Nach Corona: Orchester werben verstärkt um ihr Publikum
Die Corona-Pandemie hat viele Branchen in eine Krise gestürzt. Auch die Kulturbranche. Inzwischen ist alles wieder uneingeschränkt möglich, zum Beispiel: ins Konzert gehen. Aber machen die Menschen das auch?
In Norddeutschland geht es bergauf. Das bemerken die Orchester laut unisono deutschlandweit. So auch das Osnabrücker Symphonieorchester. Matthias Köhn ist Geschäftsführer am Theater Osnabrück, zu dem das Orchester gehört. Er erinnert sich: Zu Beginn der Spielzeit ging es recht schleppend los. "Da sind wir deutschlandweit etwas nervös geworden und haben uns gefragt: Wie lange wird es dauern? Hinzugekommen ist auch der Ukrainekrieg, dadurch hat die Unsicherheit bei den Menschen nochmal mehr zugenommen. Deshalb waren wir sehr froh, als man deutlich spürte, dass das Publikum wiederkommt."
Lübeck: Konzerte und Veranstaltungen gut besucht
Inzwischen seien sowohl die Konzerte als auch die Veranstaltungen im Musiktheater wieder genau so gut besucht, wie vor der Pandemie. Auch beim Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck ist man auf Vor-Corona-Niveau angekommen. Der Geschäftsführende Theaterdirektor Caspar Sawade sieht keinen Unterschied zur Spielzeit 2018/19. Wie in Osnabrück habe man hier seit November annähernd die selben Verkaufszahlen. Sawade führt das auf drei Punkte zurück. Erstens: Eine große Werbekampagne. Die Stadt wurde zu Beginn der Spielzeit so großflächig plakatiert wie noch nie. "Wir haben zweitens auch in die künstlerischen Inhalte investiert, haben neue Formate entwickelt, sind im Schauspiel in den Stadtraum gegangen. Drittens will das Lübecker Publikum nicht ohne das Theater sein."
Weniger Abonnements
Nicht ganz so entspannt ist die Situation beim Staatsorchester Braunschweig. Kurz vor Corona musste das Orchester umziehen, weil die Stadthalle renoviert wird. Jetzt wird im Theater gespielt, dort gibt es weniger Sitzplätze. Zusätzlich kommen noch weniger Leute, sagt Orchestermanagerin Julia Siegler: "Die wenigen Sitzplätze sind trotzdem nicht ausgelastet. Wir haben in den Abos einen Rückgang um circa 25 Prozent."
Auch in Lübeck und Osnabrück gibt es in der aktuellen Spielzeit weniger Abonnentinnen und Abonnenten. Das ließe sich aber durch den Freiverkauf ausgleichen, heißt es. Tatsächlich koste es bisweilen ein wenig Nerven, dass die Menschen sich kurzfristiger für einen Besuch entscheiden, sagt der Lübecker Sawade. Diesen Trend bestätigt Siegler auch für Braunschweig. Köhn bemerkt das ebenfalls, in Osnabrück sei es aber nicht so extrem wie anderswo. Seiner Ansicht nach liegt das an den sehr beliebten großen Produktionen: Mozarts "Titus", Kalmans "Gräfin Mariza" und auch das Ballett "Romeo und Julia" liefen sehr gut. In Lübeck sorgen die "Fledermaus", "Die Hochzeit des Figaro" und auch die "Sinfoniekonzerte" für ausverkaufte Säle. Eine Freude für alle, sagt Sawade: "Auf der Bühne erfordert es unglaublich viel mehr Kraft einen leeren Saal zu bespielen als einen ausverkauften, wo sich Publikum und Künstler gegenseitig tragen und befeuern."
Publikum mit großen, klassischen Werken zurückholen
Das Staatsorchester Braunschweig will in der kommenden Saison auf die Beliebtheit der großen, klassischen Werke reagieren. Auf dem Plan stehen Beethovens Neunte und Mahlersinfonien. Laut Orchestermanagerin Julia Siegler spricht das viele Menschen an, die in der Corona-Zeit meist nur Kammermusik oder Bearbeitungen für kleine Besetzungen gehört haben. Ihre Hoffnung: "Dass wir es schaffen, mehr Leute, auch jüngere Leute zu erreichen. Dass wir es schaffen, Konzertformate anzubieten, die viele Leute ansprechen. Dass wir es schaffen, gesellschaftlich relevant zu sein."