Soja statt Gras: Wie Futtermittel den Klimawandel beeinflussen
Kühe fressen Gras - das lernt jedes Kind. Doch die Realität in der Massentierhaltung sieht anders aus. Futtermittel kommen von weit her und schaden Umwelt und Klima.
Das Ziel in der konventionellen Landwirtschaft ist eine schnelle und effiziente Fleisch- und Milchproduktion. Dies gelingt nur mit besonders proteinreichem Futter. Statt Gras auf der Wiese zu fressen, stehen Kühe deshalb im Stall und bekommen Sojaschrot, denn die Sojabohne enthält besonders viele Proteine und sorgt für ein schnelles Wachstum und große Milchmengen. Soja wächst zwar auch auf deutschen Äckern, wird aber überwiegend aus dem Ausland importiert, insbesondere aus Südamerika.
Kraftfutter aus Soja: Folgen für Boden und Klima
In Deutschland gehen jährlich 4,5 Millionen Tonnen Soja in den Futtertrog von Rindern, Schweinen und Geflügel. Im Stall wird aus Sojafutter zwangsläufig Gülle, die als Dünger auf die Felder gebracht wird. So produziert eine Kuh zum Beispiel rund 20 Kubikmeter Gülle pro Jahr, 20 große Müllcontainer voll. Bei circa zwölf Millionen Rindern in Deutschland kommt so einiges zusammen.
Soja enthält, anders als Gras, deutlich mehr Eiweiß, was wiederum zu besonders stickstoffreicher Gülle führt. Während die südamerikanischen Böden, die diese energiereichen Pflanzen hervorgebracht haben, schnell ausgelaugt sind, werden die Äcker in Deutschland massiv überdüngt. Dabei entsteht Lachgas (N2O), das 300 Mal schädlicher ist als CO2. Konsequenterweise müsste die Gülle zurück nach Südamerika verschifft werden, um dort als Dünger zu dienen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, sind die Folgen für die Bodenqualität - hier und in Südamerika -, sowie für das Grundwasser und das Klima gravierend.
Getreide landet im Futtertrog statt auf dem Teller
Nicht nur Soja wird als Futtermittel verwendet. "Über die Hälfte der Weltgetreideernte geht in den Tiertrog", so Dr. Anita Idel, Tierärztin und Lead-Autorin des Weltagrarberichts. Millionen Menschen, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, sind jedoch auf Getreide als Hauptnahrungsmittel angewiesen. Durch Klimawandel und Corona-Pandemie stieg in den letzten Jahren die Zahl der Hungernden. Der im Mai 2022 erschienene "Jahresbericht zu Ernährungskrisen" des World Food Programmes (WFP) zeigt auf, dass 2021 "rund 193 Millionen Menschen in 53 Ländern oder Gebieten von akutem Hunger auf Krisenniveau oder schlimmer" betroffen waren. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Getreideknappheit verschärfen die Situation nun dramatisch.
Mehr Ackerflächen für Lebensmittel
Angesichts dessen erscheint es fast zynisch, auf landwirtschaftlichen Flächen Futteranbau für Nutztiere zu betreiben und Getreide zur Milch- und Fleischproduktion zu verwenden. Immerhin braucht es im Schnitt rund drei Kilogramm Getreide, um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren.
In der gegenwärtigen Krise lässt sich allerdings nicht kurzfristig umsteuern, denn das angebaute Tierfutter ist nicht eins zu eins für den Menschen nutzbar. Für Lebensmittel werden Roggen, Weizen und Dinkel statt Gerste und Futtermais benötigt. Außerdem müssen natürlich auch die vorhandenen Tiere weiterversorgt werden. Es braucht vielmehr einen langfristigen Umbau, weg von der massenhaften Fleischproduktion und den großen Mengen Futtermittel, die dafür notwendig sind.
Ziel sollte eine sinnvolle Verwendung der verfügbaren Ackerflächen für eine steigende Weltbevölkerung sein. "Es ist immer effizienter, das, was man anbaut, direkt zu essen, statt es als Tierfutter zu verwenden", verdeutlicht Dr. Marco Springmann, Senior Researcher an der Oxford University zu Population Health. Solange Getreide nur auf Umwegen auf dem Teller landet - nämlich über Fleisch- und Milchprodukte - profitieren davon nur einige Wenige, insbesondere Menschen in den Industrienationen.
Weniger Fleisch: Gut für Mensch und Umwelt
Ein reduzierter Fleischkonsum kann nicht nur helfen, den Hunger weltweit zu reduzieren. Er tut auch dem Klima und der eigenen Gesundheit gut. Aktuell essen die Deutschen täglich rotes Fleisch, acht Mal so viel wie es nachhaltig und gesund wäre, so Springmann. Er zeigt auf, dass schon eine flexitarische Ernährung, also überwiegend pflanzenbasiert mit wenig Fleisch, 50 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgase einsparen würde. Würde man sich global sogar komplett vegetarisch oder vegan ernähren, sei eine Einsparung um bis zu 80 Prozent möglich.
Tipps für Verbraucher
Wer nur ein Mal pro Woche rotes Fleisch isst, trägt bereits zum Klimaschutz bei. Eine möglichst pflanzenbasierte Ernährung reduziert zudem das Risiko an Herz-Kreislauf-Störungen, Krebs und Diabetes zu erkranken. Doch nicht nur "weniger" hilft, sondern auch "besser". Tierische Produkte in Bioqualität oder aus Weidehaltung sind umweltschonender, weil die Tiere nicht in der Hauptsache mit Sojaschrot, sondern mit Grünfutter ernährt werden - das ist gut für Tier, Klima und Mensch.