Schauspieler Tom Cruise wird im Stadion während der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Paris abgeseilt. © Michael Kappeler/dpa Foto: Michael Kappeler
Schauspieler Tom Cruise wird im Stadion während der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Paris abgeseilt. © Michael Kappeler/dpa Foto: Michael Kappeler
Schauspieler Tom Cruise wird im Stadion während der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Paris abgeseilt. © Michael Kappeler/dpa Foto: Michael Kappeler
AUDIO: Abschlussfeier: Paris holt den "Zauberkasten des Barocktheaters" raus (8 Min)

Paris holt den "Zauberkasten des Barocktheaters" für Olympia heraus

Stand: 12.08.2024 14:38 Uhr

Am Sonntag sind die Olympischen Spiele 2024 spektakulär mit einer furiosen Abschlussshow mit Tom Cruise, Billie Eilish, den Red Hot Chili Peppers und Rapper Snoop Dogg zu Ende gegangen. Für den Hamburger Theatermacher Michael Batz war das "ganz großes Kino".

Michael Batz hat zur Fußball-WM 2006 in Deutschland mit seinen Lichtinstallationen der Blue Goals in Hamburg weltweit für Aufsehen gesorgt. Im Interview mit NDR Kultur spricht er darüber, wie gelungen und gegenwärtig die Planenden in Paris die Metropole, die Teilnehmenden und die französische Kultur in Szene gesetzt haben - und wie wohl Hamburg im Vergleich dazu abgeschnitten hätte. Die Stadt Hamburg hatte sich ebenfalls ursprünglich auf die Austragung der Olympischen Spiele 2024 beworben. Er betont auch die Notwendigkeit von Mythen und Bildern in der Gesellschaft, um "die Welt noch begreifbar und verständlich zu machen."

Herr Batz, Sie haben sich das Olympia-Finale angeschaut - ist der Euphorie-Funke auf Sie übergesprungen?

Michael Batz: Der Funke ist schon übergesprungen, weil es einfach so dicht war, so intensiv und auch so treibend in der Bildfolge, dass man sich dem nicht entziehen konnte. Das war schon ganz großes Kino. Das war der Griff in den ganz großen Zauberkasten.

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Wofür ist das gedacht? Es sind 70.000 Menschen im Stadion, die was wollen, aber deutlich mehr noch, die es im Fernsehen verfolgen.

Batz: Es ging vor allen Dingen um die Inszenierung von Inszenierungen. Als Zuschauer hatte man ein großes Privileg: Das Ganze war eigentlich ein neobarockes Theater. Die Fürsten hatten damals das Privileg der Perspektive, alles sehen zu können, und genau das hat heute jeder Zuschauer und jede Zuschauerin über die Medien. Insofern konnte man sich dem nicht entziehen. Es hat seine eigene Logik und seinen eigenen Bildzwang entfaltet. Mir ging es genauso.

Inwieweit muss da immer eine Geschichte erzählt werden? Es beginnt meistens mit dem großen Bild der Welt oder in diesem Fall mit einem Menschen, der aus der Zukunft kommt. Inwieweit macht man sich da als Regisseur Gedanken, was ikonisch werden könnte oder was die Geschichte ist?

Batz: Es geht immer um Bilder, um die großen Gefühle und eigentlich um die Mythen. Bilder erzählen ja Mythen, und wir alle brauchen Mythen, wir sind drauf angewiesen, und wir wollen das auch, wir haben ein Bedürfnis danach, weil die Mythen die eigentliche Erzählform sind, die Welt überhaupt noch begreifbar und verständlich zu machen.

Der Regisseur, der aus der Oper kam, hat das virtuos und brillant gemacht und die Stadt Paris als Bühne inszeniert. Paris ist sowieso eine Bühne und ein Repräsentationsort schlechthin. Und die Bilder, die dadurch entstanden sind, dass er diesen Ort so benutzt hat, haben auch gleichzeitig die Geschichte erzählt. Geschichte und Bild gehören zusammen und bedingen sich gegenseitig - und das ist hervorragend gelungen.

Es hätte auch Hamburg sein können, wenn nicht eine kleine Mehrheit sich dagegen entschieden hätte. Spielen solche Gedanken auch eine Rolle: Wie wäre Hamburg 2024 gewesen?

Batz: Es stellt sich zunächst einmal die Frage nach der poetischen Kompetenz von Hamburg. Was wäre hier an Bildern überhaupt darstellbar, und was wäre zu erzählen? Ich kann mich bei der damaligen Olympia-Bewerbung gut erinnern, dass ich so ziemlich der einzige war, der gefragt hat: "Was ist denn euer Kulturprogramm? Was ist eigentlich eure kulturelle Idee?" Es geht nicht nur darum, die Zahl der Sportstätten, der Übernachtungsmöglichkeiten und der Verkehrsanbindungen bereitzustellen, sondern was will eigentlich die Stadt erzählen? Damals wurde ich etwas mitleidig angeschaut, aber spätestens jetzt ist der Gedanke doch allgemein angekommen.

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Wie hoch ist die Messlatte für Los Angeles in vier Jahren gesetzt? Wie groß sind die Spielräume zu sagen: "Wir machen jetzt etwas ganz anderes?"

Batz: Die Messlatte ist extrem hoch angesetzt, aber man sollte nicht den Fehler machen, immer größer, weiter, schneller zu werden, sondern man sollte dieses poetische Moment, das identifikatorische Moment weiter suchen. Wer sind wir eigentlich? Was ist das für eine Welt?

Was für eine Funktion haben die Spiele in einer Welt der Kriege, der Unruhen, des Umbruchs? Die Story muss stimmen, Und wenn sich die Story in vier Jahren weiterentwickeln kann - wer weiß, was bis dahin alles passiert -, dann gebe ich dem eine große Chance. Aber wenn es nur darum geht, Leistungssport zu betreiben, auch in visueller Hinsicht, dann hat der Gedanke keine Zukunft.

Man hatte bei der Zeremonie den Eindruck, dass sich die Athletinnen und Athleten bei dieser Schlussfeier eingebunden fühlen. Ist es auch wichtig zu sagen, dass die Menschen, die Sport betrieben haben, auch dabei sein und Teil des Ganzen sein sollen?

Batz: Absolut. Es geht nicht darum, dass die Welten nebeneinander koexistieren. Wir haben nicht die Welt der Künstler und Artisten, die Show-Welt und die Sport-Welt, sondern alles gehört zusammen, wir sind in einer Welt.

Das war bemerkenswert in der Geschichte, dass es immer auf die Einigkeit abgehoben hat: "Nous sommes unis" - "Wir sind einig". Egal, was wir machen, was unsere Profession ist, welche Hautfarbe wir haben, was wir sonst tun - wir sind in einer Welt. Das ist eine bemerkenswerte Aussage gewesen. Das ist olympischer Spirit, und das ist hervorragend gelungen.

Überlegen Sie bei der Übertragung immer: Wie wird das gemacht, wie wird das technisch umgesetzt? Oder können Sie auch die Fantasie genießen und ins Träumen kommen?

Batz: Da bin ich ein bisschen vorbelastet, der technische Blick ist immer dabei. Es ist der alte Zauberkasten des Barocktheaters, der hier in die Moderne übersetzt worden ist. Die Instrumente sind neu, aber die Ideen sind nicht so neu.

Das ist der Maschinenraum des französischen Barocktheaters, da kommt der Deus ex Machina von oben heruntergeschwebt, da kommen Figuren aus dem Bühnenraum, und da wird vor allen Dingen der Perspektivwechsel der Kulissen virtuos angewendet. Vertikale Instrumente werden zu horizontalen, der Eiffelturm ist plötzlich als Bühne horizontal flachgelegt, und Tänzer schweben an den Gerüsten. Das ist alles von der Idee nicht neu, aber wie es umgesetzt worden ist, wie es interpretiert worden ist mit Hightech, mit LED-Lichtshows - das ist sehr gegenwärtig. Das passte wunderbar zusammen.

Das Interview führte Philipp Schmid.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 12.08.2024 | 16:45 Uhr

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