Antisemitismus auf der documenta: "Ignoranz und Verharmlosung"
Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Künstlerkollektiv Ruangrupa haben die letztjährige documenta überschattet. Der Aufsichtsrat der documenta hat am Montag den Abschlussbericht eines Expertengremiums vorgelegt.
Nach Ansicht des Gremiums besteht demnach Einigkeit darüber, dass vier Werke der Schau auf "antisemitische visuelle Codes verweisen oder Aussagen transportieren, die als antisemitisch interpretiert werden können beziehungsweise interpretiert werden müssen." Die Vorwürfe seien weder überraschend gekommen, noch habe sich die Leitung der Kunstschau damit angemessen auseinandergesetzt. Bereits vor der documenta waren erste Stimmen laut geworden, die Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen.
Die zögerliche Reaktion der Verantwortlichen auf die Antisemitismus-Vorfälle sei für die jüdische Community verstörend gewesen, heißt es in dem Bericht. Wortwörtlich steht in dem Bericht: "Die Auseinandersetzung mit Antisemitismusvorwürfen und Antisemitismus auf der documenta fifteen war über weite Strecken von Ignoranz, Verharmlosung und Abwehr geprägt."
Expertengremium sieht strukturelle Organisationsprobleme
Das Experten-Gremium führt die Vorfälle auf strukturelle Schwächen zurück. Es habe an klaren Verantwortungsstrukturen und an Verfahren der Konfliktbearbeitung gefehlt, heißt es in dem Bericht der sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von den Gesellschaftern der documenta, der Stadt Kassel und dem Land Hessen zur fachwissenschaftlichen Analyse berufen worden sind. Das Konzept der Dezentralisierung und der Machtabgabe, mit dem das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa angetreten sei, habe keine organisatorische Entsprechung gefunden.
Konkrete Vorschläge zur Veränderung
In dem Bericht werden mehrere Maßnahmen für die zukünftige Organisationsstruktur der documenta vorgeschlagen. Die Rolle der Geschäftsführung müsse gestärkt und geklärt werden, wie sie sich Aufgaben mit der Künstlerischen Leitung aufteilt. Beschwerden sollten in Zukunft so bearbeitet werden, dass "eine frühzeitige und professionelle Bearbeitung von Konflikten" möglich werde. Zudem müsse man sich auf "Definitionen für und Standards des Umgangs mit Antisemitismus und anderen Formen der Diskriminierung" einigen. Die Kulturstiftung des Bundes solle ihre Sitze im Aufsichtsgremium wieder wahrnehmen, denn dem fehle momentan eine gesamtgesellschaftliche Perspektive. Nach der documenta 2018 hatte die Stiftung auf die ihr zustehenden Sitze verzichtet.
Mit Informationen von Vanessa Wohlrath.