Rick (Humphrey Bogart, links), Ilsa (Ingrid Bergmann) im Hollywood-Film "Casablanca" (1942), Regie: Michael Curtiz © picture alliance/United Archives
Rick (Humphrey Bogart, links), Ilsa (Ingrid Bergmann) im Hollywood-Film "Casablanca" (1942), Regie: Michael Curtiz © picture alliance/United Archives
Rick (Humphrey Bogart, links), Ilsa (Ingrid Bergmann) im Hollywood-Film "Casablanca" (1942), Regie: Michael Curtiz © picture alliance/United Archives
AUDIO: Der Zauber der Synchronisation - eine Zeitreise (4 Min)

Der Zauber der Synchronisation - eine Zeitreise

Stand: 07.06.2023 08:52 Uhr

Mit Beginn des Tonfilms begann Anfang des vergangenen Jahrhunderts auch die Geschichte der Neuvertonung von Filmen. Und diese ist bewegter, als man meinen würde.

von Severine Naeve

Fast jeder kennt den Moment, wenn man das erste Mal feststellt, dass ausländische Schauspielerinnen oder Schauspieler eigentlich eine ganz andere Stimme haben, als die, die man aus Filmen gewohnt ist. Auch wenn es durch die Streamingportale gewissermaßen "schick" geworden ist, Filme im Original anzuschauen: Die meisten Menschen sehen im Fernsehen oder im Kino doch die synchronisierten Fassungen von ausländischen Produktionen.

Ein weiter Weg zur Synchronisation

Bis es so weit war, dass Stimmen allgemein bekannt waren, war es ein weiter Weg. In den 1930er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es erste Versuche, Filme einem Publikum zugänglich zu machen, das eine andere Sprache spricht. Zunächst gab es dafür drei Methoden: Irrsinnigerweise war eine, den Film komplett nachzudrehen mit Deutsch sprechenden Schauspielerinnen und Schauspielern. So ist der erste deutschsprachige Tonfilm eine deutsch-britische Co-Produktion, eine Verfilmung des Titanic-Unglücks mit dreifacher Besetzung: Englisch-, französisch- und deutschsprachig.

Synchronisation war umständlich

Das Synchronisieren mit anderen Stimmen kam erst langsam in die Gänge, zwischenzeitlich ließ man Schauspieler oft auch den Text auf beispielsweise Deutsch auswendig lernen. Das hätte man Stan Laurel und Oliver Hardy nicht unbedingt zugetraut. Erst in der Nachkriegszeit wurde echte Synchronisation "schicker" und professioneller. Wenn es auch inhaltlich bei der Neuvertonung schon immer Änderungen gab, die weit in das Werk hinein griffen. Im Klassiker "Casablanca" beispielsweise, der 1942 mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman gedreht wurde. Da gab es eine Befragungsszene mit Viktor Laszlo:

"Sie geben uns die Namen?" "Wenn ich Sie Ihnen im Konzentrationslager nicht gegeben habe, wo Ihnen ganz andere Methoden zur Verfügung standen, werde ich sie Ihnen jetzt bestimmt nicht verraten. Und selbst wenn Sie diese Männer aufspüren und umbringen würden, wenn Sie uns alle umbringen würden, an jeder Ecke Europas würden hunderte, tausende aufstehen und unseren Platz einnehmen. Selbst Nazis können so schnell nicht töten."

Diese Szene war überhaupt nicht zu sehen, als der Film 1952 in die deutschen Kinos kam. Die hier ins Verhör genommene Figur des tschechoslowakischen Widerstandskämpfer Viktors Laszlo wurde in der deutschen Version zu einem norwegischen Atomphysiker, der seltsame Strahlen entdeckt hatte. Sämtliche Nazi-Bezüge wurden anders übersetzt oder eben komplett rausgeschnitten. Man wollte so kurz nach dem Krieg den Deutschen nicht ihre eigene Geschichte zumuten - und damit wohl auch die Chancen auf einen kommerziellen Erfolg erhöhen.

Christian Brückner © Matthias Bothor/photoselection Foto: Matthias Bothor
AUDIO: Christian Brückner zur Hörspielarbeit (1 Min)

"Ich schau Dir in die Augen, Kleines" hatte andere Bedeutung

Das Filmplakat zum Klassiker "Casablanca" mit Humphrey Bogard und Ingrid Bergmann © Warner Bros.
Der Filmklassiger "Casablanca" von Regisseur Michael Curtiz aus dem Jahr 1942 mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann war bereits in den Anfängen des Abaton ein Kassenhit und wird immer wieder gezeigt.

Erst 1975 entstand eine überarbeitete Fassung in der Originallänge, die auch in der deutschen Synchronisation die Original-Geschichte erzählt. Diese hatte damals in der ARD Premiere und wurde danach auch in Deutschland zu einem Klassiker der Filmgeschichte. Wenn auch eine andere immer wieder kritisierte Übersetzung im Film geblieben ist: Im Original heißt es: "Looking at you kid" und übersetzt wurde es: "Ich schau Dir in die Augen, Kleines". Im Original eher ein Trinkspruch, den man auch mit sowas wie "Auf Dein Wohl, Kleines" hätte übersetzen können, wurde dank des Synchronübnersetzers eines der berühmtesten deutschen Filmzitate geschaffen.

1970: Klamaukige Phase der Synchronisation

In den 1970ern hielt eine eher klamaukige Phase der Synchronisation Einzug ins deutsche Kino und TV. Rainer Brandt, der Urvater des von ihm geprägten sogenannten "Schnodderdeutsch", erzählte später in der Sendung "Parlazzo" mit Anne Will: "Wir haben zum Teil völlig neue Bücher gemacht, das hat mit dem Original gar nüscht mehr zu tun gehabt. Ich sag' mal so: Im Original sagt der 'Das machst Du nicht mit mir noch mal." Brandt zeigt dabei, wie Tony Curtis mit dem Zeigefinger droht: "Und bei mir: 'Diese Scheißfliege, wenn ich die nicht erwische', also was völlig anderes. Und DAS war das Komische."

Nah am Original

Christian Brückner, der die deutsche Synchronstimme von Robert De Niro ist, am Redepult.
Christian Brückner ist die deutsche Synchronstimme von Robert De Niro.

Synchronisation wurde in den vergangenen Jahrzehnten natürlich auch immer wieder ernst genommen und sollte möglichst nah am Original sein. Der Regisseur Martin Scorsese suchte sich zum Beispiel bewusst Christian Brückner als deutsche Stimme für Robert de Niro aus, mit dem er weit über zehn Filme gedreht hat.

Synchronisationsprojekt auf Plattdeutsch

Beim Synchronisieren geht es aber nicht immer nur um Landessprachen. "Ritter Trenk op Platt" ist ein ungewöhnliches Projekt, mit dem der Verein "Platt und Friesisch in der Schule e.V." den Zeichentrickfilm, der 2015 in die deutschen Kinos kam, nachsynchronisiert hat. Damit sollte Kindern der Gebrauch der Sprache ihrer Heimatregionen nahe gebracht werden. Rund 45 Kinos zwischen Ost- und Nordsee, Holsteinischer Schweiz und Harz haben den Film 2018 gezeigt und damit ein unterhaltsames Exempel statuiert, was für eine kulturelle Bereicherung eine gute Synchronisation sein kann.

Weitere Informationen
Susanne Sternberg © picture alliance / AAPimages / Timm

Susanne Sternberg - Die "Stranger Things"-Übersetzerin aus Quickborn

Susanne Sternberg ist Schauspielerin, Synchronsprecherin und Dialogbuchautorin. Im Interview erzählt sie, wie sie den "Stranger Things"-Job bekommen hat. mehr

Rick (Humphrey Bogart, links), Ilsa (Ingrid Bergmann) im Hollywood-Film "Casablanca" (1942), Regie: Michael Curtiz © picture alliance/United Archives

"Casablanca": Schmachten mit dem Film-Klassiker

Auf kaum einen Film passt der Begriff Klassiker wohl so perfekt wie auf "Casablanca". Dabei hätte alles auch ganz anders werden können. mehr

Sascha Rotermund © picture alliance / ZB | Britta Pedersen Foto: Britta Pedersen
26 Min

"Die Stimme hat verschiedene Temperaturen": Sascha Rotermund im Gespräch

Schauspieler Sascha Rotermund über die Stimme als Beruf und über die Sinnlichkeit, sich ausschließlich aufs Hören zu konzentrieren. 26 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 07.06.2023 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Auf einem Schild, das an einer Hauswand hängt, steht "MOIN". © Christine Raczka / Colourbox Foto: Christine Raczka / stockwerk fotodesign

Die Welt snackt Platt: Alles rund um das Thema Plattdeutsch

Plattdeutsche Sendungen in Radio und Fernsehen im Überblick, das Wörterbuch oder aktuelle Norichten op Platt. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Ein Sänger steht auf einer Bühne, hält in einer Hand das Mikrofon und die andere ist nach oben gestreckt. © picture alliance / Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm Foto: Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm

Hurricane Festival: The Prodigy, Apache 207 und Sam Fender kommen 2025

Die englische Elektro-Punk-Band The Prodigy und ein Who-is-Who der deutschen Pop- und HipHop-Szene haben sich für 2025 angekündigt. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?