Mehrwegpflicht für Speisen und Getränke "to go": Ziel verfehlt?
Um Verpackungsmüll zu reduzieren, gilt seit über einem Jahr die Mehrwegpflicht. Anbieter von "To go"-Speisen müssen seither Pfandgeschirr anbieten. Doch bislang ist das neue Gesetz kein Erfolg.
Laut Verbraucherzentrale Berlin produzieren die Deutschen jeden Tag 770 Tonnen Verpackungsmüll durch die Mitnahme von Speisen und Getränken. Daran konnte auch die seit Januar 2023 geltende Mehrwegpflicht für Produkte zum Mitnehmen bislang nichts ändern. Eine vom Umweltbundesamt beauftragte Studie ergab, dass allein Einwegprodukte aus Kunststoff - etwa To-Go-Becher, Lebensmittelverpackungen und Tragetaschen - die Kommunen für Sammlung und Reinigung jährlich rund 434 Millionen Euro kosten. Laut dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sind Pizzakartons und Alu-Schalen dabei noch nicht mitgerechnet. Diese Behältnisse sind vom neuen Verpackungsgesetz, das seit Januar 2023 gilt, ausgenommen.
Angebot von Mehrweg-Systemen seit 2023 Pflicht
Das neue Gesetz besagt: Wenn ein Gastronomiebetrieb Einwegverpackungen mit Kunststoffanteilen anbietet, muss er gleichzeitig auch eine Mehrweg-Option für die Kunden bereithalten. Diese darf nicht teurer sein, ein Pfand darf aber erhoben werden. Ausnahmen gelten für Betriebe mit weniger als fünf Beschäftigten und einer Ladenfläche von weniger als 80 Quadratmetern. Sie sind allerdings verpflichtet, mitgebrachte Mehrwegbehältnisse zu befüllen. Ziel des Gesetzes ist, insbesondere Einwegverpackungen aus Kunststoff zu ersetzen.
Umsetzung der Mehrwegpflicht bisher mangelhaft
Auch über ein Jahr nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes beklagen Umwelt- und Verbraucherschützer noch immer eine mangelnde Umsetzung und fehlende Kontrollen. Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, bezeichnete das Gesetz zur Mehrwegpflicht gegenüber der Deutschen Presseagentur Ende 2023 als "Rohrkrepierer".
Bei Testbesuchen hätten Gastronomieunternehmen von Mehrweg-Quoten im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich berichtet. Gemessen an den ursprünglichen Zielen seien das "desolate Ergebnisse". Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Verbraucherzentrale Berlin, die von Januar bis Februar 2024 stichprobenartig insgesamt 60 Betriebe besucht hat. Lediglich neun der 60 Betriebe boten eine Mehrwegalternative an.
Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF lag der Mehrweganteil in der Gastronomie bundesweit im vergangenen Jahr bei 1,6 Prozent. Damit habe sich die Quote im Vergleich zu 2022 zwar immerhin verdoppelt, trotzdem habe die gesetzliche Mehrwegangebotspflicht ihr Ziel bislang klar verfehlt.
Betriebe müssen Gäste auf Wahlmöglichkeit hinweisen
Betriebe sind verpflichtet, Gäste auf die Möglichkeit hinzuweisen, Waren auch in Mehrwegverpackungen zu erhalten, etwa durch Aushänge in der Verkaufsstelle oder auf Flyern bei Lieferdiensten. Während Mehrwegsysteme für Getränkebecher laut Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe insbesondere in Tankstellen bereits gut funktionieren, steht die Verwendung wiederverwendbarer Essensboxen allerdings noch am Anfang.
Pool-Lösung: Abgabe auch an anderen Standorten
Die Mehrweglösung kann sehr unterschiedlich aussehen. Die jeweiligen Betreiber sind zunächst einmal nur verpflichtet, die von ihnen selbst ausgegebenen Mehrwegverpackungen zurückzunehmen. Es gibt aber auch Betreiber, die mit Anbietern von Mehrwegsystemen in einem Pool zusammenarbeiten. Diese einheitlichen Systeme machen es beispielsweise möglich, einen Kaffee im Mehrwegbecher am Hamburger Hauptbahnhof zu kaufen und in einem Berliner Café zurückzugeben.
So funktionieren Mehrwegsysteme mit Pool
Mehrwegysteme, bei denen Becher und Teller aus einem Pool kommen, funktionieren so: Die Kundinnen und Kunden erhalten gegen einen Pfandbetrag ihr bestelltes Essen oder Getränk in einer Mehrwegschale oder einem Mehrwegbecher. Abgegeben werden kann das Geschirr nicht nur in dem Restaurant, in dem es gekauft wurde, sondern deutschlandweit bei allen teilnehmenden Restaurants und Imbissen. Auch einige Bio-Supermärkte bieten solche Mehrwegbehälter an. Die Gastronomen reinigen die Mehrwegbehälter wie ihr normales Geschirr in der Spülmaschine und führen sie wieder dem Pfandkreislauf zu. Das Pfand für einen Teller oder eine Schüssel liegt meist bei etwa fünf Euro, das für einen Becher bei ein bis zwei Euro.
Einige Ketten haben eigene Mehrwegsysteme
Einige Ketten haben ihr eigenes Mehrwegsystem mit Verpackungen gegen Pfand. Die Schnellrestaurantkette McDonald's beispielsweise bietet ihr eigenes Mehrwegsystem mit Verpackungen für je zwei Euro Pfand an. Burger King hingegen arbeitet mit einem Anbieter von Mehrwegsystemen im Pool zusammen. Kunden können Mehrweggeschirr, das sie bei der Burgerkette erworben haben, auch an anderen Ausgabestellen in ganz Deutschland zurückgeben.
Kostenlose Ausleihe per App
Andere Betriebe benutzen appbasierte Systeme wie zum Beispiel Vytal oder Relevo. Dabei können Kundinnen und Kunden sich per App anzeigen lassen, welche Gastronomen an dem Mehrwegsystem teilnehmen. Bei der Bestellung im Restaurant oder im Imbiss leihen die Nutzerinnen und Nutzer das Mehrweggeschirr dann per QR-Code kostenlos aus und haben anschließend zwei Wochen Zeit, es bei den teilnehmenden Gastronomen abzugeben. Wer es nicht schafft, das Geschirr innerhalb dieser Frist zurückzubringen, kauft es automatisch. So werden etwa für eine Schale zehn Euro fällig. Bei einigen Apps kann man die Leihfrist aber auch für wenig Geld verlängern.