FC St. Pauli: Der Aufsteiger will Bundesligist werden
Aufstiegstrainer weg, Topscorer weg - nicht gerade optimal für Neuling FC St. Pauli, um in der Fußball-Bundesliga bestehen zu können. Gleichwohl gibt es Aspekte, die vor dem Pflichtspielstart am Freitag im Pokal zuversichtlich stimmen. Die Kiezkicker im Teamcheck.
Zum sechsten Mal nach 1976, 1988, 1995, 2001 und 2010 ist den Hamburgern der Aufstieg gelungen, lediglich zweimal blieben sie länger als eine Saison oben. Mit dem neuen Trainer Alexander Blessin soll die besondere Saison - erstmals in der Historie spielt man eine Liga höher als der Stadtrivale HSV - nun erneut mit dem Klassenerhalt gekrönt werden. Kein leichtes Unterfangen für den Nachfolger des nach England abgewanderten Fabian Hürzeler, der eine beeindruckende Bilanz von lediglich acht Pflichtspiel-Niederlagen in 55 Partien vorweist.
Gleichwohl setzt man am Millerntor große Hoffnungen in Blessin, der nach seinen Stationen in Belgien (Pokalsieger und Vizemeister mit Saint-Gilloise) und Italien (CFC Genua) auch internationale Erfahrung besitzt: "Wir sind Aufsteiger, jetzt wollen wir ein Bundesligist werden", sagte Sportchef Andreas Bornemann - eine leichte Steigerung gegenüber den Vorjahren, in denen es stets hieß, man wolle zu den "Top 25 in Deutschland" gehören.
So lief die vergangene Saison
Die Hamburger ließen dem 2:1-Auftaktsieg in Kaiserslautern vier Remis in Serie folgen (darunter dreimal ein 0:0). Ein erstes Statement setzten die Braun-Weißen dann mit dem 5:1 gegen Holstein Kiel. Hinter dem späteren Mitaufsteiger aus Schleswig-Holstein beendete St. Pauli die Hinrunde ungeschlagen auf Rang zwei. Erst am 21. Spieltag, beim 0:1 in Magdeburg, gingen die Kiezkicker erstmals als Verlierer vom Platz.
Doch das warf die Hürzeler-Elf nicht aus der Bahn. Zwar vergab sie am 31. Spieltag im Stadtderby beim HSV (0:1) den ersten "Matchball" zum Aufstieg. Der wurde aber eine Woche später beim 3:1-Heimerfolg gegen den VfL Osnabrück perfekt gemacht, das i-Tüpfelchen war dann die Zweitliga-Meisterschaft wenige Tage später durch das 2:1 beim SV Wehen Wiesbaden.
Wer kam, wer ging?
Neben dem Abschied von Aufstiegstrainer Hürzeler dürfte vor allem der Verlust von Top-Scorer Hartel (St. Louis/USA) schmerzhaft sein. Ansonsten blieb die Stammelf erhalten. In Etienne Amenyido (19 Einwechslungen) und Eric da Silva Moreira (ein Jokereinsatz) verließen lediglich zwei Ersatzspieler den Club, zudem ging die Ausleihe von Aljoscha Kemlein, der im Winter für die damals wegen des Asien-Cups fehlenden Jackson Irvine und Connor Metcalfe verpflichtet worden war, zu Ende. Er kehrte zu seinem Stammverein und Ligakonkurrent Union Berlin zurück.
Einen 1:1-Ersatz für Hartel haben die Kiezkicker nicht geholt. Sie versuchen seinen Abgang im Kollektiv zu kompensieren. Für das zentrale Mittelfeld liehen sie Robert Wagner vom SC Freiburg aus. In der Offensive sollen Morgan Guilavogui (ausgeliehen vom RC Lens) und Scott Banks wirbeln. Der Schotte wurde nach vorheriger Ausleihe nun von Crystal Palace fest verpflichtet und kann nach seiner fast achtmonatigen Verletzungspause (Kreuzbandriss) praktisch als Neuzugang gewertet werden. Zudem sind Rechtsverteidiger Fin Stevens (FC Brentford) als Back-up für Manolis Saliakas und Torhüter Ben Voll (Viktoria Köln) neu im Team.
Ziele in der neuen Saison
Klassenerhalt, Ligaverbleib, Nicht-Abstieg - egal, wie man es nennen will: Ambitionen, die über Rang 15 hinausgehen, wird niemand am Millerntor formulieren. Zwangsläufig muss der FC St. Pauli eine Liga höher mehr sportliche Probleme und Rückschläge verkraften, als er es zuletzt gewohnt war. Das 3-4-3 mit viel Ballbesitz wird nicht das probate Mittel sein, um in der Bundesliga bestehen zu können.
Vielmehr kommt es noch mehr auf die Defensive an, zugleich auf schnelles Umschalten bei Balleroberungen. Immerhin stellte Stürmer Johannes Eggestein nach dem 3:0 am vergangenen Freitag gegen Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo fest: "Im hohen Pressing vorne haben wir uns deutlich verbessert."
Das sagt der Trainer
Der neue Trainer Blessin scheint eine klare Vorstellung davon zu haben, was er gegenüber dem System unter Vorgänger Hürzeler verändern muss: "Ich bin nicht Fabian 2.0", erklärte der 51-Jährige bereits bei seiner Vorstellung in Hamburg. Entsprechend impfte er in der Vorbereitung seiner Mannschaft seine Vision von einem 3-5-2 im Wechsel mit einem 5-3-2 ohne permanenten Ballbesitz ein. Die Partie gegen Bergamo stimmte ihn zuversichtlich: "Wir konnten als Team sehen, was wir für ein Potenzial haben und was möglich ist."
Blessin weiß aber auch, dass der unerwartet klare Sieg durch "einen guten Torhüter und ein bisschen Glück" zustande kam. Beides Dinge, die auch in der Bundesliga zuweilen vonnöten sein dürften: "Wir werden nie ständige Kontrolle haben. Diese Phasen, in denen wir mal durchatmen müssen, in denen dürfen wir wenig Fehler machen und wenig gegnerische Chancen zulassen. Dann haben wir auch die Qualität, ein paar Reize zu setzen", sagte der Coach.
Beim Debüt in Halle "ganze Mannschaft einbeziehen"
Das Erstrundenspiel im DFB-Pokal am Freitag (18 Uhr, im NDR Livecenter) beim Halleschen FC ist das erste Pflichtspiel Blessins als St.-Pauli-Coach. Am Mittwoch kündigte er an, gegen den Regionalligisten auf viele Wechsel zu setzen: "Ich will die ganze Mannschaft einbeziehen", das habe sich gegen Bergamo bewährt.
"Die Jungs haben gezeigt, dass sie reinwollen und das Potenzial für die Startelf haben. Das ist genau das, was wir brauchen: Spieler, die in jeglicher Hinsicht bereit sind, egal wann, zu performen." Lediglich im Tor will Blessin nicht rotieren lassen: Nikola Vasilj geht als Nummer eins in die Saison und bekommt auch im Pokal den Vorzug vor Ersatzmann Ben Voll. "Da er verletzt war, braucht er natürlich Matchpraxis."