Eine alte Frau spielt Memory. © picture alliance/dpa Foto: Sven Hoppe

Demenz vorbeugen: Ursachen und Risikofaktoren

Stand: 02.05.2022 11:45 Uhr

Demenz ist der fortschreitende Verlust geistiger Fähigkeiten. Es gibt viele Demenzen - Alzheimer ist die bekannteste Form. Demenzen lassen sich verhindern oder zumindest um Jahre verschieben.

Um einer Demenz vorzubeugen, ist es wichtig frühzeitig anzufangen, das Gehirn fit zu halten. Das Gehirn ist sehr empfindlich. Kommen schädliche Prozesse in Gang, wie beispielsweise Alzheimerablagerungen, sterben Nervenzellen ab. Das Gehirn funktioniert dann nicht mehr wie gewohnt und eine Demenz tritt auf: Erinnerung, Orientierung sowie alltägliche Fähigkeiten leiden. Es gibt genetische Risiken - aber auch der Lebensstil spielt eine Rolle. Eine gute geistige Fitness senkt zusätzlich das individuelle Risiko für eine Demenz deutlich. Ein neuer Bluttestverspricht heute außerdem eine frühe Diagnose der Krankheit.

Übergewicht, Bewegungsmangel und Bluthochdruck erhöhen Risiko

Was dem Körper schadet, ist auch schädlich für das Gehirn: Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und Bluthochdruck erhöhen das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Früh im Leben an das eigene Gehirn zu denken ist wichtig, denn Gehirngesundheit entscheidet sich im mittleren Lebensalter. Veränderungen im Gehirn finden 20 Jahre vor dem Ausbruch der Demenz statt.

Forschende haben 12 Faktoren ausfindig gemacht, die vorbeugend wirksam sein können gegen das Vergessen. Die Ergebnisse wurden aus Daten weltweit errechnet. Da sich die Lebensumstände, also die Ausgangslage in den Regionen unterscheiden, sind wohl nicht alle Faktoren in allen Ländern gleich bedeutend. Für Menschen in Deutschland haben insbesondere Tabletten gegen Bluthochdruck und Hörgeräte erstaunlich positive Effekte.

 

Risikofaktoren für eine Demenz

In der sogenannten Livingston Studie kommt die internationale Expertenkommission zur Demenzprävention (International Commission on Dementia Prevention, Intervention ad Care) in der Zeitschrift Lancet zu dem Schluss, dass es neben genetischen und weiteren unbekannten und damit nicht vermeidbaren Ursachen auch etliche veränderbare Risikofaktoren für eine Demenz gibt. Die Vermeidung aller schädigenden Faktoren könnte bis zu 40 Prozent des Risikos senken und dazu beitragen, den kognitiven Abbau zu bremsen.

1. geringe Bildung in jungen Jahren (7 Prozent)
2. unbehandelte Schwerhörigkeit (8 Prozent)
3. Hirnverletzungen (3 Prozent)
4. Bluthochdruck (2 Prozent)
5. Alkoholkonsum (1 Prozent)
6. Adipositas mit BMI über 30 (1 Prozent)
7. Rauchen (5 Prozent)
8. Depression (4 Prozent)
9. Soziale Isolation (4 Prozent)
10. Bewegungsmangel (2 Prozent)
11. Luftverschmutzung (2 Prozent)
12. Diabetes (1 Prozent)

Die Faktoren 2 bis 6 sind wirksam, wenn sie bereits im mittleren Lebensalter berücksichtigt werden. Die Vermeidung der Faktoren 7 bis 12 kann in jedem Lebensalter zur Risikoreduktion beitragen, auch im höherem Lebensalter.
Lesart: z.B. Wer im mittleren Lebensalter eine Schwerhörigkeit vermeidet, also z.B. Hörgeräte trägt, reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung im Durchschnitt um 8 Prozent.

Außerdem lohnt es sich, den Kopf lebenslang vor Stößen und Stürzen zu bewahren. Auch vorerst unbemerkte kleine Schäden können in der Summe das Gehirn belasten. Verzicht auf Kopfbälle und ein Fahrradhelm schützen das empfindliche Gehirn. Dabei geht es immer darum, das Gehirn möglichst wenig  zu belasten und aktiv eine geistige Reserve aufzubauen. Auch Gedächtnistrainig, Stressbewältigung und ausreichend Schlaf haben schützende Wirkungen. Das alles kann dazu beitragen, dass beispielsweise durch Alzheimerkrankung entstehende Ablagerungen weniger Gedächtnisprobleme verursachen. Die Entstehung von Ablagerungen selbst kann nach bisherigen Erkenntnissen durch gesunden Lebensstil nicht verhindert werden, jedoch ihre Auswirkungen abgemildert und hinausgezögert werden.

Bewegung hält Herz-Hirn-Achse in Schwung

Eine Schlüsselfunktion für das Gehirn hat das Herz. Es pumpt Blut als Treibstoff für das Gehirn nach oben, denn es verbraucht 20 Prozent unserer Energie. Ist die Versorgung des Gehirns durch eine Herzschwäche eingeschränkt, kann es zu Veränderungen am genetischen Bauplan der Nervenzellen kommen und die Leistung sinkt (Studie).

Wichtig für Herz und Hirn sind gesunde Blutgefäße und ein gesunder Blutdruck. Bei vielen Demenzerkrankungen ist der hohe Blutdruck eine entscheidende Ursache, Mediziner sprechen dann sogar von einer vaskulären Demenz. Bewegung senkt hohen Blutdruck und hilft, frisches Blut ins Gehirn zu schicken. Außerdem bilden sich durch die Bewegung Muskeln, die Hormone produzieren. Im Tierversuch zeigte sich, dass diese sogenannten Myokine bis ins Gehirn wandern. Dort sorgen sie zum Beispiel dafür, dass bestimmte Wachstumsfaktoren vermehrt freigesetzt werden. Diese wiederum helfen den Nervenzellen, sich besser miteinander zu verknüpfen und zu kommunizieren - Bewegung verbessert also das Lernen.

Koordinationsübungen senken Demenzrisiko

Forschende sind davon überzeugt, dass sich das Gehirn widerstandsfähig machen lässt gegen Demenz - indem man die geistige und kognitive Reserve stärkt. So lässt sich dem Verfall von geistigen Funktionen vorbeugen. Dafür ist es nie zu spät, denn das menschliche Gehirn hat bis ins hohe Alter die Fähigkeit, sich zu verändern.

Ein gut vernetztes Gehirn kann Nervenschäden sogar ausgleichen. Forschende in Dresden entwickeln dazu gerade ein Übungsprogramm, das auch gegen die Demenzrisiken Depression, Dauerstress und Vereinsamung helfen soll: Koordinationsübungen, wie zum Beispiel Kombinationen aus Gleichgewichtsübung und Tanz, regen das Gehirn an.

Das Forscherteam entwickelt etwas, das es in der Demenzvorbeugung in dieser Form noch nicht gibt: Das Mischprogramm soll Körper, Denken und Seele gleichzeitig fördern und so körperliche, psychische und geistige Demenzrisiken senken. Das "Remind" (Erinnern) genannte Programm soll es bald online geben, so soll es als Demenzprävention in jedes Wohnzimmer kommen.

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Visite | 03.05.2022 | 20:15 Uhr

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