Vor 25 Jahren: U-Ausschuss gegen Ex-Ministerpräsident Glogowski
Er war nur 13 Monate im Amt: Als niedersächsischer Ministerpräsident trat Gerhard Glogowski 1999 zurück - wegen des Vorwurfs der Vorteilsnahme. Am 26. Januar 2000 wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.
Gerhard Glogowski (SPD) folgte am 28. Oktober 1998 auf seinen Parteigenossen Gerhard Schröder als niedersächsischer Ministerpräsident. Unter Schröder war er seit 1990 Innenminister und Stellvertreter des Regierungschefs. Doch lange war Glogowski nicht im Amt. Am 15. Dezember 1999 trat er als Ministerpräsident zurück. Grund: Er konnte anhaltende Vorwürfe, er habe sich durch sein Amt materielle Vorteile verschafft, nicht ausräumen.
Amtspflichten verletzt?
Zwei Monate nach dem Rücktritt von Glogowski setzte der Niedersächsische Landtag auf Antrag von CDU und Grünen am 26. Januar 2000 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Dem PUA stimmte auch die SPD zu. Er sollte klären, ob Glogowski seine Amtspflichten verletzt oder die Grundsätze über die Vermeidung von Vorteilsnahme missachtet hat. Es standen auch Vorwürfe über finanzielle Ungereimtheiten im Raum.
Anfang der Affäre macht Foto aus dem Ägypten-Urlaub
Die Affäre um Glogowski hatte mit einem Foto begonnen. Es zeigte den Politiker gemeinsam mit seiner Frau auf ihrer Hochzeitsreise im April 1999. Die Reise war direkt über die Geschäftsleitung der TUI gebucht worden. Das Hotel soll Glogowski vor Ort bezahlt haben, berichtete der NDR. Die Flüge beglich er erst acht Wochen später - nachdem TUI gemahnt haben soll. Der "Spiegel" vermutete damals ein massives Missverständnis: Glogowski habe geglaubt, die TUI hätte ihn zur Reise eingeladen.
"Wer hat wann was bezahlt?"
Der Druck der Opposition auf Glogowski stieg rasant. "Es muss untersucht und aufgeklärt werden, und jetzt ist vor allem der Ministerpräsident selbst am Zuge, Aufklärung zu geben", sagte Christian Wulff, CDU-Fraktionsvorsitzender von 1994 bis 2003. "Wir wollen Beträge und Belege sehen", forderte damals Michel Golibrzuch von den Grünen. "Es ist wichtig, jetzt zu klären, wer hat wann was bezahlt?" Auch nach Glogowskis schnellen Rücktritt kamen immer mehr Vorwürfe hinzu.
Interessen Braunschweigs vorangestellt?
Kritiker in der Landeshauptstadt Hannover warfen Glogowski auch vor, er habe vor allem die Interessen der Stadt Braunschweig im Blick gehabt. Denn der SPD-Politiker war lange Jahre dort Oberbürgermeister gewesen. Außerdem war er zeitweise Präsident des Niedersächsischen Städtetages. Er saß in den Aufsichtsräten der Volkswagen AG, der Norddeutschen Landesbank, der Öffentlichen Versicherung Braunschweig, der Stahlwerke Peine-Salzgitter, der Stadtwerke Braunschweig, der Niedersächsischen Verfrachtungsgesellschaft und der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke sowie im Beirat der Ferngas Salzgitter GmbH.
Reise, Hochzeit, Kaffee, Bier und Gästehaus
Laut dem im Frühjahr 2000 vorgelegten Bericht des Sonderermittlers Heiner Herbst im Auftrag der Landesregierung waren vier von neun Vorwürfen gegen Glogowski berechtigt. Darunter die Reise nach Ägypten, die als Staatsbesuch deklariert worden war. "Diese Reise hat den überwiegenden Charakter einer Privatreise gehabt", stellte Herbst fest. Außerdem wurde beanstandet, dass bei Glogowskis Hochzeitsfeier Braunschweiger Unternehmen als Werbemaßnahme Bier und Kaffee ausgeschenkt hatten. "Wir sind der Auffassung, dass das unzulässig ist", betonte der Sonderermittler. Hinzu kamen nicht rechtzeitig abgeführte Aufsichtsratsbezüge in Höhe von rund 87.000 D-Mark und die kostenlose Nutzung eines Apartments im Gästehaus der Landesregierung. "Hier hätte ein Nutzungsentgelt festgesetzt und auch erhoben werden müssen", so Herbst.
Glogowski kandidierte nicht erneut für den Landtag
Politisch konnte sich Glogowski von der Affäre nicht mehr richtig erholen. Er kandidierte nicht erneut für den Landtag. "Da bin ich mir nicht so sicher, ob ich dazu noch mal Lust habe, wenn ich das hier erlebe. Vor allen Dingen weiß ich nicht, ob ich mit solchen Kollegen wie von den Grünen oder einigen von der CDU überhaupt noch im selben Raum sitzen will", sagte Glogowski dem NDR, spürbar enttäuscht.
Pfeile aus den eigenen Reihen
Thorsten Hapke, Chefredakteur des NDR Niedersachsen und damals Hauptberichterstatter im Fall Glogowski sagte 2024 rückblickend in einem Interview: "Dass es zu dieser Affäre kam, hatte nicht nur mit Glogowskis Fehlverhalten zu tun, sondern damit, dass diese Vorwürfe öffentlich wurden. Denn: Wo konnten sie herkommen? Sie konnten nur aus dem Inner Circle kommen, aus der Staatskanzlei." Nach Hapkes Überzeugung ist der Hintergrund, dass viele in der SPD das Gefühl hatten, "dieser Ministerpräsident ist nicht der richtige, auch für die nächste Landtagswahl". Schröder sei ein Shootingstar der SPD und ein bundespolitisches Schwergewicht gewesen. Glogowski habe nur Niedersachsen gemacht. "Und er stand gegen einen jungen Oppositionsführer Christian Wulff, der als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU auch bundespolitisches Gewicht hatte", erklärte Hapke. Die SPD habe Angst vor einer Wahlniederlage gehabt und geglaubt, ohne Glogowski erfolgreicher sein zu können.
Wegen der Affäre angeklagt wurde Glogowski nicht. Drei Jahre nach seinem Rücktritt wurde sein Porträtbild in die Ahnengalerie der niedersächsischen Ministerpräsidenten aufgenommen.
Seit 2008 Ehrenbürger Braunschweigs
Von 1976 und 1981 und von 1986 bis 1990 war Glogowski Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig. Zusammen mit dem ehemaligen Magdeburger Oberbürgermeister, Wilhelm Polte (SPD), gründete er 1987 die Städtepartnerschaft zwischen Braunschweig und Magdeburg.
2008 wurde Glogowski Ehrenbürger Braunschweigs. Zum 80. Geburtstags des ehemaligen Landesoberhauptes richtete die Stadt am 11. Februar 2023 einen Festakt aus. In seiner Festrede sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Glogowski sei einer der bedeutendsten Innenminister des Landes gewesen. Als Ministerpräsident habe er Niedersachsen nach der Wiedervereinigung geprägt.