Mikroplastik: Übers Abwasser in die Umwelt
Durch Kosmetikprodukte, Reifenabrieb und Kleidung gelangt Mikroplastik in die Umwelt und über das Abwasser in die Klärwerke. Nach den Reinigungsprozessen befinden sich die kleinen Partikel überwiegend im aus dem Wasser herausgefilterten Klärschlamm. Je nach Anlage können es zwischen 1.000 und mehr als 24.000 Kunststoff-Teilchen pro Kilogramm Klärschlamm (Trockenmasse) sein. Das ergab eine Studie im Auftrag des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV) und des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).
Plastikpartikel gelangen in Flüsse
Die Studie des OOWV und des NLWKN zeigte 2014, dass je nach Anlagengröße pro Jahr zwischen 93 Millionen und 8,2 Milliarden Partikel aus Kläranlagen in die Vorfluter und damit in die Flüsse gelangen. Für seine Bachelorarbeit untersuchte der Student Henrik Siegel, wie viele Kunststoff-Fasern trotz der Reinigungs- und Filterprozesse das Zentrale Klärwerk in Lübeck verlassen. Das Ergebnis: 85 Prozent der Kunststoff-Fasern konnten zurückgehalten werden, 15 Prozent der Fasern allerdings gelangten über den Klärwerksauslauf in den angrenzenden Fluss, die Trave.
Laut dem Bundesamt für Materialforschung gibt es bisher keine umfassenden Studien, die auf Basis von Messdaten die Stoffströme von Mikroplastik erfassen und relevante Eintragspfade bewerten können. Hintergrund sei, dass es bislang keine geeigneten, schnellen Messverfahren gebe, um Mikroplastik messen zu können.
Flüssiges Plastik in vielen Kosmetika
Neben den festen Kunststoff-Partikeln gelangt auch flüssiges Plastik über Kosmetikprodukte in Klärwerke. Hersteller verwenden wasserlösliche Kunststoffe etwa in Duschgels, Haarkuren, Schaumbädern und Sonnencremes.
Kunden können anhand der Inhaltstoffe, die auf der Verpackung angegeben sind, nur schwer erkennen, ob flüssiges Plastik enthalten ist. So versteckt sich flüssiges Plastik zum Beispiel hinter folgenden Bezeichnungen:
- Acrylates Crosspolymer
- Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer
- VP/VA.
Fraunhofer Institut sieht Handlungsbedarf
Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahr 2018 sind die konkreten öko- und humantoxikologischen Gefahren, die mit Kunststoffen in der Umwelt zusammenhängen, bisher nur wenig bekannt und Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten. Die bereits erkannten Schadwirkungen rechtfertigten allerdings die Anwendung des Vorsorgeprinzips. Auch im Sinne des vorbeugenden Umweltschutzes bestehe Handlungsbedarf.
Einsatz aus Sicht der Hersteller nicht problematisch
Im Haarprodukt "Drei Wetter Taft Power Invisible Gel" ist der flüssige Kunststoff VP/VA enthalten. VP/VA sei ein wasserlösliches Polymer, schreibt der Hersteller Henkel. Der Inhaltsstoff biete sehr guten Frisurenhalt und sei damit ein entscheidender Wirkstoff für die vom Konsumenten erwartete Produktleistung.
Der Hersteller L'Oréal antwortet auf Anfrage, alle Produkte seien bei bestimmungsgemäßem Gebrauch umweltverträglich und würden den Zielen des Gewässerschutzes entsprechen. Die Verwendung des flüssigen Kunststoffs Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer in der "Elvital Anti-Haarbruch Tiefen Aufbaukur" stehe völlig im Einklang mit den hohen Anforderungen an die Umweltverträglichkeit innerhalb eines strengen gesetzlichen Rahmens.
Der Hersteller Unilever verwendet in dem Badezusatz "Dove - Pflegendes Cremebad - Mandelmilch und Hibiskusduft" und dem Duschgeld "Axe - Anti-Hangover" den Inhaltsstoff Acrylates Crosspolymer. Anders als feste Kunststoffpartikel trügen flüssige Kunststoffe nicht zu einer Verschmutzung der Meere bei, führt der Hersteller an. Sie würden in Kläranlagen überwiegend herausgefiltert.
Vom Klärwerk direkt aufs Feld
Laut Enno Thyen, dem technischen Leiter des Klärwerks in Lübeck, steht noch gar nicht fest, wie viel Prozent des flüssigen Plastiks im Klärschlamm zurückgehalten wird. Es sei aber anzunehmen, dass es der überwiegende Teil sei.
Allerdings wird Klärschlamm in Norddeutschland auf Feldern ausgebracht. Im Jahr 2018 waren es in Mecklenburg-Vorpommern 26.181 Tonnen, in Schleswig-Holstein 43.135 Tonnen und in Niedersachsen 58.493 Tonnen. Die im Klärschlamm verbliebenen Schadstoffe landen damit doch wieder in der Umwelt und im Wasser.