Nord-Reaktionen auf geplatzte Asyl-Gespräche: "Union sendet Chaos"
Die Gespräche zwischen Bundesregierung sowie Vertretern der Länder und Unionsparteien sind ohne Verständigung auf konkrete Maßnahmen von der Union beendet worden. Norddeutsche Politiker von SPD und Grünen reagierten verärgert.
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank von den Grünen sagte, der Schritt der Union sende ein Zeichen des "Chaos" an die Bevölkerung. Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner hingegen ist wie die Bundes-CDU der Meinung, dass der Vorschlag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht weit genug gehe. Dies sei keine grundsätzliche Wende in der Asyl -und Migrationspolitik, so Lechner. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) warf der Union allerdings vor, von vornherein auf ein Scheitern der Gespräche gesetzt zu haben.
Behrens: Vorschlag von Faeser ein gangbarer Weg
Behrens, die als Vertreterin der SPD-Länder an dem Gespräch teilgenommen hat, sagte, die Maximalforderung der Union nach flächendeckenden Zurückweisungen an den Grenzen habe sich "in der Prüfung als nicht umsetzbar erwiesen". Bundesinnenministerin Faeser habe hingegen einen guten Vorschlag gemacht. Dieser sei ein "gangbarer Weg, um die Zugangszahlen und die Anreize für eine Weiterreise aus anderen EU-Staaten nach Deutschland zu reduzieren".
Flüchtlingsrat lobt Gesprächs-Abbruch - Merz verteidigt seine Haltung
Der niedersächsische Flüchtlingsrat begrüßte es, dass der Gipfel abgebrochen wurde - weil die Vorschläge der SPD nicht mit europäischem Recht vereinbar seien. Wenn die Bundesregierung einen Notstand ausrufen wolle, um das EU-Gesetz zu umgehen, wäre das eine neue Qualität der Grenzüberschreitung. Die Bundesregierung nähere sich immer weiter den Argumenten der AfD an, so der Flüchtlingsrat.
Der Asylstreit war am Mittwoch auch ein großes Thema bei der Generaldebatte im Bundestag. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf der Union vor, sich "in die Büsche geschlagen" zu haben. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) wehrte sich gegen den Vorwurf, er habe die Gespräche absichtlich scheitern lassen - und lehnte weitere Verhandlungen ab.
Midyatli spricht von Erpressungsversuch seitens Merz
Ihm wirft die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli deshalb einen Erpressungsversuch vor. "Merz spielt sich als Retter der Nation auf, will Notlagen ausrufen, aber kneift genau dann, wenn er die Chance hat, wirklich was zu verändern", sagte die Oppositionsführerin im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Der Bundeskanzler habe immer wieder Gesprächsbereitschaft betont, so Midyatli. Es gehe um eine gemeinsame Antwort auf die Migrationsfragen unserer Zeit.
"Wer in kooperativen Gesprächen anderen die eigene Meinung aufzwingen will, hat weder erkennt, wie wichtig gute Lösungen sind, noch, worin der Wert von konstruktiven und in einer Demokratie üblichen Verhandlungen auf Augenhöhe liegt." Midyatli kritisierte auch den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). "Sonst um gute Ratschläge vor allem an die SPD und die Ampel nie verlegen, ist mal wieder nichts von ihm zu hören, wenn im eigenen Laden die Spalter die Oberhand bekommen und die Populismus-Keule ausgepackt wird."
Bundesinnenministerin: Dublin-Schnellverfahren soll von Einreise nach Deutschland abhalten
Faeser hatte bei den Beratungen am Dienstagnachmittag in Berlin ein Dublin-Schnellverfahren vorgestellt, um Schutzsuchende von der Einreise nach Deutschland abzuhalten und - auch mithilfe von Inhaftnahmen - schnell wieder in das zuständige EU-Land zurückzuschicken. Dies würde geltendem nationalen Recht entsprechen, sagte Faeser. Ihr Ministerium hatte zuvor nochmals geprüft, ob pauschale Zurückweisungen an der Grenze, wie von der Union gefordert, mit EU-Recht vereinbar wären - und sich dagegen entschieden.
Die Inhaftnahme von Flüchtlinge, die in anderen EU-Länder bereits registriert wurden, stieß in Mecklenburg-Vorpommern auf teils massive Kritik. Die galt vor allem den von Faeser angekündigten grenznahen Haftplätzen, die das Land mit seiner Grenze zu Polen betreffen würde. Die mitregierende Linke lehnt jede Verschärfung des Asylrechts ab. Das SPD-geführte Innenministerium äußerte sich nur vorsichtig, ebenso wie die Grünen. Die oppositionelle CDU hält die Vorschläge für unrealistisch.
Damit war die Opposition nicht einverstanden und beendete die Konferenz. Was auf dem Tisch gelegen habe, werde den Vorstellungen der Union nicht gerecht, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. "In diesem Format macht es keinen Sinn", so der Union-Verhandlungsführer.
Tschentscher: "Gipfeltreffen ist nicht gescheitert"
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte auf einer Veranstaltung der Hamburger Landesvertretung beim Bund in Berlin dem NDR: "Der Gipfel ist nicht gescheitert. Die Bundesregierung hat schon viele Schritte unternommen, um die irreguläre Migration zurückzudrängen. Das kommt auch an. Das sehen wir in Hamburg. Die Zahlen haben sich stabilisiert. Aber jetzt kommt es darauf an, die Grenzkontrollen zu intensivieren. Wir haben gesehen, wie wirksam die Kontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze waren. Und das soll jetzt generell eingeführt werden."
Justizminister Buschmann: Weiter gesprächsbereit
"Wir sind bereit, das Gespräch weiterzuführen", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Bei Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration sei die Bundesregierung bereit, alles zu tun, was im Rahmen des nationalen und des europäischen Rechts möglich ist. Die Forderungen der Union nach Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gingen aber darüber hinaus. "Man kann von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sie sich in Widerspruch zu Recht begibt", sagte Buschmann.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte Unverständnis: "Bedauerlicherweise hat die Union gesagt, dass sie jetzt nicht mehr weiter reden möchte." Dabei seien bei dem Treffen "viele Themen noch gar nicht besprochen worden", so Baerbock.
Faeser ordnet Grenzkontrollen an
Am Montag hatte Bundesinnenministerin Faeser bereits Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet und mehr Zurückweisungen als bisher in Aussicht gestellt. Dies hatte die Union zur Bedingung für die Teilnahme an dem Treffen gemacht.
Die erste Beratungsrunde war vergangenen Dienstag ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen - Union und Bundesregierung hatten vereinbart, die Gespräche fortzusetzen.