlandlied in Auftrag. Die "Hymne an Deutschland", getextet von Rudolf Alexander Schröder mit einer Melodie von Hermann Reutter, setzte sich beim Publikum aber nicht durch. Stattdessen führte ein anderer Spitzenpolitiker, Konrad Adenauer, bei einem Auftritt 1950 im Berliner Titania-Palast die dritte Strophe der alten Hymne wieder ein - und gab ihr neuen Sinn:

"Wenn ich Sie nunmehr, meine Damen und Herren, bitte, die dritte Strophe des Deutschlandliedes zu singen, dann sei uns das ein heiliges Gelöbnis, dass wir ein einiges Volk, ein freies Volk und ein friedliches Volk sein wollen." Bundeskanzler Konrad Adenauer, 1950

Heuss lenkte nach einem Briefwechsel mit Adenauer schließlich ein, sodass die dritte Strophe des Deutschlandliedes von Hoffmann von Fallersleben ab 2. Mai 1952 als Nationalhymne Bundesrepublik gesungen werden sollte.

VIDEO: Deutschlandlied - über alles? (Panorama vom 20.07.1964) (21 Min)

"Einigkeit und Recht und Freiheit": Dritte Strophe seit 1991 offizielle Nationalhymne

Ganz offiziell Nationalhymne ist die dritte Strophe vom "Lied der Deutschen" erst seit 1991. Das besiegelten Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem Briefwechsel: Die dritte Strophe des Hoffmann-Haydn’schen Liedes habe sich als Symbol bewährt und solle es bleiben. An den Dichter von Fallersleben erinnert auf Helgoland eine große Bronzebüste. Sie steht auf dem Unterland, unmittelbar am Anleger, an dem die Touristen ankommen.

Weitere Informationen
Zeitgenössische Darstellung von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. © picture-alliance / dpa

Hoffmann von Fallersleben: Ein streitbarer Geist

Er textete das "Lied der Deutschen". Den Dichter kosteten seine politischen Ansichten den Job. Am 19. Januar 1874 starb er. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 02.05.2022 | 08:25 Uhr

Mehr Geschichte

Bertha Keyser, der "Engel von St. Pauli" © Hauptkirche St.Michaelis

60. Todestag von Bertha Keyser: Der echte "Engel von St. Pauli"

Bertha Keyser hat sich ein halbes Jahrhundert lang um Arme und Obdachlose in St. Pauli gekümmert. Am 21. Dezember 1964 starb sie. mehr

Norddeutsche Geschichte