"The Zone of Interest": Hintergründe zum Holocaust-Film von Glazer
Christian Friedel und Sandra Hüller spielen in Jonathan Glazers Holocaust-Drama "The Zone of Interest" den KZ-Kommandanten Rudolf und dessen Frau Hedwig Höß. Ein mit zwei Oscars ausgezeichneter Film über die Banalität des Bösen, seit 29. Februar im Kino.
In Cannes, bei den Europäischen Filmpreisen und den Golden Globes stand der in Polen gedrehte Holocaust-Film "The Zone of Interest" des Briten Glazer bei den Auszeichnungen quasi "im Schatten" des Justiz-Dramas "Anatomie eines Falls". In beiden spielt Hüller die Hauptrolle: In Cannes erhielt "Anatomie" von Regisseurin Justine Triet die Goldene Palme, "The Zone of Interest" den Großen Preis der Jury.
Bei den Oscars waren beide nun ebenbürtig: in je fünf Kategorien nominiert, vor allem in der Königsklasse bester Film. "The Zone of Interest" hat die Oscars in den Kategorien bester internationaler Film und bester Sound erhalten, "Anatomie eines Falls" den für das beste Original-Drehbuch.
Worum geht es bei "The Zone of Interest" - einer in Großbritannien für neun British Film Awards nominierten Produktion?
"The Zone of Interest": inspiriert von einem Roman von Martin Amis
Der Film ist inspiriert vom gleichnamigen Roman von Martin Amis; dem englischen Schriftsteller, den die "New York Times" als "Meister der Neuen Widerwärtigkeit" bezeichnet. Glazer beleuchtet die Schrecken des Holocaust aus der Perspektive von Rudolf und Hedwig Höß, dem Kommandanten von Auschwitz und seiner Familie, die in ihrem "Bilderbuchheim" Mauer an Mauer mit dem Vernichtungslager ein äußerst privilegiertes Leben führen. So nennt Rudolf Höß (Christian Friedel, bekannt etwa aus "Das weiße Band" und "Elser") seine Frau die "Königin von Auschwitz".
Während der Roman jedoch auch auf das Grauen im Lager eingeht, zeigt der Film den Alltag im Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich aus der Perspektive der Familie Höß. Wie Hedwig den Rosengarten pflegt, Besuch von ihrer Mutter erhält, die Kinder großzieht, für die Gäste ihres Mannes sorgt.
Den Horror, das unvorstellbare Grauen bildet Glazer immer wieder ab über die donnernde, zischende, brachiale Tonspur (die Musik stammt von Mica Levi); über die Rauchschwaden; über Details, womit die Kinder spielen, was Höß beim Zubettgehen dem Nachwuchs vorliest, was Hedwig aus Pelzmänteln noch im versteckten Saum findet, was Rudolf beim Angeln im fließenden Wasser herausfischt.
Martin Amis erlebte die Weltpremiere der Verfilmung übrigens nicht mehr - er verstarb am 19. Mai 2023 während der Filmfestpiele Cannes in Florida.
Jonathan Glazer: Kinofilm- und Video-Clip-Regisseur
Der 58-jährige britische Drehbuchautor und Regisseur Glazer ist bekannt dafür, wenige und außergewöhnliche Filme mit Mystery-Touch zu drehen. Von ihm stammen etwa "Sexy Beast" (2000) mit Ben Kingsley, "Birth" mit Nicole Kidman (2004), der Science-Fiction-Horrorfilm "Under the Skin" mit Scarlett Johansson. In den 1990er-Jahren war er, etwa neben Anton Corbijn, einer der prägenden Music-Videoclip-Regisseure und arbeitet für Massive Attack, Radiohead, Blur und Nick Cave.
"'The Zone of interest' ist keine Geschichte, wie man es bei einem 'normaler Film' erwarten würde. Es geht um einen liebenswürdigen Mann, mit einer normalen Familie, er macht seinen Job gut. Sie leben auf dem Land, haben ein schönes Landhaus und einen wunderbaren Garten. Er ist eben auch der KZ-Kommandant von Ausschwitz", sagt Regisseur Glazer. "Seine Gartenmauer war dieselbe Mauer, die auf der anderen Seite ans Todeslager angrenzte. Wir haben in unserer Recherche diese Fotos der Familie Höß im Garten gefunden. Darauf sieht man alles: die Rutsche, die Mauer, aber nie das Lager. Es gibt viele Filme über Verbrecher in der Filmgeschichte. Nicht bei uns. Ich wollte daher die Kunst des Cineastischen beiseite schieben und die Familie sozusagen 'klinischer' untersuchen."
Daher installierte Glazer mit seinem Kamerateam das Haus, in dem gedreht wurde, mit zahlreichen Kameras. Viele davon waren versteckt, so dass das Ensemble zum Teil nicht wusste, ob gerade gedreht wurde, oder nicht. Es wurde kein künstliches Licht verwendet. Die einzelnen Szenen wurden lang gedreht, die Crew war aber nicht zu sehen. So waren die Schauspieler immer unter sich. "Ich wollte nicht Massenmörder darstellen, so dass man sich als Publikum davon distanzieren kann und sagen, 'so bin ich nicht'", sagt der Brite Glazer im englischsprachigen Trailer des Filmes. Er wollte Menschen darstellen, die als Liebespaar begonnen hatten und von Dingen träumten, die auch heute für jeden normal wären.
Der Film startet bundesweit seit 29. Februar im Kino. Die Oscar-Gala lief in Los Angeles in der Nacht vom 10. auf den 11. März und wurde erneut moderiert von Jimmy Kimmel. "The Zone of Interest" war nominiert in den Kategorien: Bester Ton, bester internationaler Film, beste Regie und bestes adaptiertes Drehbuch.