Sechs Personen stehen auf einer kleinen viereckigen schwarzen Bühne. Der Blick ist von oben nach unten. © Agnes Bührig / NDR Foto: Agnes Bührig / NDR
Sechs Personen stehen auf einer kleinen viereckigen schwarzen Bühne. Der Blick ist von oben nach unten. © Agnes Bührig / NDR Foto: Agnes Bührig / NDR
Sechs Personen stehen auf einer kleinen viereckigen schwarzen Bühne. Der Blick ist von oben nach unten. © Agnes Bührig / NDR Foto: Agnes Bührig / NDR
AUDIO: Stimmen junger deutsch-jüdischer Literatur nach Angriff der Hamas (3 Min)

Deutsch-jüdische Schriftsteller in einer bitter-blutigen Welt

Stand: 05.12.2023 11:36 Uhr

Wie lässt sich das Entsetzen über den Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 in Worte fassen? Deutsch-jüdische Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Schauspielhaus Hannover setzen ein Zeichen gegen Antisemitismus.

von Agnes Bührig

Was ist die größte Klage? Die größte Klage ist meine Klage. Die größte Klage ist die Klage eines Fremden. Die größte Klage ist die Klage einer Mutter.

Ein Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete im Judentum, mit einem Text von heute. Alexander Estis ist 1986 in eine jüdische Familie in Moskau geboren und hat sich am 3. November in der Tageszeitung Neues Deutschland darüber Gedanken gemacht. Virtuos begleitet von Mandolinenspieler Alon Sariel fragt er weiter, wen oder was er beklagen soll und: Was ist das beste Gebet? Die Berlinerin Dana Vowinckel hingegen fragte in der Wochenzeitung Die Zeit: "Leute, wo seid ihr", gelesen von Schauspielerin Johanna Bantzer.

Und ich stehe am Freitag nach dem Pogrom im Garten meiner Synagoge. Es stehen etwa 1.000 Menschen vor der Synagoge. Die meisten zum Schutz, einige scheinbar, um mal einen echten Juden zu sehen. Jedenfalls lässt ein Vater ein Kind am Zaun hochklettern, damit es eine bessere Sicht hat. Und manche fotografieren uns durch besagten Zaun, der ja aus einem Grund ein Zaun ist.  

Ziel: Teilhabe an Lebenswirklickeit von Jüdinnen und Juden

Kaddisch und Kundgebung, die Frage, wieso niemand in Deutschland das Wort Jude aussprechen kann und wie jüdisch eigentlich die Familie ist, aus der man selbst kommt, das sind Themen in den Texten von Slata Roschal, Dana von Suffrin und Lea Streisand. An Lebenswirklickeit von Jüdinnen und Juden in Deutschland teilzuhaben, ist ein Ziel der Lesung, sagt Kathrin Dittmer, Leiterin des Literaturhauses Hannover. "Ich bin der Überzeugung, dass das geschriebene Wort, das vorgelesen und ausgesprochen wird, Denkräume öffnet und auch Reflexionsräume bietet, dass man Dinge miteinander teilt. Außerdem geht es auch darum, viele Stimmen zu hören."

Das Grauen wird durch die Texte spürbar

Sechs junge jüdische Autoren, drei Schauspielerinnen und die wehmütig klagende Mandoline - wie ein Mosaik setzt sich jüdischer Alltag an diesem Abend im Schauspiel Hannover aus den Texten zusammen. Das Grauen taucht dabei oft indirekt auf. Zum Beispiel wenn der in Kiew geborene Dimitrij Kapitelman arabischen Antisemitismus über das Verteilen süßen Gebäcks zur Feier des Hamas-Angriffs in Berlin thematisiert - gelesen von Leni Karrer.

Was denken eigentlich die arabischen Baclava-Bäcker, Süßigkeitenverkäufer und Konditoren der Sonnenallee? Was fühlen sie, wenn ihre Baclava symbolisch über Leichen geschmatzt wird? Träumen sogar sie, die doch den denkbar süßesten Beruf gewählt haben, von einer bitter-blutigen Welt? 

 

Weitere Informationen
Ein Teilnehmerin einer Kundgebung zur Solidarität mit Israel steht auf dem Julius-Mosen-Platz im Stadtzentrum von Oldenburg, auf ihrem Rücken eine Israel-Fahne. © picture alliance / Hauke-Christian Dittrich

Jüdisches Leben in Norddeutschland wird zunehmend bedroht

Einen Monat nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober ist das Leben der norddeutschen Jüdinnen und Juden nicht mehr wie vorher. mehr

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (l.) und Carsten Ovens von ELNET stehen vor der "Fragemauer" auf der Fragen zu Israel und dem Judentum stehen. © NDR Foto: Jörn Straehler-Pohl

Kampagne gegen Antisemitismus in Hamburg vorgestellt

Ab sofort hängen in Hamburg und vielen anderen deutschen Städten Motive der Kampagne "Fragemauer", die über jüdisches Leben aufklären sollen. mehr

Ein Teilnehmer einer pro-Israel-Kundgebung trägt eine Kippa mit Davidsstern. © picture alliance/dpa | Hannes P Albert Foto: Hannes P Albert

Jüdisches Leben bekommt Verfassungsrang in Schleswig-Holstein

Fälle von Antisemitismus nehmen in Schleswig-Holstein zu. Der Schutz jüdischen Lebens soll nun in der Landesverfassung verankert werden. mehr

Die Israelische und Schleswig-Holsteinische Flagge stehen nebeneinander hinter einer Glaswand im Landtag. © NDR Foto: Anna Grusnick

Antisemitismus: Landtagsfraktionen fordern Bildungsoffensive

In einem gemeinsamen Antrag schlagen CDU, Grüne, SPD, FDP und SSW einen 10-Punkte-Plan vor, um jüdisches Leben in SH zu schützen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 05.12.2023 | 06:50 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Soziales Engagement

Lyrik

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Die Schauspielerin Katharina Thalbach sitzt auf einem Sofa. © Screenshot

Katharina Thalbach mit "Ein Wintermärchen" wieder in der Elphi

"Ein Wintermärchen" mit Katharina Thalbach in der Elbphilharmonie ist fast ein Klassiker. Heute ist die erste von neun Aufführungen. mehr