Boomerang-Gründer Marc Engelmann, Katharina Kreutzer und Christian Putz (von links) mit den Mehrweg-Versandtaschen. © NDR/Astrid Kühn Foto: Astrid Kühn

Statt Karton und Tüte: Mehrweg-Versandtaschen für den Onlinehandel

Stand: 15.06.2023 06:56 Uhr

Die Paketmengen in Deutschland sind gigantisch: 2022 gingen mehr als vier Milliarden Sendungen raus - damit entstand auch ein riesiger Müllberg. Eine Lösung könnten Mehrwegverpackungen statt Einmalplastik und Pappkartons sein, doch an der Umsetzung sind schon einige Unternehmen gescheitert. Ein Hamburger Start-up wagt es von Neuem.

von Astrid Kühn und Merle von Kuczkowski

Das Start-up Boomerang hat seinen Sitz in Hamburg-Rothenburgsort. Ein Team aus 19 Personen arbeitet hier daran, mit faltbaren Taschen aus recyceltem Plastik die Kartonflut des Versandhandels zu stoppen. Derzeit laufen erste Pilottests mit kleineren Online-Shops.

Die Mehrweg-Versandtaschen des Hamburger Start-ups Boomerang. © NDR/Astrid Kühn Foto: Astrid Kühn
Die Mehrweg-Versandtaschen sollen bis zu 50 Mal eingesetzt werden können.

Gründer Marc Engelmann erklärt: "Wir haben die Verpackungen, ein Pfandsystem und machen die Reinigung und Aufbereitung der Taschen. Diese drei Säulen bieten ein ganzes Mehrwegsystem und nicht nur eine Mehrwegverpackung."

Mit dem System versucht Boomerang aus Fehlern zu lernen, die andere Firmen in der Vergangenheit gemacht haben. Die großen Versandhändler Tchibo und Otto etwa testeten vor drei Jahren Mehrweg-Versandtaschen des Anbieters RePack aus Finnland. "Bei den Kunden kam die Idee gut an, doch die Prozesse waren aufwendiger als gedacht", berichtet Till Zimmermann vom Institut Ökopol, das den Test wissenschaftlich begleitet hat. "Bei den großen Onlineshops, wo in ganz großem Maßstab Pakete versendet werden, sind die Prozesse sehr standardisiert. Da fällt es schwer, das System komplett umzustellen", bilanziert er.

EU will Mehrweg zum Gesetz machen

RePack hat sich mittlerweile vom deutschen Markt zurückgezogen, doch Mehrweg bleibt in der Branche ein wichtiges Thema. Laut neuer Verpackungsverordnung der EU sollen bis 2030 zehn Prozent aller Sendungen im Onlinehandel in einem Mehrwegsystem verschickt werden. Das würde hunderte Millionen Pakete betreffen, die Mehrweg-Verpackungen bräuchten. Und die Quote soll stufenweise bis auf 50 Prozent steigen.

Umweltberater Zimmermann blickt optimistisch auf die Umstellung: "Dass es passiert, bin ich mir relativ sicher. Die spannende Frage ist, wie schnell es geht. Sprechen wir über die nächsten fünf, oder dauert es noch zehn Jahre?"

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Auf einer Theke liegen Gerichte in einer Mehrwegverpackung. © picture alliance/dpa | Harald Tittel Foto: Harald Tittel

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Tchibo hat jüngst einen neuen Test mit Mehrweg-Versandtaschen gestartet, dieses Mal mit höherer Stückzahl und ohne Partner – das Unternehmen hat die Zeit seit dem letzten Test genutzt, um ein eigenes System zu entwickeln. Auch der Otto-Versand tüftelt an verschiedenen Systemen mit nachhaltigen Versandmaterialien. Beim ökologisch ausgerichteten Avocadostore wird auf mehrmals verwendbare Kartons aus Pappe gesetzt.

Größte Hemmnisse für die Händler seien aktuell die Kosten, meint Experte Zimmermann, denn jede Versandtasche muss zurück zum Anbieter und auch dieser Leerversand kostet. Logistikunternehmen wie die Post oder Hermes müssten ihre Geschäftsmodelle anpassen, damit das rentabel bleibe.

Mehrweg muss mindestens 20 Mal genutzt werden

Damit Mehrweg wirklich weniger CO2 verursacht als Einweg, müssen die Verpackungen zudem nicht nur drei oder vier Mal auf Reisen gehen, hat der Forscher berechnet: "Ziel muss es sein, 20 bis 30 Umläufe zu schaffen, um das Potential von Mehrweg wirklich auszunutzen." Das Hamburger Start-up Boomerang gibt an, dass ihre Versandtaschen bis zu 50 Mal wiederverwendbar seien. Vorausgesetzt, dass die Kunden sie auch wirklich zurückschicken. Zudem müssen sie gereinigt und aufbereitet werden; Prozesse, die es teilweise noch zu entwickeln gilt.

Pakete von der Erde bis zum Mond

Auch die Akzeptanz der Kundschaft für das System muss wachsen: Mehrweg-Versandverpackungen würden irgendwann nicht mehr tiptop aussehen, so Gründer Marc Engelmann. "Es muss egal sein, wenn da ein paar Klebereste drauf sind, man dafür aber einen Karton eingespart." Engelmann ist sicher, dass sein Unternehmen die Probleme meistern wird. Das Potential ist zumindest enorm: Allein in Deutschland wurden laut Branchenverband im Jahr 2021 mehr als vier Milliarden Pakete versendet. Boomerang-Gründer Engelmann meint: "Würde man alle Kartons, die aktuell in Deutschland hin- und hergeschickt werden, übereinander stapeln, käme man von der Erde bis zum Mond."

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 15.06.2023 | 08:40 Uhr

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