Am Berliner Wedding in der Bernauer Strasse stehen Volkspolizisten am 13. August 1961 mit Gewehren im Anschlag hinter einer Strassensperre aus Stacheldraht. © picture alliance / Konrad Giehr Foto: Konrad Giehr
Am Berliner Wedding in der Bernauer Strasse stehen Volkspolizisten am 13. August 1961 mit Gewehren im Anschlag hinter einer Strassensperre aus Stacheldraht. © picture alliance / Konrad Giehr Foto: Konrad Giehr

Erst Stacheldraht, dann Beton: Der Bau der Mauer

Stand: 13.08.2023 05:00 Uhr

Armee und Polizei der DDR beginnen am 13. August 1961 mit der Abriegelung der Grenzen innerhalb Berlins. Auf Stacheldraht folgen schnell Steine. Es entsteht eine Mauer, die die Teilung Berlins besiegelt.

von Sebastian Theby

Am frühen Morgen des 13. August 1961 strebt der Kalte Krieg dem Gefrierpunkt entgegen. Nationale Volksarmee, Volkspolizei und sogenannte Betriebskampfgruppen der DDR marschieren an den Grenzen zum Sowjetsektor in Berlin auf. Die Uniformierten reißen das Straßenpflaster auf, rammen Pfähle in die Erde, ziehen Stacheldraht. Keiner soll mehr entkommen. Die politische Führung mag nicht mehr mit ansehen, wie immer mehr Menschen aus der sowjetischen Besatzungszone in den Westen flüchten und damit den Fortbestand der DDR gefährden.

Flucht aus der DDR: Letzte Möglichkeit West-Berlin

Seit der Gründung des nach sowjetischem Vorbild aufgebauten Arbeiter- und Bauernstaates am 7. Oktober 1949 haben sich bereits mehr als 2,5 Millionen Menschen auf den Weg in den Westen gemacht. Die innerdeutsche Grenze ist im Sommer 1961 schon relativ undurchlässig, doch in Berlin gestaltet sich die Kontrolle schwierig.

Mauerbau: Sogar Fenster werden zugemauert

Von bewaffneten Volkspolizisten bewachte Bauarbeiter errichten die Mauer zwischen Potsdamer Platz und Lindenstraße. © picture-alliance / AKG Foto: AKG Berlin
Von bewaffneten Volkspolizisten bewachte Bauarbeiter errichten die Mauer hier zwischen Potsdamer Platz und Lindenstraße.

Das kann und will die DDR-Führung nicht mehr hinnehmen. Trotz der Absperrungsmaßnahmen flüchten bis zum nächsten Tag weitere 800 Menschen in den West-Teil der Stadt - sie überwinden den Stacheldraht oder springen durch Hausfenster an der Sektorengrenze. Das DDR-Regime reagiert und lässt diese Schlupflöcher stopfen. Fenster der grenznahen Häuser werden zugemauert, die Grenzübergänge mit Betonplatten verriegelt. Nach und nach entsteht so die Berliner Mauer. Später werden die grenznahen Häuser ganz weggerissen und der sogenannte Todesstreifen entsteht.

Weitere Informationen
Ein bewaffneter Volkspolizist steht vor einem Schild mit der Propagandaparole "Der Sozialismus siegt". © picture-alliance / dpa

13 Tage im August: Der Weg zum Mauerbau in der Audio-Chronik

Am 13. August 1961 beginnt die DDR mit dem Mauerbau. Immer mehr Menschen verlassen zuvor die Republik, die Lage spitzt sich zu. mehr

Die Amerikaner zeigen sich machtlos

Der Westen reagiert zurückhaltend auf die Aktion, nur zögerlich werden Solidaritätsbekundungen der Amerikaner laut. Nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt die Amerikaner zwei Tage nach Beginn des Mauerbaus in einem Brief an den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy um Unterstützung gebeten hat, schreibt dieser kurz darauf zurück:

"So ernst diese Angelegenheit auch ist, so stehen uns doch [...] keine Maßnahmen zur Verfügung, die eine wesentliche Änderung der Sachlage in der derzeitigen Situation bewirken können." John F. Kennedy an Berlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt am 18. August 1961

Bereits im Juni 1961 hatte Kennedy gegenüber einem Berater die Machtlosigkeit des Westens zum Ausdruck gebracht: "[Chruschtschow] muss etwas tun, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen - vielleicht eine Mauer. Und wir werden das nicht verhindern können. Ich kann die Allianz zusammenhalten, um Westberlin zu verteidigen. Aber ich kann nichts machen, um Ostberlin offen zu halten."

Ulbricht dementiert Mauerbau noch kurz zuvor

Die endgültige Trennung Deutschlands war sehr sorgfältig durchgeplant und organisiert. Dabei gab sich das Regime vor dem Mauerbau völlig unwissend. Noch im Juni 1961 beteuert der Staatsratvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, auf einer Pressekonferenz:

"Ich verstehe Ihre Frage so, dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Walter Ulbricht auf einer Presssekonferenz am 15. Juni 1961

Zynischerweise prägt Ulbricht damit den Begriff "Mauer", bevor es selbige überhaupt gab. Die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sollte stellvertretend sein für die typische DDR-Propaganda - bis zum Fall der Mauer im November 1989.

VIDEO: 13. August 1961 - Bau der Berliner Mauer (3 Min)

Hunderte sterben an der innerdeutschen Grenze

Bis dahin aber sorgt der "antifaschistische Schutzwall" - so der Propaganda-Ausdruck im Osten - mit tödlicher Präzision dafür, dass die Bürger der DDR in ihrem Land gefangen bleiben. Fluchtversuche sollen durch Mauern und Zäune, Hunde-Laufanlagen, Minen, Selbstschussanlagen und mit Schießbefehl ausgestattete Grenzsoldaten unmöglich gemacht werden. Schätzungen zufolge sterben zwischen 1961 und 1989 etwa 900 Menschen bei Fluchtversuchen an der innerdeutschen Grenze: Fast 200 Flüchtlinge ertrinken in der Ostsee, mehr als 600 sterben an innerdeutscher Grenze und Berliner Mauer.

Fall Fechter steht exemplarisch für etliche Mauer-Opfer

17. August 1962: Bei einem Fluchtversuch über die Mauer Nähe Friedrichstraße wird der 17-jährige Bauarbeiter Peter Fechter angeschossen. Weder West- noch Ostberliner Grenzpolizei greift ein. Fechter verblutet zwischen den Fronten. © akg-images Foto: akg-images
Bei Fluchtversuchen kamen viele Menschen ums Leben, etwa der 18-jährige Peter Fechter, der 1962 angeschossen wird und stirbt.

Mindestens 136 Menschen bezahlen den Fluchtversuch an der Berliner Mauer mit ihrem Leben. Das ergaben Untersuchungen der Gedenkstätte Berliner Mauer und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam. Einer der tragischsten Fälle ist verbunden mit dem Namen Peter Fechter: Gut ein Jahr nach dem Bau der Grenze versucht der 18-Jährige, zusammen mit einem Freund über die Mauer zu klettern. Dem Freund gelingt die Flucht, Fechter jedoch wird, als er sich oben auf der Mauer befindet, von den DDR-Grenzern angeschossen und fällt zurück auf DDR-Gebiet. Dort schreit er eine Stunde lang um Hilfe, bis er schließlich qualvoll verblutet. Fechters Tod an der Mauer steht exemplarisch für alle, die ihr Leben an der Grenze lassen mussten - ein Symbol für die Unmenschlichkeit des DDR-Regimes.

Weitere Informationen
Am 1. Juni 1962 Marlies Ernst  am S-Bahnhof Berlin-Friedrichstraße an. Links neben ihr ihre jüngere Schwester, rechts der Stiefvater. © NDR / privat Foto: privat

Mauerbau und Propaganda: Vom Westen entführt? Der Fall Marlies

Der Mauerbau trennt 1961 auch Kinder von ihren Eltern. Die DDR spricht von staatlich organisiertem Kindesraub des Westens. Auch der Podcast "Dorf Stadt Kreis" beschäftigt sich mit dem Thema. mehr

Günter Guillaume mit seinem etwa drei Jahre alten Sohn Pierre auf dem Arm vor einem Weihnachtsbaum. © Pierre Boom, private Aufnahme

Pierre Boom: Sein Leben als Sohn des DDR-Spions Günter Guillaume

Als Pierre 17 ist, wird sein Vater Günter Guillaume als DDR-Spion verhaftet. Jahrelang wartet der Sohn auf Erklärungen - und bekommt sie nicht. mehr

Der 19-jährige Conrad Schumann flüchtet am 15. August 1961 mit einem Sprung über eine Stacheldrahtabsperrung vom sowjetischen Sektor in den Westteil Berlins. © picture-alliance / dpa Foto: UPI

Der Mauerbau: Grenzsoldaten als Teil und Opfer des Systems

Der Mauerbau zementiert 1961 die deutsche Teilung. Grenzsoldaten sind dafür zuständig, dass sie hält - und sind doch selbst auch deren Opfer. mehr

Peter Drauschke als Jugendlicher vor der Kulisse des Hamburfger Hafens. © Peter Drauschke, privat

Freiwillig in die DDR: "Wir sind einer Lüge aufgesessen"

Aus Überzeugung geht Peter Drauschke 1963 von Hamburg in die DDR. Vom Regime enttäuscht, versucht er zu fliehen. Und scheitert. mehr

An einem Grenzübergang sind ein Minenwarnschild, sowie zwei Maschinengewehre befestigt. © NDR Foto: Hermann Pröhl

Flucht aus der DDR: Geschichten von Risiko und Freiheit

Nach dem Mauerbau war die sogenannte Republikflucht nur noch unter großen Gefahren möglich. Viele haben es dennoch gewagt. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 09.08.2021 | 16:05 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Die 60er-Jahre

DDR

Mehr Geschichte

Ebenezer Scrooge wird von Jacob Marleys Geist aufgesucht. Ausschnitt einer Original-Illustration von John Leech zu Charles Dickens' "A Christmas Carol". © picture alliance/Mary Evans Picture Library

"Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens erobert alle Herzen

Seit 1843 berührt die "Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens um den Geizhals Ebenezer Scrooge Groß und Klein - auch im Film. mehr

Norddeutsche Geschichte