Immersive Ausstellungen wie "Monets Garten": Kunst oder Kitsch?

Stand: 16.03.2023 21:19 Uhr

In immersiven Ausstellungen wird Kunst von Publikumslieblingen wie Van Gogh, Klimt oder Hundertwasser mit Musik als digitale Show präsentiert - aktuell etwa in der Ausstellung "Monets Garten" in Hamburg. Ist das Kunst oder Kitsch?

von Yasemin Ergin

Ein Meer aus Seerosen lädt zum Eintauchen ein. In der Ausstellung "Monets Garten" kommt das Publikum dem Werk des Impressionisten so nah wie noch nie. Die Schau läuft aktuell mit großem Erfolg in Hamburg und war zeitweise weltweit in fünf Städten gleichzeitig zu sehen. Ob Monet, Van Gogh oder Frida Kahlo, die Superstars der Kunstgeschichte erwachen gerade überall digital zum Leben. Begehbare Kunst zum Anfassen, zum "Sich-Überwältigen-Lassen".

"Monets Garten" - "Aufgesetzt und bringt nichts Neues"

Der Künstler Mischa Kuball 2016 im Kunstmuseum Celle vor seiner Installation "Chicago" © picture alliance / dpa | Peter Steffen
Mischa Kuball bei einer Ausstellung im Kunstmuseum Celle vor seiner Installation "Chicago".

Der Megatrend gefällt aber nicht allen. "Das ist aufgesetzt und bringt nichts Neues. Es hat auch gar keinen historischen Bezug, weil es Konserven anzapft, die es schon gibt", sagt Mischa Kuball, Professor für Public Art an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Er ist Konzeptkünstler und entwickelt selbst immersive Lichtinstallationen. Die neuen Großausstellungen findet er ziemlich kitschig. "Es gibt das Bild von Frida Kahlo - jetzt mache ich das auf. Es gibt den Garten von Monet - jetzt mache ich den auf. Und das als Totalunternehmen: Da gehe ich doch ehrlich gesagt lieber in den Park."

Die Macher:innen der besagten Ausstellungen nehmen solche Kritik gelassen. Renaud Derbin leitet das Phoenix des Lumières. Ein neues Zentrum für digitale Kunst in Dortmund, das Anfang des Jahres eröffnet und prompt zum Publikumsmagneten wurde. "Die Tatsache, dass es viele Leute anzieht - egal von welcher Generation. Ist das kitschig?", fragt Derbin. Es sei doch schön, dass sich dadurch so viele Leute für Kunst interessieren. "Wenn ich Kleinkinder hier in der Halle laufen sehe, weil sie so ein Bild entdecken und das schön finden: Da sehe ich nur Poesie und Kunst dahinter."

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Besucherinnen betrachten die Ausstellung "Monets Garten" in Hamburg. © picture alliance/dpa | Georg Wendt

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Immersive Ausstellungen machen Kunst leichter zugänglich

Aktuell dreht sich im Phoenix des Lumières alles um die Wiener Secession: Eintauchen in die golddurchwirkten Werke Gustav Klimts. Ein kleiner Abstecher zu Egon Schiele. Sich treiben lassen durch die Fantasie-Welten Hundertwassers. Kunst als Erlebnis. Braucht man die echten Werke überhaupt noch? 

"Das ist ein Ort von Kunst der Gegenwart, aber das soll nicht dazu führen, dass man durch die Digitalisierung der Kunst irgendwie traditionelle Kulturzentren ersetzt", sagt Derbin. "Aus unserer Sicht ist das ein sehr guter Weg, um Leute zur Kunst zu bringen, die eben nicht unbedingt ins Museum gehen würden."

Neun solcher Zentren für immersive Ausstellungen betreibt das französische Unternehmen Culturespaces. 2024 soll in der Hamburger Hafencity ein weiterer Ableger, das Port des Lumières, eröffnen. Und Culturespaces ist nicht das einzige Unternehmen: Begehbare Kunst ist ein lukratives Geschäftsmodell.

Die "Aura des Originals" oder die "neue Vision"?

Besucher beobachten die Multimedia-Ausstellung mit Werken von Gustav Klimt im Phoenix des Lumieres in Dortmund. © Copyright 2023 The Associated Press. All rights reserved.
Bis Ende 2023 sind im Phoenix des Lumiéres noch immersive Kunstausstellungen zu Gustav Klimt und Friedensreich Hundertwasser zu sehen.

Wer sich lieber von der Aura des Originals verzaubern lassen will, ist in solchen Ausstellungen natürlich falsch. "Ich glaube, wenn man bestehende Kunstwerke nimmt und sie in Projektionen transformiert, wie technisch perfekt das auch immer sein mag, dann ersetzt es für mich nicht das Kunstwerk", sagt Mischa Kuball. "Ob es dann trotzdem Kunst ist, das müssen die Besucherinnen und Besucher selbst entscheiden."

Ob es den Künstlern von damals gefallen hätte, dass ihre Werke als digitale Show inszeniert werden? "Ich hoffe, dass diese Künstler begeistert wären, zu sehen, wie ihre Kunstwerke dargestellt werden", sagt Derbin. "Das waren auch Leute, die eine neue Vision hatten: Ich bin mir sicher, dass ein Gustav Klimt oder ein Friedensreich Hundertwasser davon begeistert wären."

Spektakel statt Information?

Den Macher*innen geht es um mundgerechte Vermittlung komplexer Inhalte. Kultur für alle - nicht weniger als die "Demokratisierung der Kunst". Das Unternehmen Culturespaces will die rund 80 Prozent der Bevölkerung erreichen, die nicht regelmäßig ins Museum gehen. Viel lernen über die Wiener Secession kann man in Dortmund allerdings nicht. Ein paar knappe Infotafeln sind, getrennt von der Kunst, in einem eigenen Raum versteckt.

Ein häufiger Kritikpunkt an Ausstellungen wie dieser, in denen klassische Kunst als Spektakel inszeniert wird. "Da würde ich sagen, wirft uns die Immersion erst mal wieder ein Stück zurück, weil du musst ja gar nicht wissen, du musst einfach nur wirken lassen", sagt Kuball. "Das wäre mir auf Dauer eben einfach nicht ausreichend und hinreichend."

Nicht nur die Werke alter Meister, sondern auch zeitgenössische auf diesen Raum zugeschnittene Kunst kann man bald im Digital Art Museum in Hamburg erleben, das nächstes eröffnen wird. Diese ist sogar wirkungsvoller als die altbekannte Kunst. Das Museum soll das größte seiner Art in Europa werden. Kitsch oder Kunst? Ansichtssache - in jedem Fall ein Megatrend.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 13.03.2023 | 22:45 Uhr

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