Landtag zu ChatGPT: "KI ist nicht die Zukunft des Parlamentarismus"
Chancen und Herausforderungen von künstlicher Intelligenz, damit hat sich der schleswig-holsteinische Landtag am Freitag beschäftigt - auf einen Antrag hin, der von einer KI selbst verfasst wurde. Nicht alle halten das für eine gute Idee.
Im Kern waren sie sich alle Abgeordneten in Kiel einig: Es stecken jede Menge Chancen in künstlicher Intelligenz (KI), aber eben auch Risiken. Chancen wie einfachere Prozesse in Verwaltungen, neue Möglichkeiten, Wissen anders zu vermitteln - aber auch Risiken wie Arbeitsplatzverlust und zu viel Einfluss von bestimmten Unternehmen, die hinter Programmen wie ChatGPT stecken.
Waldeck: "Am Ende entscheiden immer noch wir"
Nelly Waldeck (Grüne) ist zum Beispiel überrascht, wie viel Einfluss Microsoft in diesem Parlament hat - wenn schon ein von dessen Anwendung ChatGPT formulierter Antrag eingereicht wird, von FDP und SPD. Sie fragte einfach ChatGPT selbst, was die künstliche Intelligenz von dem von ihr verfassten Antrag hält. Und das Urteil von ChatGPT fällt durchaus selbstkritisch aus:
Der Antrag, die Landesregierung zu bitten, Fragen zu berücksichtigen, die sich auf den Einsatz von KI-Technologien im öffentlichen Dienst beziehen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer sinnvollen Nutzung dieser Technologien. Es ist jedoch bedauerlich, dass der Antrag nicht präzisiert, wie die Landesregierung diese Fragen angehen und beantworten soll. Es ist nicht klar, ob der Antrag die Landesregierung auch dazu auffordert, konkrete Vorschläge zu unterbreiten oder nur um eine allgemeine Stellungnahme zu bitten. ChatGPT
Gegen ein Fachgespräch im Ausschuss über KI und die schleswig-holsteinische Rolle habe sie nichts. "Aber nicht auf Grundlage von Fragen, die ChatGPT formuliert hat, sondern mit eigener Befassung", sagt Waldeck. Der Antrag zeige, dass KI nicht die Zukunft des Parlamentarismus ist. "Denn am Ende entscheiden immer noch wir."
SSW wirft Antragstellern Effekthascherei vor
Dass ChatGPT eine kommerzielle Software ist, die über die Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer verfügt, das kritisiert auch Sybilla Nitsch vom SSW: "Dieses Hilfsmittel wächst zu einem enormen Datenhort heran. Wir haben nicht nur im amerikanischen Wahlkampf lernen müssen, wie Nutzerdaten zur gezielten Manipulation genutzt werden." Das sei bei ChatGPT nicht anders. "Ich hätte mir daher gewünscht, dass die Antragsteller nicht der Effekthascherei aufgesessen wären und den Antrag durch die künstliche Intelligenz hätten schreiben lassen", so Nitsch.
Losse-Müller: "Wie verändert KI unsere Demokratie?"
SPD-Politiker Thomas Losse-Müller, einer der Antragsteller, sieht Potential: "Wir müssen angesichts des Fachkräftemangels und der immer weiter wachsenden Aufgaben die Potentiale der KI für einen leistungsfähigen Staat nutzen." Wenn Anträge für Wohngeld oder den Angelschein dadurch automatisiert werden könnten, müsse man das auch tun. Aber eigentlich ginge es in dieser Debatte um Grundsätzlicheres: "Eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt, ist: Wie KI die Zukunft der politischen Debatte und damit unserer Demokratie verändert." Extremisten und Demokratiefeinde seien in der Bundesrepublik bislang immer in der Minderheit gewesen: "Weil unsere Stimmen zahlreicher waren. Man hat uns schlicht öfter gehört. Das hat sich geändert." Mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz sei der Produktion von Social Media, Texten und Videos keine zahlenmäßige Grenze mehr gesetzt.
Und was sagt ChatGPT zu der Frage, die sich Thomas Losse-Müller stellt?
Die Verwendung von künstlicher Intelligenz wird zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Zukunft der politischen Debatte und damit unserer Demokratie haben [...]. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, wie KI die politische Debatte beeinflussen kann, und dass wir sicherstellen, dass KI-Systeme ethisch, transparent und fair eingesetzt werden. Dazu gehört auch, dass wir uns bewusst machen, welche Auswirkungen KI auf unsere Demokratie haben kann, und dass wir uns aktiv dafür einsetzen, dass KI-Systeme dazu beitragen, den politischen Diskurs zu verbessern, anstatt ihn zu untergraben. ChatGPT
Vogt: "Regierung sollte sich nicht nur auf die Schulter klopfen"
"Mit der Veröffentlichung von ChatGPT wird derzeit vor allem der Bildungs- und der Wissenschaftsbereich 'umgekrempelt'", sagt Christopher Vogt (FDP): "Ob wir es wollen oder nicht." Und dies geschehe in einer rasanten Geschwindigkeit: "Die neueste Version ChatGPT-4 schlägt mittlerweile zuverlässig den Menschen in Standard-Vergleichstests. In dem naturwissenschaftlichen Test schlug die 3er-Variante rund 31 Prozent der menschlichen Teilnehmer, die 4er-Variante liegt jetzt schon bei unglaublichen 99 Prozent." Als Liberaler sei er ein Freund des Fortschritts, findet aber auch: "Dass eine Regierung sich bei diesem entscheidenden Zukunftsthema nicht nur auf die Schulter klopfen sollte, sondern auch die großen Herausforderungen und Risiken sehen sollte und darauf reagieren muss."
KI wird nicht wieder verschwinden
Das Land sei vorbereitet, habe seit Jahren eine Strategie für künstliche Intelligenz - und die sei auch nötig, sagt Digitalisierungsminister Dirk Schrödter (CDU): "Zukünftig wird kein Unternehmen mehr ohne den Einsatz und die Anwendung von KI wettbewerbsfähig sein und damit auch kein Standort mehr."
Und wie sieht das die künstliche Intelligenz?
Es ist sicherlich wahr, dass künstliche Intelligenz in vielen Branchen und Bereichen des Wirtschaftslebens eine immer wichtigere Rolle spielt. Es gibt bereits viele Unternehmen, die KI in ihren Geschäftsprozessen einsetzen, um ihre Effizienz und Produktivität zu steigern und wettbewerbsfähig zu bleiben. [...] Allerdings ist es auch wichtig zu beachten, dass der Einsatz von KI nicht in allen Branchen und Unternehmen gleichermaßen sinnvoll oder notwendig ist. Manche Unternehmen haben möglicherweise keinen Bedarf an KI, während andere möglicherweise aufgrund von Kapazitätsbeschränkungen oder mangelnder Fachkenntnis Schwierigkeiten haben könnten, KI erfolgreich einzusetzen. ChtGPT
Also doch nicht jedes Unternehmen und jeder Standort? Eins steht jedenfalls fest, da sind sich auch die Abgeordneten einig: Diese Systeme werden nicht wieder verschwinden. Land und Landtag werden sich daher weiter mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz befassen.