"Rügen": Geballtes Wissen über architektonische Schätze
Herrenhäuser sind Sinnbild für repräsentatives Wohnen. Ihre Architektur ist anspruchsvoll, ihre Geschichte wechselhaft. Nun ist das drei Kilogramm schwere Buch "Rügen" von Sabine Bock über die Schicksale der Gutsanlagen auf Rügen erschienen.
Seite 540. Das Herrenhaus in Darsband bei Putbus. Schwarz-weiß-Fotos aus dem Jahr 1922 zeigen es in seiner ganzen Pracht.
Oscar Gaertner ist für 1892 als Pächter belegt und in der Zeit zwischen 1896 und 1926 Rudolf Ewert. Danach hatten die Fürsten das Rittergut an Franz Thormann verpachtet. Wie das Haus Putbus wurde auch er im Zuge der Bodenreform im Herbst 1945 enteignet. Das Pächterwohnhaus wurde in der Folgezeit geteilt, stand aber schon seit den 1960er-Jahren leer. Ein Teil des Hauses erwarb 2000 ein Hamburger Handwerksmeister, der andere Teil gehörte einem Einheimischen. Es geschah nicht wirklich etwas für den Erhalt und im Mai 2006 brach das Haus in sich zusammen. Leseprobe
Viele Herrenhäuser auf Rügen sind verfallen
Das Schicksal des Darsbander Herrenhauses teilen viele Güter auf der Insel Rügen. Die Schweriner Architekturhistorikerin Sabine Bock hat sich mit ihren Geschichten befasst: "Lancken bei Dranske ist ein ganz trauriger Fall", sagt sie. "Es ist eines der wertvollsten Häuser gewesen, die wir auf der Insel hatten. In Neuendorf bei Neuenkirchen stehen fast auch nur noch die Außenwände."
Doch es gibt auch positive Beispiele. Die gebürtige Ilmenauerin kennt sie alle. "Das ist für mich eine der größten, faszinierenden Angelegenheiten - wie Udars, dass als Denkmal restauriert wird und plötzlich wieder zum Leben kommt. Dass sich unter den Fußböden, die da zu DDR-Zeiten drauf genagelt worden sind, die barocken, tollen Dielenböden befinden", erzählt Sabine Bock.
Gutshäuser - die Fabrikantenvillen der frühen Neuzeit
Darsband und Udars sind zwei Gutshäuser von ungefähr 180, die heute noch auf Rügen existieren. Etwa 250 gab es noch am Ende des zweiten Weltkriegs. "Ich sage immer, es sind die Fabrikantenvillen der frühen Neuzeit", sagt Bock. "Von diesen Häusern aus wurden die Güter verwaltet und es war der Mittelpunkt aller wirtschaftlichen Anlagen. Auch das musste funktionieren."
Mit den Enteignungen im Zuge der Bodenreform hatten die Häuser ihre Funktion verloren. Genutzt wurden sie weiterhin - zum Beispiel als Dorfkonsum, Schule oder Kindergarten. Doch um die alten Häuser zu erhalten, fehlten Geld und Baumaterial. "Nach 1990 sind wieder viele Häuser verloren gegangen, weil die, die noch genutzt wurden, dann auch verlassen wurden", erklärt Bock. "Es gab ungeklärte Eigentumsverhältnisse; es sind Häuser, die spekulativ auf dem Markt verkauft worden sind. Das ist für mich ein sehr trauriger Punkt."
27 mittelalterliche Kirchen auf Rügen
An ihren ersten Rügenbesuch kann sich Sabine Bock genau erinnern. Erst vor wenigen Tagen fiel ihr ein Foto aus dem Jahr 1964 in die Hände. Darauf die 10-jährige Sabine staunend auf dem Turm des Jagdschlosses Granitz stehend. Doch es sind nicht nur Herrenhäuser, für die Sabine Bock brennt: "Ich finde es traurig, dass sich kaum noch einer für die Kirchenbauten interessiert, die mindestens ebenso spannend sind. Von denen haben wir auch außergewöhnlich schöne und viele auf Rügen - allein 27 mittelalterliche Kirchen."
"Rügen" von Sabine Bock: Drei Kilogramm geballtes Wissen
Herrenhäuser und Kirchen lassen Sabine Bock und ihren Mann, den Fotografen und Verleger Thomas Helms, seit 40 Jahren nicht los. Als sie in der Corona-Zeit nicht ins Ausland reisen durften, fuhren sie eben nach Rügen - natürlich auch zu Gutsanlagen und Kirchen. Sie recherchierten, schrieben und fotografierten. Herausgekommen ist ein 788 Seiten starkes Buch mit 1900 Fotos, Karten und Zeichnungen. "Es sollte nicht so ein großes Buch werden", sagt Bock, "aber es hat sich so viel Material gefunden - und drei Jahre konzentriertes Arbeiten mit vier Kampagnen auf der Insel, wo wir immer zwei, drei Wochen da waren. So ist es zu dem Buch gekommen."
Und das ist in der 25-jährigen Geschichte des Schweriner Thomas Helms Verlages nicht nur der Titel mit den meisten Vorbestellungen, es ist auch der schwerste Wälzer im Programm geworden: drei Kilogramm geballtes Wissen über die Insel und ihre architektonischen Schätze.
Rügen. Burgen und Schlösser, Kirchen und Kapellen, Rittersitze und Herrenhäuser
- Seitenzahl:
- 788 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Zusatzinfo:
- 28 x 21 cm, Hardcover, ca. 1.900 Abbildungen, Orts- und Personenregister
- Verlag:
- Thomas Helms Verlag Schwerin
- Veröffentlichungsdatum:
- 10. Dezember 2022
- Bestellnummer:
- 978-3-944033-42-6
- Preis:
- 128 Euro €