Ein typisches Werbeplakat im Jugendstil mit der Aufschrift "Cycle Arago" zeigt eine fahrradfahrende Frau. © Museumsberg Flensburg
Ein typisches Werbeplakat im Jugendstil mit der Aufschrift "Cycle Arago" zeigt eine fahrradfahrende Frau. © Museumsberg Flensburg
Ein typisches Werbeplakat im Jugendstil mit der Aufschrift "Cycle Arago" zeigt eine fahrradfahrende Frau. © Museumsberg Flensburg
AUDIO: "Göttinnen des Jugenstils": Das Frauenbild um 1900 (4 Min)

"Göttinnen des Jugendstils": Das Frauenbild um 1900

Stand: 31.03.2023 12:05 Uhr

Ob mächtige Göttin, schreckliches Fabelwesen oder adrett gekleidete Werbeikone - eines der wichtigsten Motive im Jugendstil ist die Frau. Genau dieses Frauenbild steht im Zentrum der Ausstellung, die nun im Braunschweigischen Landesmuseum zu sehen ist.

von Lydia Callies

Europa um 1900: Die Gesellschaft ist im Umbruch und das zeigt sich auch in einem neuen Frauenbild - und an Bildern von Frauen, erklärt die Direktorin des Braunschweigischen Landesmuseums Heike Pöppelmann: "In der Hochindustrialisierung entsteht die Massengesellschaft und Massenkonsum und dafür braucht man Werbung, wenn man Produkte verkaufen will. Die fotomechanische Reproduktion - farbig - modernisiert sich und das heißt, man kann Plakate in Masse drucken, aufhängen und werben. Und wer ist diejenige, die darauf wirbt? Die Frau!"

Ambivalentes Frauenbild: Feen oder Furien

Die Ausstellung "Göttinnen des Jugendstils" ist im ehemaligen Kloster St. Aegidien untergebracht. 150 Objekte zeigen die Ambivalenz des Jugendstils, darunter die bekannte Büste von Alfons Muchas "La Nature", die er für die Pariser Weltausstellung 1900 schuf. Sie zeigt eine Frau als heidnische Göttin mit überpointiertem wallendem Haar, glänzendem Gesicht und Diadem, ein wiederkehrendes Muster im Jugendstil. Zudem zeigen viele Plakate, wie die Frau als kommerzielle Werbeikone genutzt wurde - sie rauchen oder fahren Auto. "Die Frauen, die sie sehen, sind in der Regel jung oder Furien, Männer müssen sich vor ihnen fürchten", erklärt Pöppelmann. "Das ist eine sehr ambivalente Zeit und die meisten Darstellungen, die sie hier sehen, sind von Männern gemacht. It's a men's world, das muss man nach wie vor sagen."

Doch die Frauen, vor allem aus dem Bürgertum, emanzipieren sich. Die Ausstellung setzt die Werke in den sozialhistorischen Kontext und zeigt die Lebensumstände der Frauen. Große Wandbilder in rot, grün, gelb und blau liefern dem Besucher unterschiedliche Perspektiven auf das Weibliche um 1900 - vor allem unterstützt durch schlaglichtartige Fotos und kurze Texte. "Für die meisten gilt noch 3K - Küche, Kinder, Kirche", fasst Pöppelmann zusammen. "Das verändert sich. Es gibt Frauen, die das volle Bürgerrecht und wählen wollen. Man will mehr Freiheiten haben, man will arbeiten gehen, man will Zugang zu Bildung haben."

Künstlerinnen in der Vergangenheit kaum beachtet

Neben bekannten Künstlerinnen wie Sarah Bernhardt, Schauspielerin und Weltstar, die sich auf Werbeplakaten sowohl als femme fatale als auch als feenhafte Frau darzustellen wusste, präsentiert die Ausstellung auch weniger bekannte Jugendstilkünstlerinnen mit ihren Lebenswegen und ihrer Kunst. Das ist Pöppelmann sehr wichtig: "Künstlerinnen, wie sie hier sehen, sind nicht in den Kanon der Kunstgeschichte eingezogen. Wer kennt schon Julie Wolfthron? Eine um 1900 bekannte Berliner Künstlerin, die starke Frauenportraits gefertigt hat - sie taucht in Museen in der Regel nicht auf, sondern nur in Privatsammlungen. Jetzt wird sie langsam wiederentdeckt. Man weitet den Blick in der Kunstgeschichte auf Leistungen der Frauen, aber das ist sehr mühselig, weil man sie viele Jahre nicht beachtet hat."

Die Sonderausstellung ist eine Kooperation mit dem Landesmuseum Karlsruhe und dem Allard Pierson Museum in Amsterdam. Das Braunschweigische Landesmuseum hat vor allem Alltagsgegenstände um 1900 beigesteuert, darunter etwa ein Nachttopf, eine Suppenkelle oder eines der wenigen Damenräder aus dem späten 19. Jahrhundert, die es noch gibt. Das größte Objekt ist ein begehbarer Original-Windfang aus einem Fotoatelier in Wolfenbüttel: Auf der fast vier Meter hohen Holzvertäfelung sind zwei moderne Frauen mit luftigen Kleidern und Pflanzen mit weichen Schwüngen zu sehen. Den Bezug zu heute schafft die Ausstellung durch Mitmachstationen. Man kann zum Beispiel Fragen zu Konsumverhalten oder Gleichberechtigung beantworten oder tippt auf dem Bildschirm aktuelle Statements einer Bundesverfassungsrichterin oder der Genderforscherin Stevie Schmiedel an.

"Mit diesem Beginn der Werbung wurde etwas geschaffen, was sich bis heute nicht geändert hat", erläutert Pöppelmann die Aktualität des Themas. "Wir zeigen Frauen Ideale, die sie erreichen sollen und aber auch wollen - Werbung ist immer Henne und Ei, Spiegel der Gesellschaft und Produzentin des Selbstbildes, was wir haben." Die Ausstellung bewegt, regt an und will vor allem Bezüge zu heute setzen. Ertragen wir noch Darstellungen von Furien und Feen? Wie viel konsumieren wir? Die sozialen Auswirkungen der Jugendstilepoche und die Folgen für die Stellung der Frau sind noch heute spürbar.

Weitere Informationen
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Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Museum Hinter Aegidien
Hinter Ägidien
38100 Braunschweig
Telefon:
0531 1225 2424
E-Mail:
buchung.blm@3landesmuseen.de
Öffnungszeiten:
Di-So von 11 bis 18 Uhr
Hinweis:
Erwachsene 8 Euro | ermäßigt 6 Euro | Kinder (6-17 Jahre) 4 Euro | Familienkarte ab 12 Euro
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 31.03.2023 | 06:40 Uhr

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