Rudolf Höß (vorne rechts) 1944 in einer Gruppe von SS-Offizieren (v.l.: Richard Baer, Josef Mengele, Josef Kramer, im Hintergrund rechts: unbekannt) in ihrer Freizeit in der Nähe von Auschwitz. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Rudolf Höß: Was tat der Lagerkommandant von Auschwitz?

Stand: 11.03.2024 08:30 Uhr

Der SS-Offizier Rudolf Höß baut 1940 im Auftrag Heinrich Himmlers das Konzentrationslager Auschwitz auf. Später organisiert er dort den Massenmord in den Gaskammern. 1947 wird er als Kriegsverbrecher hingerichtet.

von Oliver Diedrich, NDR.de

SS-Hauptsturmführer Rudolf Höß erhält 1940 den Auftrag, im besetzten Polen ein Konzentrationslager aufzubauen. Politische Häftlinge sollen im KZ Auschwitz Zwangsarbeit in eigens errichteten Industriebetrieben und in der Landwirtschaft verrichten. Lagerkommandant Höß erweist sich als effizienter Organisator. Ständig muss er das KZ erweitern, denn Hitlers Truppen schicken schon bald auch Tausende Kriegsgefangene aus Russland. Und immer mehr Juden - Zehntausende, Hunderttausende: Täglich rollen in Auschwitz Züge an mit Deportierten aus ganz Europa.

Auschwitz: Tod durch Hunger, Zwangsarbeit - und in der Gaskammer

Im Lager sterben die Insassen durch Hunger, Krankheiten und Zwangsarbeit. Doch die meisten werden direkt nach der Ankunft vergast. SS-Chef Heinrich Himmler hat Höß inzwischen eine neue Direktive erteilt: So viele Juden wie möglich zu "vernichten", um zur "Endlösung der Judenfrage" beizutragen. Bis Anfang 1945 sterben mindestens 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz und den dazu gehörenden Außenlagern.

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Als die russische Armee Ende Januar 1945 zur Befreiung des KZ Auschwitz kommt, ist die SS längst geflohen. Höß taucht unter falschem Namen unter. Doch am 11. März 1946 spüren ihn britische Militärpolizisten in der Nähe von Flensburg auf. Der frühere Auschwitz-Kommandant muss als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen aussagen und kommt anschließend in Polen vor Gericht. Höß wird zum Tode verurteilt und in Auschwitz erhängt.

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Keine Zweifel an Höß' Aufzeichnungen zu Auschwitz

Doch vorher schreibt Höß im Gefängnis ausführlich über sein Leben und seine Zeit in Auschwitz. Seine Schilderungen sind detailreich und hinterlassen oft den Eindruck einer Beichte, wenn auch in meist nüchternem, manchmal zynisch anmutendem Ton. Höß schreibt über die desolate Hygiene- und Versorgungslage im Lager, den brutalen Umgang mit Häftlingen, über Folter- und Hinrichtungsmethoden, über die systematische Ermordung russischer Kriegsgefangener und über den Holocaust in den Gaskammern. Historiker bezweifeln den Wahrheitsgehalt seiner Angaben zum KZ Auschwitz nicht, abgesehen von Einzelheiten und der von ihm zu hoch eingeschätzten Opferzahl. Auch die Annahme, Höß' Geständnisse seien in der Haft erzwungen oder gefälscht worden, erscheint aufgrund des Schreibstils und des Detailreichtums als unwahrscheinlich.

Viele Details aus Höß' Leben unklar

Rudolf Höß stammt aus Baden-Baden. Eine Geburtsurkunde datiert seine Geburt auf den 25. November 1901. Höß selbst nennt später allerdings das Jahr 1900 als Geburtsjahr. Warum er sich offenkundig älter macht, darüber kann nur spekuliert werden. Möglicherweise will Höß unter anderem seine Erzählungen von Erlebnissen im Ersten Weltkrieg plausibler klingen lassen. Demnach habe er sich 1916 freiwillig für den Fronteinsatz gemeldet, um dem Wunsch seines verstorbenen Vaters zu entgehen, dass er Priester werden solle. Als junger Soldat sei er dann mehrfach ausgezeichnet worden, so Höß. Historiker bezweifeln jedoch inzwischen, dass Höß vor 1918 am Krieg teilnahm - ebenso wie mache andere Angaben zu seinem Werdegang.

Freikorps-Mitglied, "Artamane", SS-Mann

Nach Kriegsende schließt sich Höß einem ultra-rechten Freikorps an und tritt 1922 in die NSDAP ein. Wegen Mordes an einem "Verräter" aus der Gruppe kommt er 1924 ins Gefängnis, wird aber 1928 vorzeitig entlassen, als die Rechten im Reichstag erstarken. Höß stößt zu den "Artamanen", einer völkisch-nationalen Siedlungsbewegung, und gründet eine Familie. 1934, so berichtet Höß, habe ihn Heinrich Himmler, der ihn von den "Artamanen" kannte, in die SS geholt. In den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen, wo die Nationalsozialisten politische Gegner einsperren, verdient sich Höß erste Sporen. Seine Vorgesetzten halten ihn offenbar für sehr geeignet als KZ-Chef: In Auschwitz soll Höß seine Fähigkeiten als Logistiker und Organisator unter Beweis stellen.

Buch-Tipp:

Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.): "Auschwitz in den Augen der SS. Rudolf Höß, Pery Broad, Johann Paul Kremer", Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2011.

Rudolf Höß ist überzeugter Nationalsozialist

Viele Sätze in Höß' Autobiografie enthalten die Worte: "Ich musste ..." Er betont sein Pflichtbewusstsein und seine persönliche "Moral" und dass er "verbrecherische und sadistische" Aufseher in Auschwitz verabscheut habe. Doch zugleich räumt er ein, dass es diese gab - und dass er als Lagerkommandant dafür die Verantwortung zu tragen habe. Seinen Auftrag zum Massenmord hinterfragt er an keinem Punkt gegenüber seinen Vorgesetzten. Schließlich habe "für uns alle der Führer-Befefehl unverrückbar" festgestanden. Höß ist überzeugter Nationalsozialist und Antisemit, auch nach dem Krieg noch. Er schreibt allerdings, er habe Zweifel an der "Endlösung" gehegt, aber sie nicht zeigen dürfen. Dabei reklamiert er für sich selbst ein Art Opferrolle: Denn von ihm als Kommandanten sei ganz besondere Härte erwartet worden und er "musste kalt zusehen wie die Mütter mit den Kindern in die Gaskammer gingen."

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Höß' Kinder tragen Wäsche vergaster Häftlinge

Höß lebt in Auschwitz mit seiner Familie in einer Villa ein paar Meter vor dem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun des KZ. Es ist Krieg - auch bei der SS muss man sehen, wo man bleibt: Auf Höß' Esstisch stehen Speisen, die von den ankommenden Gefangenen konfisziert wurden. Seine Kinder tragen die desinfizierte Wäsche von jüdischen Kindern, die Höß in Auschwitz töten lässt. Bei anderen SS-Leuten kritisiert Höß solche persönliche Bereicherung. Mit einer Gefangenen hat der Kommandant sogar eine Affäre - als die Frau schwanger wird, lässt Höß sie in eine Hungerzelle werfen.

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Józef Paczyński († 2015) musste als KZ-Häftling dem Lagerkommandanten Rudolf Höß die Haare schneiden.

"Höß war ein ganz normaler Mensch. Er machte den Eindruck eines ehrlichen, ruhigen, eher schweigsamen Menschen, er schlug niemanden." So erinnerte sich der 2015 verstorbene Auschwitz-Überlebende Józef Paczyński Ende 2014 im Gespräch mit NDR.de an den Lagerkommandanten. Paczyński war 1940 als einer der ersten Gefangenen nach Auschwitz verschleppt worden und musste bis Anfang 1945 als politischer Häftling im Lager bleiben. Der Pole wurde damals Höß' Friseur. Paczyński sagte, er habe furchtbare Angst gehabt, bei der Arbeit einen Fehler zu machen und Höß zu verärgern. "Meine Hände und Beine zitterten, aber ich musste meine Pflichten ausführen." Paczyński kommt dem Kommandanten damals regelmäßig so nahe, dass er ihn theoretisch hätte töten können: "Aber ich war mir bewusst, welche Konsequenzen dann kommen würden. Zuerst würde ich umgebracht, dann meine ganze Familie und dann bestimmt noch die Hälfte der Lagerhäftlinge. Und an seine Stelle würde ein anderer kommen, bestimmt." Höß habe zu alldem gestanden, was er tat, war Paczyński überzeugt. "Er rühmte sich selbst, jeder Nationalsozialist würde dasselbe machen, was er gemacht hatte."

Als Höß 1947 als Kriegsverbrecher hingerichtet wird, geschieht dies auf dem Gelände des früheren Stammlagers in Auschwitz. Der Galgen ist noch heute in der KZ-Gedenkstätte zu sehen.

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Dieses Thema im Programm:

7 Tage | 28.01.2015 | 00:00 Uhr

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