Gute Laune statt Liebestragödie: Chormusik von Giacomo Puccini
Giacomo Puccini ist einer der berühmtesten und beliebtesten Opernkomponisten weltweit. Doch sein Œuvre umfasst auch ein sakrales Werk - die "Messa di Gloria" für 80 Sängerinnen und Sänger und ein Orchester. Heute vor 100 Jahren starb der Komponist in Brüssel.
"Tosca" und "Madama Butterfly", "Le Villi", "Manon Lescaut", "La Rondine" und "Turandot" - Giacomo Puccinis Opern sind nicht nur weltberühmt, sondern handeln mehrheitlich von passioniert liebenden, aber zerbrechlichen und leidenden Frauenfiguren. Seine Kompositionen, voller Liebe, Lust und Leid, gehen dem Publikum noch heute ans Herz. Er komponierte seine Geschichten nach dem Motto "Für die Liebe stirbt, wer für sie lebt". Doch so voller Tragik war das Mastermind Puccini nicht immer. Ganz im Gegenteil: Im Jahr 1880 komponierte der 22-Jährige eine Messe für vier Stimmen mit Orchester.
Gute Laune im sakralen Umfeld
Zu jener Zeit besuchte er das Konservatorium in Lucca, seiner Geburtsstadt. Sein Vater war dort Leiter der Stadtkapelle, Organist am Dom und Komponist von Opern und Messen. Und auch sein Großvater und Urgroßvater waren Komponisten: Die Musikerdynastie der Puccinis stellte fast 200 Jahre lang die Musikdirektoren des Doms von San Martino in Lucca. Giacomo Puccini wuchs musikalisch also in der Kirche auf und war schon mit 15 Jahren Titularorganist in seiner toskanischen Heimatstadt. Die Uraufführung am 12. Juli 1880 seiner "Messa a 4 voci con orchestra" in Lucca war zwar ein voller Erfolg: Er begeisterte das Publikum mit einem lebensfrohen, mitreißenden und gut gelaunten Werk. Doch genau deshalb musste er auch Kritik einstecken: Es war einfach zu viel gute Laune für das sakrale Umfeld.
Wie Phoenix aus der Asche
Die Messe geriet in Vergessenheit. Puccini hat das vollständige Manuskript zu Lebzeiten nie veröffentlicht. Die Originalhandschrift gehörte der Familie Puccini. Sie wurde später von seiner Tochter an Ricordi, Puccinis Musikverlag, verschenkt. Mehr als 70 Jahre nach der Uraufführung tauchte die Messe 1952 wie Phoenix aus der Asche mit dem neuen Namen "Messa di Gloria" in Chicago wieder auf. Seither wurde sie nur selten aufgeführt, denn sie ist keine Oper - also für das Opernhaus ungeeignet - aber sie passt mit der voluminösen Besetzung aus 80 Sängerinnen und Sängern sowie einem Sinfonieorchester auch in keine Kirche.
Kein Budenzauber, aber lebensfroh und sinnlich
2023 im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg haben sich zwei Vokalensembles für eine bemerkenswerte Aufnahme zusammengetan - die Gaechinger Cantorey und der Dresdner Kammerchor. Verbunden sind sie durch den Dirigenten Hans-Christoph Rademann, der beide Ensembles leitet. Mit beiden Chören gemeinsam erfüllte er sich seinen Traum: die Puccini-Messe einstudieren, aufführen und aufnehmen. Unterstützt wurde das Projekt von den Stuttgarter Philharmonikern.
Am wichtigsten war dem Dirigenten eine schöne und klare, fließende und feine Klangauflösung. 80 Stimmen miteinander zu verschmelzen und ein Sinfonieorchester dazu zu kombinieren, ist nicht ganz einfach. Hinzukommt: "Natürlich muss man ein wenig Pathos reinbringen in die Interpretation. Dennoch wollte ich sie auch nicht wie einen großen Budenzauber gestalten und nur aufs Äußerliche setzen, sondern die Feinheiten der Messe herausarbeiten." Sie klingt sehr lebensfroh und sinnlich, üppig - doch sie erschlägt nicht.
Das kommt zum Teil daher, dass Puccini sich von der Rhythmik und Melodik der italienischen Volksmusik hat inspirieren lassen, was - angesichts des sakralen Kontextes - eben zu Kritik führte. Gleichzeitig trug und trägt dieser Gestus aber auch zum Erfolg dieser Messe bei. Außerdem, so erklärt Rademann, dürfe man das Wort-Ton-Verhältnis nicht ganz so eng sehen. Es steckt eben schon viel Oper in diesem frühen Werk Puccinis. Am 29. November jährt sich Giacomo Puccinis Todestag zum 100. Mal. Konsequenterweise zeigt ihn das Denkmal in Lucca mit Zigarette in der Hand: 1924 starb der Kettenraucher Puccini im Alter von 65 Jahren an Kehlkopfkrebs.
Die ganze Chormusiksendung zu Ehren Puccinis von Petra Rieß können Sie hier nachhören.