Von Reyle bis Koons: Wie funktionieren Künstlerwerkstätten?
Moderne Künstlerwerkstätten haben Konjunktur. Viele Projekte sind für einzelne Künstler oder Künstlerinnen oft zu groß und zu kostspielig. Zudem braucht es am Kunstmarkt einen regelmäßigen Ausstoß an neuen Arbeiten.
Olafur Eliasson lässt in der Tate London die Sonne untergehen, leitet grünes Wasser durch die Fondation Beyerle oder verwandelt Brückenpfeiler am East River in New York in spektakuläre Wasserfälle. Der Däne mag es gerne groß. Die Realisierung der Wasserfälle etwa kostete 15 Millionen Dollar. Allein kann man so etwas nicht organisieren. Schon gar nicht mehrere Projekte parallel. Doch genau das will der Künstler. Also gründete er in Berlin das "Studio Olafur Eliasson": "Ich wollte vermeiden, nur an einer Sache zu arbeiten. Seit fünf bis acht Jahren sind wir so etwa 90 Leute. Grob gesprochen gibt es drei große Teams: eins mit Kunsthandwerkern, eins ist ein Forscher- und Wissenschaftlerteam und ein Team umfasst Architekten."
Wie Olafur Eliasson geht es auch den Malern Anselm Reyle oder Tobias Rehberger oder dem Pop-Art-Künstler Jeff Koons: Je größer der Produktions-Ausstoß, desto besser. So entwickeln ihre "Kreativ-Teams" Ideen und Computersimulationen, übertragen die Entwürfe der Meister in zu kopierende Vorlagen, berechnen Technik, Statik und Effekte. Nach all dieser Fremd- und Teamarbeit stammen die Projekte am Ende - allein von Olafur Eliasson, oder Tobias Rehberger, oder Jeff Koons. Das ist nun mal so - solange der Kunstmarkt mitspielt.
Kunst am Fließband?
Schließlich, erklärt Jeff Koons im Sinne aller, ließe sich im Leben nur sehr wenig realisieren, wenn man für alles selbst verantwortlich wäre: "Dasselbe lässt sich von den klassischen Writer-Rooms aus Hollywood sagen, die es längst auch bei uns gibt. Je mehr Künstler und Künstlerinnen dort zusammensitzen und Ideen einbringen, desto schneller lässt sich daraus die nächste Folge einer Geldbringenden Serie kneten, für die immerhin mit dem Namen des Autorenteams gezeichnet wird."
Inbegriff der modernen Künstlerwerkstatt bilden die der Pop-Art-Künstler Damien Hirst, Takashi Murakami und Jeff Koons, der gerne auch mal ein Filmteam durch sein "Studio" führt. Dort heißt es: "Wie Andy Warhol hat auch Jeff Koons eine Art Fabrik, in der Maler wie am Fließband seine Vorgaben umsetzen. Dazu kommen Dutzende digitale Bildbearbeiter, Bildhauer und Kunsthandwerker, die rund um die Welt an der Produktion seiner komplexen Stücke beteiligt sind."
"Originale" von fremder Hand reproduziert
Renommierte Kunstzeitschriften wie The Art Newspaper oder die Internet-Zeitschrift artnet berichten immer wieder über diese großen Künstlerwerkstätten, in denen bis zu 300 Menschen arbeiten und die nichts sind als mittelständische Unternehmen, die nach kapitalistischem Muster funktionieren: Je nach Betriebslage werden Leute eingestellt oder entlassen. Koons und Murakami lassen 7 Tage die Woche 24 Stunden am Tag arbeiten. Murakamis Fabrik hat statt Fenster Tageslichtröhren. Wer aufmuckt, fliegt.
Noch machen Menschen, was demnächst die KI übernehmen wird: Unter Ausschaltung ihres Hirns übertragen sie die Computer-Entwürfe der Pop-Art-Meister Meister in Stein, Edelstahl oder auf Leinwand, produzieren Manga-Bilder, Farbpunktebilder und Balloon-Dogs in Endlosschleife. Das erstaunliche daran ist, dass es Künstlern, Kunstmarkt und Museen noch immer gelingt, die von fremder Hand reproduzierten Arbeiten als "Originale" zu verkaufen. Nur deshalb hält sich der Marktwert. So brachte ein Hase von Jeff Koons 91 Millionen Dollar, umgerechnet rund 81 Millionen Euro ein.
Veränderung der Welt mit Hilfe der Kunst
Es geht auch anders. Jenseits von Kunst als Spektakel und Spekulationsobjekt sind es vor allem Künstlerwerkstätten und -Kollektive aus Ländern der südlichen Erdhalbkugel, die tatsächlich gemeinschaftlich kreativ sind und Projekte entwickeln. Und die damit zeigen, was Kunst auch sein kann: Ein Mittel der Aufklärung und emanzipatorischen Selbstermächtigung. Zu ihnen gehört das kongolesische Künstlerkollektiv CAPTC, das aus ehemaligen Plantagenarbeitern und -arbeiterinnen besteht und sich in Filmen, Recherchen und Skulpturen mit den Folgen des Kolonialismus beschäftigt und nach von den Weißen zerstörten, eigenen Kultur forscht.
Für Dirk Luckow, den Leiter der Hamburger Deichtorhallen, sind solche Projekte die Kunst von Morgen. Denn diese Kunst, so Luckow, "stellt sich in den Dienst eines Prozesses. Sei es einer politischen Recherche, oder der Beschreibung problematischer Zustände in dieser Welt. Es geht um die Untersuchung. Es geht vor allem um das Engagement auch neben und mit der Kamera." Die Veränderung der Welt mit Hilfe von Kunst - größer kann die Wertschätzung ihr gegenüber nicht sein.