"Das Wenige und das Wesentliche": Gegen den Konsum-Sisyphos
Kampf gegen die Konsummühle: In seinem neuem Buch "Das Wenige und das Wesentliche" setzt John von Düffel die Figur des modernen Asketen gegen den "Kreislauf des Mehr-Wollens".
Die Gedanken, die John von Düffel umtreiben, haben mit der sich rasant verändernden Welt zu tun. Den Klimawandel hat er schon in seinen beiden vergangenen Romanen verarbeitet. Um Erderwärmung, Umweltverschmutzung und daraus resultierende Familienkonflikte ging es in John von Düffels letztem Roman "Die Wütenden und die Schuldigen". In seinem vorletzten Roman "Der brennende See" erzählte er eine Familiengeschichte vor dem Hintergrund einer ökologischen Katastrophe. Im neuen Buch "Das Wenige und das Wesentliche. Ein Stundenbuch" geht John von Düffel formal wie inhaltlich einen Schritt weiter.
Stundenbuch: John von Düffel greift auf ungewöhnliche Form zurück
Das Stundenbuch entstammt der katholischen Liturgie und diente Laien wie Klerikern ursprünglich als Gebets- und Andachtsbuch. "Ich hatte das Gefühl, dass die Romanform den Gedanken, die mich bewegen, immer weniger gerecht wird, dass es vielleicht auch nicht so ohne Weiteres mit einer fiktionalen Handlung in Deckung zu bringen ist", begründet John von Düffel, warum er auf diese Form zurückgreift. Die literarische Weiterbearbeitung verlangte nach einer puren Sprache, einer fließenden Form. "Mir hat gefallen, dass die Form maximal ehrlich ist, weil jeder Gedanke auf jeder Zeile überprüfbar ist - wie eine Art Gedankengedicht", sagt der Autor. "Das ist anders als ein philosophischer Essay, weil jeder Gedanke auf der lyrischen Goldwaage liegt. Deswegen ist das für mich die klarste Überprüfung dieser Gedanken gewesen."
Der Sisyphos-Kreislauf des Konsums
Der Gedankenfluss beginnt um 5 Uhr morgens. Am Neujahrstag sitzt der Erzähler in der Abgeschiedenheit einer einfachen Herberge in der norditalienischen Bergwelt. In diesem mönchisch-kargen Raum kann er sich ganz dem einem großen Gedanken hingeben: was eigentlich das Wesentliche im Leben sei.
Das Wenige
Ist die Methode
Um das Wesentliche zu erkennen
Wenn das Wenige dem Wesentlichen entspricht
Ist das Glück
Buchzitat "Das Wenige und das Eigentliche"
John von Düffel fokussiert sich weiter auf die Frage "Wie lebe ich richtig?" und seziert das Sein in einer Welt, in der die digitalen Möglichkeiten dem großen Konsumrausch Tür und Tor noch weiter geöffnet haben
Die Raum- und Körperlosigkeit des Digitalen
Schafft eine märchenhaft infantile Welt
Eine Welt ohne Wege
Ich sehe etwas, wünsche es mir
Und schon geht es in Erfüllung
Ich muss nirgendwohin
Das Produkt kommt zu mir"
Buchzitat "Das Wenige und das Eigentliche"
Für den Sisyphos des Konsums werde die Verheißung immer neu entfacht. Der Stein, hier Sinnbild für unsere materiellen Wünsche, muss immer wieder nach oben gerollt werden. "Wir investieren unheimlich viel Kraft, Ehrgeiz darin, uns gewisse Träume zu erfüllen. Und immer, wenn er zum Greifen nahe scheint, zerrinnt er - und wir werden für das nächste Konsumprojekt eingespannt", sagt John von Düffel. "In dieser Konsummühle, die niemanden glücklich macht, sondern nur Überkonsum produziert, stecken wir."
"Das Wenige und das Wesentliche": Moderne Askese
Gegen den Konsum-Sisyphos setzt John von Düffel die Figur des modernen Asketen, den "Asketen der Zukunft", der sich aus diesen Mechanismen befreien kann. Weil aber ein "Weniger" in unserer schnöde-schönen Warenwelt nicht vorgesehen ist, bedarf es der eigenen Willenskraft. "Das Wesentliche und das Wenige" ist eine Innenschau. Aber eine, in der sich der Erzähler in Beziehung zur Außenwelt setzt. Und in der "Zehnten Stunde" den Scheinwerfer der Erkenntnis auch auf die Endlichkeit des Lebens richtet.
Würde ich anders gehen
Wenn ich wüsste, wie viele Schritte
Und Wege noch vor mir liegen
Würde ich anders leben
Wenn ich wüsste, wieviele Tage
Oder Jahre mir bleiben
Was würde ich tun, wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht
Oder dass sie schon gestern untergegangen ist
Buchzitat "Das Wenige und das Wesentliche"
Lesend gehen wir mit John von Düffel durch die Landschaft, erklimmen mit ihm eine Anhöhe, rasten, beginnen den Abstieg. Und man wird schnell zum Komplizen dieser Lebenserzählung, die uns unnachgiebig mit den wichtigen Fragen unserer Existenz konfrontiert. John von Düffel gibt aber keine apodiktischen Antworten, sondern ermuntert zum Nachdenken und versorgt uns mit nahrhaften Aphorismen.
Es gibt kein richtiges Leben im Falschen
Doch es gibt im Falschen eine richtige Richtung
Buchzitat "Das Wenige und das Wesentliche"
Dieses Stundenbuch ist eine Einladung zur kontemplativen Wanderschaft, Wegzehrung für Seele und Geist und ein sehr persönliches Bekenntnis des Autors. "Die Hoffnung wäre, dass man genauso persönlich auf diese Gedanken reagiert und nicht das Gefühl hat, es ist ein Sachbuch, nach dem Motto 'Wie lebe ich richtig?', sondern es ist ein Gedankenanstoß, eine Art Frage an die Welt", sagt John von Düffel.
Das Wenige und das Wesentliche
- Seitenzahl:
- 160 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- DuMont
- Veröffentlichungsdatum:
- 15.11.2022
- Bestellnummer:
- ISBN 978-3-8321-8220-5
- Preis:
- 23 €