Alte DDR-Kunst wird in Sellin auf Rügen wiederbelebt
Ende der 1970er-Jahre war das heutige Cliff Hotel in Sellin auf Rügen ein Erholungsheim. Mit dabei auch "baubezogene Kunst" von Glaskünstler Reginald Richter. Nun sieht er sie nach 40 Jahren wieder. Ein Ortsbesuch.
Im Cliff Hotel Rügen geht Reginald Richter einen langen Flur entlang. Der Glasgestalter bleibt vor einem Fenster stehen und schaut nach draußen: blauer Himmel, Kiefernwald und ein großes Windspiel aus Metall mit sechs gebogenen Stahlarmen. Der 92-Jährige erinnert sich, wie es von Künstlerkollegen aufgestellt wurde - Ende der 1970er-Jahre: "Das letzte Mal war ich vor 40 Jahren hier, da sah alles noch ganz anders aus. Da war Baustelle. Und hinterher war für den Normalbürger, auch wenn er hier was gemacht hat, Zutritt verboten."
Auch die Künstler waren bei der Hotel-Einweihung damals nicht dabei. Reginald Richter hatte Schmuckelemente für Glastüren und -wände entworfen sowie eine tonnenschwere grüne Glasmuschel. Diese wurde in einer Spiegelwand eingearbeitet: "Ich bin selbst überrascht über die Dimensionen. Ich hatte das kleiner in Erinnerung. Ich hatte keine Zeichnung mehr davon und keine Aufnahmen. Ich bin überrascht, dass sie sich immer noch so schön erhalten hat und dass sie noch in der plastischen Gesamtwirkung noch einen guten Eindruck macht."
Reise in die Vergangenheit mit alter "Kunst am Bau"
Der Magdeburger war einer von mehreren Künstlern, die hier im Staatsauftrag am Bau des Erholungsheimes in den 1970er-Jahren mitgewirkt haben. Ein anderer Künstler war Gerd Lucke. Der Keramiker fertigte 1978 für das Schwimmbad eine etwa ein Meter hohe Raumplastik an. Sie stellt drei Seeanemonen dar, erzählt er: "Da waren wir vielleicht zehn Künstler. Die hatte der Architekt Tauscher eingeladen. Wir haben uns damit beschäftigt, wer was wo machen könnte. Dann hat jeder seinen Entwurf gemacht und wir haben uns wiedergetroffen - aber das Haus gab es noch nicht. So hatte jeder auch Zeit, das fertig zu machen."
Zwei von den ursprünglich drei Seeanemonen existieren heute noch im Hotel. Allerdings haben sie inzwischen einen neuen Anstrich bekommen. "Aber die Sockel, die dürfen nicht gestrichen werden. Die Farbe muss wieder runter", sagt Gerd Lucke, und der Hoteldirektor, Peter Schwarz, entgegnet: "Machen wir! Gleich morgen!". Denn die Sockel sind nun geweißt. Die Kunstwerke sind dem Hotelchef sehr wichtig. Der gebürtige Hesse leitet das Haus seit 16 Jahren: "Es war so, dass wir im Schwimmbad die Umkleideräume neu gefliest haben. Und was findet man unter Fliesen? Holzkunst! Längst verschollen geglaubte Holzkunst. Aber da lag es dann auch noch einmal zehn Jahre, weil niemand so richtig wusste, mich eingeschlossen, was damit anzufangen ist oder was das überhaupt ist."
Ausstellung mit vorhandenen Objekten in Vorbereitung
Der Hotelchef fand heraus, dass diese Skulpturen, zum Beispiel Frauen und Männer in Booten und mit Fischen, eine Art Raumteiler darstellten. Heute sind diese Objekte sehr wertvoll. Tanja Scheffler von der Technischen Uni Dresden hat sich mit dem Thema Kunst am Bau intensiv beschäftigt: "Bei großen Projekten war es normalerweise so, dass den Künstlern nicht konkret gesagt wurde, was sie an Kunstwerken anzufertigen haben, sondern es gab einfach nur ein Oberthema. Das Oberthema war aber hier so vage. Es waren maritime Motive gewünscht oder Themen, die einfach mit dem Ort zu tun haben, weil es direkt in den Dünen liegt."
Im Hotel in Sellin wird gerade eine Ausstellung mit allen noch vorhandenen Objekten vorbereitet. Auf Hinweisschildern sollen künftig Hotelgäste erfahren, welcher Künstler in den 1970er-Jahren diese Kunstwerke entworfen haben.