Stand: 12.08.2020 15:07 Uhr

Wie Nitrat das Grundwasser belastet

von Alexa Höber
Ein Traktor düngt ein Feld mit Gülle © colourbox Foto: Alfred Hofer
Landwirte bringen mehr Stickstoff aus, als das Gesetz erlaubt.

Intensive Landwirtschaft beeinträchtigt in vielen Regionen die natürlichen Wasserreserven: Vielerorts ist das Grundwasser bereits durch Überdüngung und die Stickstoff-Verbindung Nitrat belastet. Stickstoff ist Bestandteil von Kot, Urin aus Ställen und Gärresten aus Biogasanlagen. Pflanzen brauchen Stickstoff für ihr Wachstum, daher werden die Felder damit gedüngt. Die meisten Pflanzen nehmen Stickstoff als Nitrat auf, das ist die Verbindung von Stickstoff und Sauerstoff. Was über den Bedarf der Pflanze hinaus gedüngt wird, wandert durch den Boden nach unten und landet im Grundwasser oder wird zu Lachgas umgewandelt, das rund 300 Mal schädlicher ist als CO2 und damit zur Klimaerwärmung beiträgt. Für Trinkwasser liegt der Nitrat-Grenzwert bei 50 Milligramm pro Liter Wasser. Denn im menschlichen Körper kann der Stoff in krebserregendes Nitrit umgewandelt werden.

Landwirte bringen mehr Stickstoff aus als erlaubt

Das Gesetz sieht vor, dass pro Hektar nicht mehr als 170 Kilogramm Stickstoff ausgebracht werden. Laut dem Nährstoffbericht Niedersachsen überschreiten einige Landkreise aber diese Obergrenze - mit Folgen für das Grundwasser. So wurden im Düngejahr 2017/2018 in dem Bundesland rund 330.000 Tonnen Stickstoff ausgebracht - 31.000 Tonnen mehr, als nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer für die Düngung notwendig gewesen wären. Nach Berechnungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums wurden in den Jahren 2015 bis 2017 jährlich im Mittel 35 Prozent mehr Stickstoff ausgebracht, als die Pflanzen aufnehmen konnten.

Nitrat-Richtlinie der EU soll Wasserqualität schützen

Innerhalb der EU soll die Nitrat-Richtlinie die Wasserqualität in Europa schützen. Nicht nur das Grundwasser soll vor Nitrat-Verunreinigungen aus landwirtschaftlichen Quellen bewahrt werden, sondern auch das Oberflächenwasser wie Flüsse und Seen. Um Meeresschutzziele zu erreichen, sollen Flüsse, die ins Meer münden, am Übergabepunkt zur Nordsee nicht mehr als 2,8 Milligramm pro Liter Gesamt-Stickstoff enthalten. Münden Flüsse in die Ostsee, sollen es nicht mehr als 2,6 Milligramm pro Liter Gesamt-Stickstoff sein. Zahlreiche Flüsse überschreiten diese Werte. Damit wird über die Oberflächengewässer zu viel Nitrat in Nord- und Ostsee eingetragen - und damit werden die Meeresschutzziele verfehlt.

Die EU hat Deutschland wegen der zu hohen Nitrateinträge in Grund- und Oberflächenwasser verklagt. Es drohte eine Strafzahlung von 880.000 Euro täglich, die der Steuerzahler hätte zahlen müssen. Die Strafzahlungen sind zunächst abgewendet. Jetzt muss die Düngeverordnung aber in den Bundesländern flächendeckend angewendet werden und die Nitratwerte müssen in den nächsten Jahren spürbar sinken.

Spätdüngung führt zu besonders hohen Nitrateinträgen

Weizenähren, -körner und Mehl auf einem Holztisch. © fotolia Foto: Christian Jung
Mit einer späten Düngung von Weizen erreichen Landwirte einen hohen Proteingehalt im Weizenkorn - und damit höhere Erträge.

Mit einer späten Düngung von Weizen erreichen Landwirte einen hohen Proteingehalt im Weizenkorn. Für sie ist das wichtig, da sie mehr Geld pro Tonne Weizen erhalten, wenn der Proteingehalt hoch ist. Bei der Spätdüngung nimmt die Pflanze den Stickstoff aus dem Dünger aber häufig nicht vollständig auf. Was die Pflanze nicht verwertet, landet als Nitrat im Grundwasser.

Einige Landwirte und auch der Weizen-Handel sind der Ansicht, dass ein hoher Proteingehalt im Weizen wichtig ist, da nur so Mehl daraus entstehe, mit dem sich gutes Brot backen lasse. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber, dass der Proteingehalt für die Mehlqualität nicht so entscheidend ist wie bisher angenommen. Das zeigen Projekte wie "Klimaweizen" in Niedersachsen oder die bayerische Initiative "Wasserschutzbrot".

"Legalisierte Wasserverschmutzung"

Im Anhang der Düngeverordnung 2017 wurde der Stickstoff-Bedarf einiger Pflanzen entgegen fachlicher Empfehlungen - also quasi nur auf dem Papier - nach oben gesetzt. Das hatte zur Folge, dass Landwirte weiterhin mehr Dünger ausbringen durften als die Pflanzen tatsächlich benötigen.

Laut Prof. Friedhelm Taube, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundeslandwirtschaftministerium, war diese Heraufsetzung der Bedarfswerte die Folge des Einflusses von Lobby-Verbänden in Berlin. Es sei um die Durchsetzung bestimmter Interessen jenseits wissenschaftlicher Evidenz gegangen. Die Düngeverordnung 2017 sei damit in Teilaspekten nichts anderes als legalisierte Gewässerverschmutzung gewesen.

Nitrat-Belastung der Hausbrunnen

Die jahrelange Überdüngung zeigt sich zum Beispiel in der Region Vechta auch in den privat genutzten Hausbrunnen. Der NDR hat das Wasser eines Hausbrunnens untersucht, das für einen Swimmingpool im Garten verwendet wird. Es enthielt 186 Milligramm Nitrat und 0,0003 Milligramm Nitrit pro Liter. Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt sagte dem NDR, dass Hausbrunnen-Wasser grundsätzlich nur genutzt werden sollte, wenn die chemische und mikrobiologische Qualität bekannt und gut sei. Hausbrunnen förderten meist aus geringer Tiefe und seien daher nicht gut gegen Einträge von Schadstoffen aus dem Umfeld zum Beispiel aus der Landwirtschaft geschützt. Im privaten häuslichen Bereich gebe es für die Qualität des Wassers weder Vorschriften noch eine Überwachung durch Behörden.


12.08.2020 14:53 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, die Landwirte in Niedersachsen hätten laut dem jüngsten Nährstoffbericht 50.000 Tonnen Stickstoff mehr ausgebracht als von der Landwirtschaftskammer empfohlen. Es waren aber 31.000 Tonnen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

 

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Die Tricks | 10.08.2020 | 21:00 Uhr

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