Kunstsammler Harald Falckenberg: Wem gehört die Kunst?
Die Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg zählt zu den renommiertesten privaten Kunstsammlungen in Europa. Aber gehört diese Kunst alleine Harald Falckenberg?
Die Sammlung Falckenbergs befindet sich in den denkmalgeschützten alten Fabrikhallen der Phoenix AG. Auf 6.000 Quadratmetern und vier Etagen werden mehr als 2.000 moderne sowie zeitgenössische Kunstwerke ausgestellt, darunter Malerei, Skulpturen und Rauminstallationen. Der Kunstsammler Harald Falckenberg legt bei seiner Sammlung Wert auf Provokation: "Was Schönes, Gutes, Wahres kommt bei mir nicht rein", sagt er.
Aber "Wem gehört die Kunst?" Die Frage ist groß. Harald Falckenberg ist Kunstsammler und sammelt vor allem deutsche und amerikanische Gegenwartskunst. Seine Sammlung zählt zu den wichtigsten privaten Sammlungen der Welt.
Herr Falckenberg: Eigentlich ist klar: Die Kunstwerke Ihrer Sammlung gehören erst einmal Ihnen, oder wie würden Sie die Frage beantworten: Wem gehört die Kunst?
Harald Falckenberg: Da geht es natürlich einmal um die Rechtslage. Uns ist klar, dass die Künstler Freiberufler sind, die ihre Werke entweder direkt bei mir, nicht direkt aber über Galerien verkaufen, zum Beispiel an Sammler oder auch eine Institution. Insofern sind die Erwerber, rein rechtlich, auch die Eigentümer dieser Arbeiten. Das war früher nicht ganz anders. Wenn wir mal auf Dürers Zeiten in die Renaissance zurückgehen, gab es die großen Werkstätten, die über hunderte Leute beschäftigten, aber die erhielten in erster Linie Auftragsarbeiten, insbesondere von der Kirche und von den Fürsten. Das hat sich seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts geändert: Nämlich, dass die Künstler selbst arbeiten, selbst etwas herstellen und auch selbst verkaufen. Das ist immer die rechtliche Lage.
Es gibt doch aber wahrscheinlich noch eine andere Antwort auf die Frage?
Falckenberg: Die andere Antwort steckt darin, was der Sammler mit seiner Sammlung eigentlich selbst erreichen will, und in welcher Weise er darüber verfügen will. Da gibt es natürlich die unterschiedlichsten Sammler. Man kann nicht von DEM Sammler sprechen. Es gibt zum Beispiel, gerade auch in heutiger Zeit, viele Spekulanten, weil Kunst ein Sachwert ist, die darauf spekulieren, dass der Markt steigt und sie dann durch den Verkauf innerhalb von ein oder zwei Jahren einen Gewinn machen können. Davon gibt es viele und das ist auch nicht illegal. Ich persönlich habe nicht diese Ansicht. Mir geht es darum, Künstler in ihrem Werk zu unterstützen und deswegen habe ich mir zur Aufgabe gemacht - wohlgemerkt auf eigene Kosten - diese Arbeiten öffentlich zu präsentieren. Ich habe dadurch eine Verantwortung übernommen. Seit 1997 mache ich regelmäßig drei bis vier Ausstellungen und zwar nicht nur mit Arbeiten der Künstler meiner Sammlung, sondern auch mit anderen im Vergleich dazu, um die Künstler auf diese Art und Weise zu fördern.
Die Preise sind etwa ab Anfang der 2000er-Jahre in grandiose Höhen gestiegen. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit gehabt?
Falckenberg: Es gab unterschiedliche Zeiten. Höchstpreise wurden in den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts gezahlt. Der Markt brach in den 1990er-Jahren zusammen und ist wieder gestiegen. Dafür waren bestimmte Mechanismen, insbesondere Marktmechanismen verantwortlich, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sind. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass sich große internationale Märkte durch die Kommunikation und durch das Internet gebildet haben, zum Beispiel auch durch die "Art Basel" und die "Art Cologne". In allen Teilen der Welt haben sich Dependancen dieser großen Ausstellungen gebildet und genauso treten auch die Auktionshäuser als größte Kunstvermittler in der Summe ihrer Ergebnisse überall in der Welt auf. Das führt dazu, dass man einen gewissen Weltmarkt hat und die Kunst, die verkauft werden soll, richtet sich dann auch nach den Möglichkeiten, die der Markt bietet.
Heißt das für Sie, dass Sie sich von bestimmten Künstlerinnen und Künstlern, an denen Sie eigentlich Interesse hätten, verabschieden mussten, um sich vielleicht auf andere zu konzentrieren?
Falckenberg: Das ist aus meiner Sicht nicht schlimm. Ich habe immer versucht, Arbeiten von Künstlern zu kaufen, die noch nicht hundertprozentig arriviert sind, also sich in der Anfangszeit befinden. Es ist klar, dass wenn sie erfolgreich sind, ich es mir überlegen muss. Und ich hatte in sehr vielen Positionen durchaus Glück, dass man die Arbeiten eigentlich nicht mehr kauft - ich zumindest nicht - es sei denn, es sind absolute Schlüsselwerke, die bei mir unbedingt in einen bestimmten Kontext hineingehören. Ich kann auch andere Kunst auswählen. Man ist nicht immer auf eine Arbeit fixiert, sondern es gibt immer mehrere Angebote. Ich bin nicht derjenige, der es jetzt unbedingt darauf anlegt, diese hohen Preise mitzubezahlen: Da ist der Markt, da ist der Wert und da müsste ich den Künstler vorher auch schon richtig eingeschätzt haben.
Müssten dann Museen noch stärker auf diese Sammler zugehen, die diese hohen Preise gezahlt haben, um tatsächlich die Kunst weiterhin der Öffentlichkeit zu präsentieren?
Falckenberg: Im Augenblick sind wir in einem Dilemma, auch schon seit längerer Zeit, aber jetzt besonders in der letzten Zeit, weil die öffentlichen Institutionen kaum Gelder für Ankäufe und auch für Ausstellungen haben. Das ist jetzt ein großes Dilemma, indem wir im Augenblick stecken. Nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in fast allen Ländern der Welt. Das bedeutet, dass große Ausstellungen eigentlich nur noch mit ganz großen Auktionshäusern und Messen, teilweise aber besonderer in Weise mit Auktionshäusern und den ganz großen Galerien wie "Gagosian" oder "David Zwirner" oder "Hauser und Wirth" zusammen gemacht werden können, die dann dieses Geld zur Verfügung stellen und damit für die Aufwertung von Arbeiten sorgen.
Kommt man irgendwie raus aus diesem Dilemma?
Falckenberg: Es ist so, dass wir natürlich hoffen, aber es geht auch um Nachhaltigkeit und CO2, Freiheit und alles Mögliche, was durch die öffentliche Hand zu erfüllen ist. Es gibt einen neuen Museumsbegriff, bei dem auch die ethische Einstellung eine Rolle spielt. Es müsste eigentlich etwas weniger gebaut werden. Es gibt immer noch riesige Bauziele, die in den nächsten Jahren erreicht werden sollen, mit enormen Folgekosten. Das hat insofern Auswirkungen, als für Ankäufe, Ausstellungen oder auch die Bezahlung der Mitarbeiter in den Institutionen nicht genug Geld da ist.
Das Gespräch führte Jan Wiedemann.