Ein Frau liegt mit dem Kopf auf der Tischplatte. © inkje / photocase.de Foto: inkje
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AUDIO: Neue Migräne-Medikamente in Aussicht (4 Min)

Neue Migräne-Medikamente machen Hoffnung

Stand: 13.12.2024 11:34 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Viele Patienten verzweifeln an ihren Migräne-Attacken: Oft wirken die eingesetzten Mittel nur kurzzeitig oder können aufgrund anderer Erkrankungen nicht eingesetzt werden. Ein neuer Ansatz macht jetzt Hoffnung.

von Nele Rößler

Migräne ist eine weit verbreitete neurologische Erkrankung, die nicht nur das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Kosten verursacht. Über 100 Milliarden Euro pro Jahr verliert die deutsche Wirtschaft durch Migräne-Patienten.

Wirtschaft und Migräne: Mehr als ein Gesundheitsproblem

In einer Studie, veröffentlicht im "Journal of Headache and Pain", wurden die wirtschaftlichen Folgen von Migräne untersucht. Die Forschenden werteten Gesundheits- und Wirtschaftsdaten aus, um die direkten Kosten für Behandlungen und Medikamente sowie die indirekten Verluste durch reduzierte Arbeitsleistung zu berechnen. Die Ergebnisse zeigen, dass Migräne sowohl das Gesundheitssystem als auch die Wirtschaft stark belastet. Solche Studien machen deutlich, wie wichtig bessere Prävention und Behandlung für Betroffene sind.

Obwohl es aktuell schon wirksame Medikamente und Prophylaxe-Möglichkeiten gibt, stoßen viele Patienten an ihre Grenzen und müssen versuchen, mit ihren quälenden Schmerzen im Alltag zurecht zu kommen. Betroffene erwarten daher schon lange die Freigabe neuer Medikamente: 2025 ist es so weit. Dann sollen neue Präparate auf den deutschen Markt kommen.

Aktuelles Mittel der Wahl: Triptane

Annika Sandre leitet eine Migräne-Selbsthilfegruppe © Annika Sandre
Migräne-Patientin Sandre ist mit bis zu 25 Migräne-Tagen im Monat besonders stark betroffen.

Acht Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Migräne. Eine davon ist Annika Sandre. Sie leitet eine Selbsthilfegruppe in Hamburg. Migränepatienten, sagt sie, teilen ihre Schmerzstärke auf einer Skala von null bis zehn ein: "Wenn ich bei zehn bin, dann können Sie auch mein Haus ausrauben und mein Mann könnte die Scheidung einreichen. Wenn ich dann wieder bei Sinnen bin, würde ich wieder alles zurücknehmen wollen. So schlimm sind die Schmerzen."

Eine Attacke lässt sich in mehrere Phasen aufteilen, Medikamente nimmt man aber gegen die Schmerzphase, sagt Annika Sandre. An manchen Tagen seien die Schmerzen so unaushaltbar, dass sie sich nur noch in ein abgedunkeltes Zimmer legen könne: "Zum Teil muss ich mich übergeben. Das ist besonders schlimm für den Kopf. Dann bin ich im Badezimmer auf dem Kachelboden und kann einfach nicht mehr." Sie nimmt unter anderem sogenannte Triptane ein. Triptane sind, anders als zum Beispiel Aspirin, keine generellen Medikamente gegen Schmerz. Sie wirken ausschließlich gegen Kopfschmerzen, indem sie unter anderem entzündungsfördernde Substanzen im Gehirn blockieren und die Schmerzweiterleitung dämpfen.

Prof. Dr. Arne May, Leiter der Kopfschmerzambulanz am UKE © Prof. Dr. Arne May
Prof. Dr. Arne May, Leiter der Kopfschmerzambulanz am UKE, versucht, jedem Migräne-Patienten eine individuelle Behandlung zu ermöglichen.

Arne May, Facharzt für Neurologie, leitet die Kopfschmerzambulanz am Universitätsklinikum Eppendorf. Bei Triptanen, sagt er, seien erstaunlich wenig Nebenwirkungen zu beobachten: "Manche klagen über ein Engegefühl in der Brust. Man darf es nicht bei Schlaganfall, Herzerkrankungen und Gefäßerkrankungen nehmen, weil Triptane ein bisschen gefäßverengend wirken." Ein weiteres Problem ist, dass sie nach einiger Zeit nicht mehr wirken.

Spritzen von Antikörpern als Prophylaxe

Seit ein paar Jahren gibt es auch Prophylaxemittel, zum Beispiel CGRP-Antikörper. CGRP steht für Calcitonin Gene-Related-Peptide, ein Molekül, dass an der Entstehung von Migräneattacken beteiligt ist. Spritzt man Patienten Antikörper, wirken diese gegen das CGRP und machen es unschädlich. So entstehen die Migräneattacken erst gar nicht. Auch Annika Sandre nahm die Antikörper ein. "Ein paar Zyklen lang hat das wirklich total gut geholfen. Die Attacken-Frequenz und vor allem der Schmerz waren stärker reduziert." Ihre 25 Schmerztage konnte sie so auf 15 Tage senken. Das sei zwar immer noch viel, aber für sie ein "Quantensprung", berichtet Sandre.

Neue Behandlung in Sicht: Gepante

Bald gibt es eine weitere Behandlungsmöglichkeit: die Gepante. Sie sollen verhindern, dass sich überhaupt erst CGRP-Proteine bilden. Der Vorteil: Diese Art der Behandlung soll nicht nur prophylaktisch wirken, sondern auch bei akuten Attacken Schmerzen lindern. Annika Sandre hat große Hoffnungen: "Wenn das bei mir indiziert ist, dann würde ich es gern ausprobieren." Arne May vom Universitätsklinikum Eppendorf rechnet damit, dass entsprechende Arzneimittel ab Februar kommenden Jahres den ersten Patienten verschrieben werden können: "Es ist einfach ein neuer Wirkansatz. Wir haben Menschen, die eher auf den Ansatz mit dem Calcitonin-Gene-Peptid und dessen Hemmung reagieren. Andere reagieren wiederum besser auf die Postaglandin-Syntheseunterdrückung." Er sieht es auch als die Aufgabe der Kopfschmerzambulanz, herausfinden, welche Therapie sich für wen eignet.

Auch für Menschen mit Herzkreislauferkrankungen eine Option

Ein weiterer Vorteil: Gepante kann man auch in der Therapie bei Menschen einsetzen, die herkömmliche Medikamente wie Triptane aufgrund von Herzkreislauferkrankungen nicht einnehmen können. Die Nebenwirkungen der Gepante sind mit Übelkeit und Gesichtsschwellungen aus Sicht von Experten verkraftbar, vor allem im Vergleich mit den Schmerzen einer Migräne-Attacke. Gepante erweitern also den Werkzeugkasten, um Menschen mit Migräne zu helfen. Das ist auch deshalb wichtig, weil Behandlungen besser variiert werden können und andere Medikamente ihre Wirkung dadurch nicht so schnell verlieren.

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