Aufgang im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin © Cordia Schlegelmilch Foto: BBR/Cordia Schlegelmilch

Ausstellung "70 Jahre Kunst am Bau": Kein sinnliches Vergnügen

Stand: 01.03.2024 12:20 Uhr

"70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland" heißt eine neue Sonderausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Sie setzt 1950 ein, als die Regierungen in beiden Ländern ein Programm zu Kunst am Bau umsetzten.

von Annette Schneider

Im Bonner Bundeskanzleramt glitzern Spiegelelemente an der Decke und draußen im Gras lagern zwei riesige abstrakte Figuren von Henry Moore. Im Staatsratsgebäude der DDR erzählt Walter Womacka mit farbig-leuchtendem Glas die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung als eine Geschichte des Klassenkampfes: Verfolgung, Widerstand - und die Hoffnung auf eine bessere, zu erkämpfende Zukunft.

Gleich die ersten Beispiele zeigen, dass die Vorstellungen von Kunst am Bau in West und Ost unterschiedlicher nicht sein konnten. Denn, so erklärt Ute Chibidziura, Referentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, in dessen Auftrag die Ausstellung entstand: "Kunst am Bau ist natürlich sehr stark Spiegel der Zeit und auch der jeweiligen Gesellschaft. Kunst am Bau verbindet nicht zuletzt Kunst, Architektur, Stadtentwicklung und Politik."

 

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Ausstellung mit viel zu eng gestellten Wandtafeln

Auch wenn die Ausstellung mit 40 doppelseitigen, viel zu eng gestellten Wandtafeln kein sinnliches Vergnügen bereitet, so stellt sie neben Baukunst im boomenden Berlin nach 1990 im ersten Teil zahlreiche Projekte vor, die bis dahin in Behörden, Ministerien, Bildungs- und Forschungseinrichtungen von DDR und BRD entstanden.

Schnell wird deutlich: Im Westen, schätzte man unpolitisch-Abstraktes und unverfänglich-Figürliches - in der DDR, wo eine neue, eine sozialistische Gesellschaft aufgebaut werden sollte, trugen Künstler gesellschaftliche Verantwortung. "Wo das Ziel eine volksnahe, realistische Darstellung war, um die Lesbarkeit zu ermöglichen und ein erzieherischer Anspruch dahinter stand, dass die Kunst dazu beitragen soll, einen neuen, sozialistischen Menschen zu befördern und alles im Rahmen des Erzieherischen dazu helfen sollte", so Ute Chibidziura.

Uhr des Münchner Hauptbahnhofes © Cordia Schlegelmilch Foto: BBR/Cordia Schlegelmilch
AUDIO: "70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland": Ausstellung in Hamburg (3 Min)

Kunst am Bau in der DDR war so vielfältig wie die Materialien

Meist griffen die Künstler die Funktion der Gebäude auf: Willi Sitte führte auf der Fassade der Parteihochschule der SED den Kampf um die Befreiung des Menschen von der Unterdrückung durch den Menschen vor Augen. Das Gebäude wurde 2013 abgerissen. Bernd Heller entwarf im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten einen Friedensfries zur Solidarität der Völker. Das Gebäude wurde 1996 abgerissen.

Ob programmatische Wandbilder in Betrieben, Tierfiguren für Kindergärten, Bunt-Dekoratives für die Wände von Plattenbauten oder Ferienheimen: Die Kunst am Bau war so vielfältig wie die Materialien, aus der sie entstand und die von Mosaiksteinchen bis zu Emaille reichten. "Das ist ja das Großartige der Kunst am Bau der DDR: Dass vielfach experimentiert wurde und neue Wege beschritten wurden - nicht zuletzt auch durch die Schwierigkeit, Material zu bekommen", erklärt die Referentin des Bundesamtes für Bauwesen.

Kulturverlust durch Abriss alter DDR-Gebäude

Doch 1990 hatte der Westen nichts Eiligeres zu tun, als zahlreiche dieser Bauwerke samt Kunst abzureißen. Die Erinnerung an eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus sollte vergessen gemacht werden. Nach dem Abriss des Palastes der Republik stand an einer Restwand das treffende Graffiti: "Die DDR hat es nie gegeben". Die Ausstellung sagt dazu nichts.

"Das alles ist eine Gemengelage, der wir uns stellen müssen", sagt Ute Chibidziura. "Aber ich glaube, das ist auch der Grund, dass zunehmend sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass wir hier einen enormen Kulturverlust erleiden, dass durch diesen Verlust uns viel verloren geht und dass das eine neue Bewusstwerdung mit sich gebracht hat."

Rechenzentrum in Potsdam von Abriss bedroht

Widerstand gegen den Abriss der eigenen Geschichte, der eigenen architektonischen und künstlerischen Leistungen gab es von Anfang an. Und noch immer sind einzigartige Bauten vom Abriss bedroht. Etwa das Rechenzentrum in Potsdam mit seinem berühmten18-teiligen Wandmosaik. Eines zeigt in waghalsiger Perspektive einen Kosmonauten, der außerhalb seiner Raumkapsel im Weltall schwebt. Er stört beim Wiederaufbau der Garnisonskirche.

 

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Ausstellung "70 Jahre Kunst am Bau": Kein sinnliches Vergnügen

40 doppelseitige und viel zu eng gestellten Wandtafeln zeigen die Baukunst, die in der DDR und der BRD entstanden sind.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz
20099 Hamburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 01.03.2024 | 16:20 Uhr

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