Menschen stehen und sitzen in einem Raum und musizieren bei einem Workshop für Gehörlose mit Cochlea-Implantat in Lübeck © NDR Foto: Linda Ebener
Menschen stehen und sitzen in einem Raum und musizieren bei einem Workshop für Gehörlose mit Cochlea-Implantat in Lübeck © NDR Foto: Linda Ebener
Menschen stehen und sitzen in einem Raum und musizieren bei einem Workshop für Gehörlose mit Cochlea-Implantat in Lübeck © NDR Foto: Linda Ebener
AUDIO: Musikworkshop mit Cochlea-Implantat (4 Min)

Musikworkshop in Lübeck für Gehörlose mit Cochlea-Implantat

Stand: 09.01.2023 12:20 Uhr

Gemeinsam Musik machen, im Chor singen oder Musik hören: Für Menschen, die nicht oder wenig hören und ein Cochlea-Implantat tragen - eine Hörprothese für Gehörlose und Ertaubte - ist das eine Herausforderung.

von Linda Ebener

Die Therapie mit dem Cochlea-Implantat (CI) ist ähnlich, wie eine neue Fremdsprache lernen. Auch das Musikmachen und das Hören muss neu gelernt werden. Studierende aus Lübeck haben deshalb einen speziellen Musikworkshop organisiert.

Rhythmen ausprobieren, singen und Musik wahrnehmen

Gemeinsam Rhythmen ausprobieren, singen und Musik wahrnehmen - das sind alles Programmpunkte für die insgesamt 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Schleswig-Holstein und Hamburg. Thorsten Heinemeier ist einer von ihnen, er trägt seit eineinhalb Jahren ein Cochlea-Implantat und ist von der Selbsthilfegruppe Bad Schwartau.

An das gemeinsame Musikmachen muss er sich erst wieder gewöhnen. "Allein das Rhythmusgefühl ist schon schwierig", erklärt er. "Spätestens in dem Moment, wenn die Musik mehr als nur eine einzige Stimme hat, wenn das zwei-, drei- oder auch vierstimmig ist, die wiederum ihren eigenen Rhythmus haben. Da kommt man schnell durcheinander. Das haben wir bei den Stücken, die wir hier gespielt haben, auch gemerkt."

Cochlea-Implantierte nehmen Musik anders wahr

Menschen stehen und sitzen in einem Raum und musizieren bei einem Workshop für Gehörlose mit Cochlea-Implantat in Lübeck © NDR Foto: Linda Ebener
Ziel des Workshops ist es, ein Musikangebot für CI-Trägerinnen und -Träger zu schaffen.

Die Teilnehmenden haben gemeinsam als Chor, unter der Leitung von Studentin Lea Mejia, ein Stück einstudiert. Mit viel Ruhe und Geduld geht sie Takt für Takt durch. Für Lea ist es wichtig, ein Musikangebot für CI-Trägerinnen und -Träger zu schaffen. Denn oft konnten die Betroffenen vor einer Erkrankung ganz normal hören und haben Musik deshalb anders wahrgenommen. "Sobald das Implantat da ist, trauen sie sich manchmal nicht mehr im Chor zu singen", sagt sie. "Sie hören sich zum Beispiel selber nicht so gut, können den Ton nicht abnehmen und brauchen einen geschützten Rahmen, indem sie sich einfach mal ausprobieren können und mit Gleichgesinnten sprechen können - über Themen, die man mit Menschen, die kein CI tragen, nicht sprechen würde oder bei denen man vielleicht auf Unverständnis stößt."

"Es fehlen tonale Unterschiede"

Die Geräusche oder das Gesprochene, was der gehörlose Mensch über das Cochlea-Implantat hört, klingt oft ähnlich wie ein Roboter, erklärt Thorsten Heinemeier. "Manche sagen, 'Mickey-Mouse-Stimme', das ist eigentlich noch geschmeichelt. Gerade am Anfang ist es total komisch und ungewohnt und sehr metallisch, sehr herzlos und ohne Substanz. Es fehlen tonale Unterschiede von hell und dunkel. Aber man gewöhnt sich auch daran. Das Gehirn ist enorm lernfähig und schafft es tatsächlich immer, feine Nuancen herauszuhören."

Beim gemeinsamen Musikmachen achtet Lea Mejia darauf, die Musikstücke zu vereinfachen. "Tendenziell ist es besser, man bricht ein Stück oder eine Phrase oder eine Melodie in kleinere Bestandteile auf und übermittelt erst einmal diese und baut das Stück dann nach und nach auf", sagt sie.

"Es klingt, als ob man eine ganz schlechte HiFi-Anlage hätte"

Es wird ein klassisches Stück einstudiert - für CI-Trägerin Stefanie Berberich ist das Hörerlebnis nicht sehr angenehm. Obwohl sie vor ihrer Erkrankung klassische Musik geliebt hat. "Es klingt sehr platt und sehr flach, als ob man einfach nur schlechte Boxen hätte oder eine ganz schlechte HiFi-Anlage", sagt sie. "Man hört, da kommt irgendwie ein Geräusch raus, aber es macht keinen Spaß und das ist wirklich das, was ich vermisse." Auch für Thorsten Heinemeier hat sich das Musikhören verändert: "Ich persönlich höre nicht mehr so viel Musik, wie ich es früher gemacht habe. Ich gucke mehr Musik. Das soll heißen: mehr Musikvideos. Weil ich nicht mehr alle Nuancen in der Musik hören kann wie früher, aber durch das Visuelle ergänzt es sich zu einem Gesamtbild." Früher habe er gerne viel Musik auf einer sehr hochwertigen Anlage gehört. "Das geht jetzt nicht mehr."

Die Studierenden hoffen, mit dem Musikworkshop mehr Menschen für das Thema Cochlea-Implantat zu sensibilisieren und andere Menschen zu motivieren, inklusive und barrierefreie Formate anzubieten.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 09.01.2023 | 06:40 Uhr

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