Barenboim tritt als Generalmusikdirektor in Berlin zurück
Der seit langem erkrankte Daniel Barenboim tritt als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden zurück. Das gab der 80-Jährige in Berlin bekannt. Ein Gespräch dazu mit Friederike Westerhaus aus der NDR Kultur Musikredaktion.
Es ist eine Meldung, die in der Musikwelt für Furore sorgt: Daniel Barenboim tritt vorzeitig als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden zurück - und zwar schon zum 31. Januar. Das gab der 80-Jährige bekannt. In seinem persönlichen Statement heißt es: "Leider hat sich mein Gesundheitszustand im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Ich kann die Leistung nicht mehr erbringen, die zu Recht von einem Generalmusikdirektor verlangt wird."
NDR Kultur: Friederike Westerhaus, wie sehr hat Dich die Nachricht heute überrascht?
Friederike Westerhaus: Mich hat es schon überrascht, dass das jetzt so plötzlich war, nachdem er ja vor wenigen Tagen zweimal in Neujahrskonzerten in Berlin Beethovens Neunte dirigiert hat. Aber es war ja auch überraschend, dass er das überhaupt machen konnte. Denn sein Gesundheitszustand ist ja seit Monaten extrem angeschlagen. Er musste schweren Herzens die Neuproduktion des Ring des Nibelungen absagen und auch sein Konzert zum 80. Geburtstag. Es war ja unklar, ob er überhaupt aufs Podium zurückkehrt.
Ich glaube, genau so muss man das jetzt auch sehen: Er muss jetzt ganz genau schauen, wofür er seine Kraft einsetzt. Da ist einfach der Posten eines Generalmusikdirektors mit allem was dazu gehört zu umfangreich, das raubt ihm zu viel von der Energie, die er jetzt vielleicht noch gezielt für besondere Projekte einsetzen möchte. Denn in seinem Statement sagt er ja auch: "Selbstverständlich bleibe ich - solange ich lebe - der Musik engstens verbunden und bin bereit, auch künftig als Dirigent zu wirken, auch und gerade mit der Staatskapelle Berlin."
Worin siehst Du das besondere Verdienst von Barenboim als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper?
Friederike Westerhaus: Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Er hat ja seit 1992, also über 30 Jahre, als Generalmusikdirektor das Haus geprägt. Er hat die Berliner Staatsoper in besonderer Weise auf die musikalische Landkarte gebracht, und zwar international. Er hat dafür gesorgt, dass die Crème de la Crème der internationalen Sängerinnen und Sänger in Berlin singen will. Er hat die Oper zugänglich gemacht, hat unter anderem mit den Übertragungen nach draußen auf den Opernplatz neues Publikum erreicht und nicht zuletzt hat er natürlich den Klang des Orchesters entscheidend geformt, gerade im großen romantischen Repertoire, bei Wagner zum Beispiel. Da konnte er wirklich zaubern am Pult, und die Orchestermitglieder wussten ihn zu lesen. Und es ist durchaus berechtigt, wenn Kulturstaatsministerin Claudia Roth seine Zeit als Generalmusikdirektor als "Glücksfall für Berlin" bezeichnete und Kultursenator Klaus Lederer von einem "Jahrhundertkünstler" spricht.
Das Wirken von Barenboim in Berlin geht ja auch weit über die Staatsoper hinaus. Seine Stimme hat einfach ein enormes Gewicht in der Stadt. Er hat die Fahne für die klassische Musik, für die Kultur immer hochgehalten, hat wirklich gekämpft, um Gelder zu bekommen. Er hat sich ja auch für Frieden und Begegnung eingesetzt: mit dem West Eastern Divan Orchestra, mit der Barenboim-Said Akademie und dem Boulez-Saal - das ist ein ganz zentraler Ort der Begegnung in der Stadt geworden. Dass er im persönlichen Umgang nicht immer einfach ist, dass auch sein Führungsstil scharf kritisiert worden ist, auch von Orchestermitgliedern, das steht außer Frage, aber dem gegenüber steht, wie unglaublich überzeugend seine musikalische Ausdruckskraft ist.
Was heißt das jetzt für die Staatsoper?
Friederike Westerhaus: Das heißt vor allem, dass die Oper jetzt dringend über die Nachfolge entscheiden muss. Das wird nicht leicht. Denn jemanden mit einer solchen internationalen Strahlkraft zu finden, ist nicht ohne. Außerdem muss das eine Person sein, die musikalisch wirklich was zu sagen hat. Es gibt ja auch noch zwei andere Opernhäuser in Berlin und es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, eine Person zu finden, für die der Umgang mit der Politik und den Menschen in der Stadt nicht eine Bürde ist, sondern die wirklich Lust hat, sich da einzubringen, den Kontakt zu suchen und diese Position zu nutzen für die Sicherung der Zukunft der Kultur in der Stadt.
Das Gespräch führte Eva Schramm.