Menschlicher Sprecher überflüssig? KI-Stimmen in der Hörbuchproduktion
In nahezu allen künstlerischen Bereichen ist die Unruhe und Sorge vor dem Einsatz von KI groß - auch unter den Hörbuchsprechern. Ist die Sorge berechtigt? Eine Momentaufnahme.
Eine künstliche Stimme liest ein Hörbuch vor. Klingt eigentlich schon ganz schön gut, denkt sich so mancher. Gar nicht mehr so abgehackt und monoton wie die früheren Computerstimmen. Beim längeren Hören merkt man zumindest im Moment noch: Das hat kein echter Mensch vorgelesen - kein professioneller Hörbuchsprecher, wie zum Beispiel Uve Teschner. Das ist eine ganz andere Liga.
Hörbuchsprecher wie er können mit ihrer Stimme unzählige Gefühle wiedergeben - die KI noch nicht. Aber was wird noch möglich sein? In die Glaskugel gucken kann niemand. Und deswegen ist die Unruhe in der Branche groß, sagt Uve Teschner: "Mir begegnet das Thema KI natürlich im Kollegenkreis öfter - vor allem im Synchron. Da sind auch die Sorgen groß, dass wir mal an den Punkt kommen, dass immer weniger echte Stimmen eingesetzt werden." Wenn zum Beispiel die Originalstimme von Dustin Hoffmann durch KI ins Deutsche umgewandelt und dann statt eines deutschen Synchronsprechers eingesetzt werden könnte. "Kollegen haben davon berichtet, dass es durchaus bei der einen oder anderen Doku vorgekommen ist, dass eine künstliche Stimme verwendet wurde", erzählt Teschner.
KI bei Hörbüchern im Nachteil
Für den Hörbuchmarkt ist eine solche Entwicklung im Moment nicht zu erkennen - zumindest nicht in Deutschland, sagt Colin Hauer, Geschäftsführer von Hörbuch Hamburg: "Das Schöne ist, dass wir in Deutschland auf so eine lange Tradition des gesprochenen Wortes zurückblicken können. Wir haben eine sehr diverse Radiolandschaft und wir haben eine Hörspielbegeisterung, wie es sie nirgendwo auf der Welt gibt."
Unser Anspruch sei hoch und wir haben eine riesige Auswahl. Andere Länder hätten bei weitem nicht die Menge an Hörbüchern - also helfe man dort jetzt mit KI nach, erklärt Hauer: "Die Texte, die ich da bislang gehört habe, die haben mich jetzt in der Länge nicht überzeugt, das muss ich ganz klar sagen." Künstlich erzeugte Stimmen hätten sicher ihre Berechtigungen, sagt der Chef von Hörbuch Hamburg. Bei Sachtexten oder im medizinischen Bereich, wo Menschen ihre eigene Stimme verloren hätten. Bei Hörbüchern sieht er die KI aber deutlich im Nachteil: "Eine Sache, die KI ganz klar nicht kann, ist, Geschichten so zum Leben zu erwecken, wie das eine menschliche Stimme kann und ein ausgebildeter Sprecher. Also gerade dieses Reindenken in den Text, das Verstehen, das Interpretieren, dass man eigene Gefühle hineinbringt und dem ganzen Text auch eine Seele verleiht."
KI kann vieles, aber bisher keine Sprecher ersetzen
KI könne sicher manchen Arbeitsprozess in Zukunft vereinfachen, aber auf absehbare Zeit keine Sprecherinnen und Sprecher ersetzen, da sei sich der Hamburger Verlag seiner Tradition und auch Verantwortung bewusst. Das sei erstmal gut zu hören, sagt Uve Teschner. "Insofern wäre mein Aufruf an die Kollegen und Kolleginnen, die das vielleicht auch negativer sehen als ich, mit dafür Sorge zu tragen, dass eine Regelung vom Europäischen Gerichtshof oder durch eine Kommission entwickelt wird, mit der es möglich ist, KI einzusetzen, aber Sorge zu tragen, dass wir nicht die Sachen hergeben, die wir lieben und die uns als Menschen ausmachen", meint der Sprecher abschließend.