Grafik: Mann auf einer gestrandeten Gebrochenen-Herz-Insel © picture alliance / Ikon Images | Darren Hopes
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AUDIO: Die ganze Chormusik-Sendung vom 23.02.2025 zum Nachhören (56 Min)

Liebeskummer lohnt sich nicht? Chormusik gegen den Herzschmerz

Stand: 31.03.2025 10:03 Uhr

Das Calmus Ensemble hat ein Album zum Thema Liebesleid eingespielt: Chormusik fürs Herz. Dabei covert das Leipziger Quintett Klassik bis Pop von Johannes Brahms bis Leonard Cohen.

von Jacqueline Moschkau

"Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling, schade um die Tränen in der Nacht. Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling, weil schon morgen Dein Herz darüber lacht", singt Siw Malmkvist im 1964er Nummer-eins-Hit. Christian Bruhn schrieb die Musik und Georg Buschor den Text, der auf überraschende Weise tiefgründig und wahr ist. Denn ja, die schlaflosen, durchgeweinten Nächte lohnen sich nicht. Wenn Liebe zu Schmerz wird, dann läuft etwas verkehrt. Und doch lohnt sich der Liebeskummer an sich. Eben weil das Herz bald drüber lacht, oder zumindest der Kopf aus der Erfahrung etwas Neues kreiert. Herzschmerz regt zu Kreativität an - davon zeugen unzählige Minnegesänge, Madrigale und Arien, Volkslieder, Pop- und Rocksongs.

Das wiederum tut Leidenden gut. Eine wissenschaftliche Studie der beiden Forscher Kazuma Mori und Makoto Iwanaga aus dem Jahr 2017 besagt: Lieder, die einem die Tränen in die Augen treiben, haben einen kathartischen Effekt. Wir lassen, angeregt von der Musik, unsere Emotionen frei raus, singen mit und leiden mit. Wir zeigen uns empathisch und fühlen uns verstanden - denn in einer leidvollen Melodie und einem traurigen Text stellen wir fest: Wir sind nicht allein. Andere, viele andere vor uns hatten auch schon Liebeskummer. Das ist beruhigend. Wir fühlen uns besser. Ein Album, das sich sowohl zum Ausheulen als auch für den musikalischen Genuss eignet, ist "Liebesleid" - eingespielt vom Leipziger Calmus Ensemble, erschienen 2024 bei Bayer.

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Nahaufnahme von Notenblättern mit lila und roter Beleuchtung. Darauf liegt der Schriftzug "CHOR MUSIK" in großen weißen und rosa Buchstaben. © NDR | istock/getty images

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Hallelujah! Noch eine neue Version des Cohen-Klassikers

Leonard Cohens Herzschmerz-Klassiker "Hallelujah" erschien 1984 und ist seither häufig gecovert worden, oft pathetisch, kitschig und selten gut. Und überhaupt "zu oft gesungen, zu oft gehört" findet Maria Kalmbach, Altistin beim Calmus Ensemble. Sie ist kein Fan von Leonard Cohens "Hallelujah". Entsprechend skeptisch war sie gegenüber dem Arrangement von Juan Garcia. Doch der in Weimar ansässige Komponist und Arrangeur setzt in seiner Bearbeitung auf Minimalismus. Seine Fassung und die Stimmen machen nicht mehr als nötig, sodass sich die Harmonien in aller Schlichtheit entfalten können. Das hat selbst Maria Kalmbach überzeugt - und zwar, "weil es nicht so platt ist, sondern ausgesprochen geschickt gemacht: Die Originalmelodien sind in dieser neuen A-cappella-Version gar nicht so einfach zu finden. Man erkennt den Song, aber irgendwie ist alles ganz anders. Und das finde ich großartig", schwärmt die Sängerin.

Bariton Jonathan Saretz hat vor dieser Arbeit größten Respekt: "Arrangieren ist gar nicht so leicht. 'Einfach mal' die Melodien aufzuschreiben, die Harmonien und Perkussion zu nehmen und alles dann zu vertonen - da fehlt schnell die Essenz. Juan aber gibt jedem Stück seine eigene Identität. Wir sind nun mal keine Popband und haben keinen Beatboxer. Bei uns ist alles rein vokal. Dahin muss man beim Arrangieren umdenken. Natürlich finden sich in der neu arrangierten Fassung Parallelen zum Original-Song, auf jeden Fall die Melodie, aber darüber hinaus ist es ein ganz neu gedachtes, eigenständiges Stück."

Calmus Ensemble © Anne Hornemann
AUDIO: Calmus Ensemble: "Hallelujah" von Leonard Cohen (5 Min)

Traurige Love-Songs à la Renaissance und Barock

Liebeskummer hat viele Gesichter. Es kann die Traurigkeit sein, einem guten Freund "Lebewohl" sagen zu müssen. Es kann die Sehnsucht nach einer Person sein, die sich einem entzieht oder schon immer unerreichbar war. Liebeskummer kann eine Verletzung durch einen geliebten Menschen oder die Leerstelle, die unerfüllte Liebe sein. Liebeskummer kann kurz aufflammen oder sehr viel in die eigene innere Dunkelheit hinab reißen. Der Schmerz darin ist die große Antriebskraft für die kreative, künstlerische Verarbeitung - und das seit jeher. Die im Barock aufblühende Oper trägt den musikalischen Liebeskummer ebenso wie die Lieder der Romantik. "Und i kann dir‘s nit sagen, i hab di so lieb" seufzt es in Brahms Volksliedvertonung "Da unten im Tale".

Doch ach so häufig nützt auch alles Umschwärmen nichts, es folgt die Zurückweisung. Die unerfüllte Liebe ist besonders bitter. In der Renaissance war das Madrigal die Gattung der Wahl in Sachen Ausheulen: Der Komponist Johann Grabbe (1585-1655) aus Bückeburg fragt sich in seinem Werk "Lasso, perché mi fuggi?", warum seine Auserwählte das Weite sucht: "Warum fliehst du? Willst Du, dass ich sterbe?" Typisch für die Madrigale nach italienischem Vorbild sind starke Dissonanzen, und es fehlt nicht an musikalischen Seufzern - doch die gibt es wiederum auch in zeitgenössischen Popsongs zuhauf.

Calmus Ensemble © Anne Hornemann
AUDIO: Calmus Ensemble: "Lasso, perché mi fuggi" von Johann Grabbe (3 Min)

Nicht jeder Herzschmerz klingt gleich

Jedes Genre hat seine eigene Stimmkultur, seine eigene Haltung und unterschiedliche Arten der Phrasierung. Ein Popsong stellt andere Herausforderungen an die Stimme und das Timing als eine Arie. Arrangeur Juan Garcia hat für das Calmus Ensemble das richtige Händchen und kann einen Pophit zu einem A-capella-Erfolg werden lassen. Tom Odell, britischer Singer-Songwriter und Pianist, veröffentlichte 2013 die Single "Another Love" und wurde damit quasi über Nacht weltbekannt. Seitdem verkaufte er insgesamt mehr als 11 Millionen Platten. Im Original hat der Song ein langes Klavierintro, das Juan Garcia in seiner Bearbeitung für das Calmus-Quintett geschickt neu gedacht hat. Maria Kalmbach erklärt: "Hierfür hat Juan jeder Stimme ein Leitmotiv geschrieben, sodass das lange Klavierintro durch unsere Leitmotive eingeleitet und auch wieder ausgeleitet wird."

Die Suche nach dem passenden Repertoire kann schwierig sein. Werke sind ursprünglich für eine andere Besetzung oder andere Stimmlagen geschrieben. Deshalb arbeitet das Calmus Ensemble mit mehreren Komponisten und Arrangeuren zusammen, um die Stücke umschreiben zu lassen, die sie singen wollen. Juan Garcia kennt das Leipziger Quintett seit dem Studium in Leipzig. Er kennt das Ensemble entsprechend gut und versteht sich darauf, verschiedene Genres so für klassische Stimmen umzuschreiben, dass die Werke für Calmus singbar werden. Durch Juan Garcias Arbeit und die von den Arrangeueren Gene Puerling und Philip Lawson ist das A-cappella-Album "Liebesleid" erst möglich geworden. 18 Variationen von Herzschmerz sind darauf vereint. Interessanterweise ist keine einzige Komposition einer Frau dabei. Aber vielleicht wird das das Folgealbum.

Calmus Ensemble © Anne Hornemann
AUDIO: Calmus Ensemble: "Another Love" von Tom Odell (4 Min)

Die ganze Sendung zum Album "Liebesleid" können Sie in der ARD Audiothek hören. Die Chormusik können Sie auch als Podcast abonnieren - in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Chormusik - Klangwelten der Vokalmusik entdecken | 23.02.2025 | 17:00 Uhr

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