Sie schwindeln, schummeln und spotten - Hochstapler in der Literatur
In Büchern lieben wir die Hochstapler. Sie betrügen zu ihrem eigenen Vorteil, gaunern und verhöhnen ihre Opfer, aber trotzdem faszinieren sie. Auch die Literaturredaktion von NDR Kultur ist angetan.
Karl Mays flexible Wahrheiten
von Maren Ahring
Wegen Amtsanmaßung zu Zuchthaus verurteilt, wegen Hochstapelei steckbrieflich gesucht - mal gab sich dieser berühmte Autor als Sohn eines reichen Plantagenbesitzers von der Insel Martinique aus, mal behauptete er, 1.200 Sprachen zu beherrschen. Karl May nahm es mit der Wahrheit nicht immer so genau. Trotzdem oder gerade deshalb schaffte er es, einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller zu werden. Egal, was man von seinen Büchern aus heutiger Sicht hält, tatsächlich steigerte sich Karl May immer mehr in seine Reiseroman-Helden hinein und hielt sich schließlich selbst für Old Shatterhand. Rückendeckung bekam er dabei übrigens von seinen Redakteuren und Verlegern. Die Biografie von Karl May, zwischen Lügen, Gaunereien und Hochstapelei, zwischen wildem Westen, Orient und Radebeul ist einfach unglaublich. Die besten Geschichten schreibt manchmal eben doch das Leben selbst, stellt die Kulturredakteurin Maren Ahring fest.
Friedrich Bender: Arbeit vermeiden als Grundprinzip
von Alexander Solloch
Friedrich Benders Leben als Hochstapler beginnt im Schwimmbad. Der kleine Junge kann überhaupt nicht schwimmen und springt trotzdem ins tiefe, kalte Wasser, weil er einfach mal wissen will, was passiert. Unerklärlicherweise ertrinkt er nicht. Er ist selbst ganz erstaunt, zeigt es aber nicht. Darum also geht es: so tun, als ob und sich dabei nichts anmerken lassen. Dann gelingt jede Hochstapelei. So entwickelt Bender im Laufe der Jahre sein Grundprinzip: Arbeit vermeiden, aber zu Anerkennung und vor allem Reichtum gelangen, indem harte Arbeit vorgetäuscht wird. "Kaltes Wasser" heißt dieser fabelhafte Schelmenroman von Jakob Hein, der uns das Hochstapeln richtig schmackhaft macht. Bender lebt ein Leben in einer Welt, in der Flüsse gegebenenfalls bergauf fließen und Schweine fliegen können. Ja, sein Sturz am Schluss ist schmerzhaft. Aber, so fragt er, wäre es nicht schlimmer gewesen, nie geflogen zu sein. Kulturredakteur Alexander Solloch empfindet dies als Einladung zum Grübeln.
Gemein und existenzschädigend: Till Eulenspiegel
von Anna Hartwich
Er backt Eulen und Meerkatzen, bezahlt mit dem Klang des Geldes. Er sät Steine, er ist derb und benimmt sich daneben. Das ist Till Eulenspiegel. Er soll um das Jahr 1400 in Braunschweig geboren worden sein und in Mölln, bis heute Eulenspiegelstadt, gestorben sein. Und stets zieht Till umher. Das muss er auch, weil er sonst Gefahr läuft, dass die Opfer seiner Streiche sich an ihm rächen. Denn zimperlich ist er nicht. Er ist gemein und existenzschädigend. Eulenspiegel verdingt sich bei einem Schuster, lässt sich Anweisungen geben und führt diese auf das Wort genau aus. Da sich der nichts ahnende Mann über seine Wortwahl keine Gedanken macht, kommt nichts Gutes dabei heraus. Aber Eulenspiegel kann sich rausreden, er habe ja nur genau das getan, was ihm aufgetragen war. Ergebnis: des Schusters Ruin. Das Buch von Hermann Boote wurde sage und schreibe in 280 Sprachen übersetzt - bis heute ein Welterfolg. Till Eulenspiegel ist der Jan Böhmermann des ausgehenden Mittelalters, der seinen Zeitgenossen den Spiegel vorhält. Und Achtung, warnt die Kulturredakteurin Anna Hartwich, es ist kein Kinderbuch.