Faszination James Bond: 70 Jahre "politisch inkorrekt"
Vor 70 Jahren veröffentlichte Ian Fleming seinen ersten Roman "Casino Royale" über den Geheimagenten James Bond. Heute ist die Figur vor allem durch die Filme bekannt. Damals wie heute steht James Bond im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten.
"Casino Royale" markiert eine Abkehr vom in den 50er-Jahren üblichen Krimi. In James Bond erschuf Fleming einen neuen Heldentypus. Er ist höflich und kultiviert, zu extremer Gewalt fähig - ein Gentleman und Auftragsmörder. Flemings Bond-Romane waren schon damals nicht unumstritten. Seine Beschreibungen von Gewalt und Sex verletzten die gesellschaftlichen Normen der 50er-Jahre. Für Aufsehen sorgte etwa eine detailliert beschriebene Folterszene, in der 007 nackt an einen Stuhl gefesselt ist und Le Chiffre ihm wiederholt mit einem Teppichklopfer zwischen die Beine schlägt.
"Süßer Geruch der Vergewaltigung"
Das rückwärtsgewandte Frauenbild von James Bond ist allseits bekannt. "Mit 13 bis 14 Jahren war ich im absoluten Ian-Fleming-Lesefieber", erinnert sich Ralph Fiennes im Interview mit NDR Kultur. Gleichzeitig gibt er zu bedenken: "Die alten Bond-Romane sind heute wohl politisch ziemlich inkorrekt". In den Büchern ist von "Geschwätzigen Weiber, die den Job von Männern erledigen", dem "süßen Geruch der Vergewaltigung" oder Homosexualität als "hartnäckiger Behinderung" die Rede.
Für Journalistin Ateh Jewel sind solche Entgleisungen nicht hinnehmbar. "James Bonds Lebensstil wird bewundert, man will so sein wie er", sagt sie. "Aber es wird gefährlich, wenn es um Gewalt geht und Frauen zu Objekten degradiert werden. Ich liebe Bond, aber manche Dinge können wir heute nicht mehr akzeptieren."
Angepasste Neuauflagen: Nötig oder ein Tabubruch?
Zum 70. Jubiläum des Erscheinens des ersten Bond-Romans werden die James-Bond-Romane von Ian Fleming neu veröffentlicht. In den Neuauflagen wurden einige als problematisch empfundene Passagen geändert - vor allem rassistische ethnische Beschreibungen. "Casino Royale" blieb jedoch unberührt.
Die Publizistin und Psychotherapeutin Stella O’Malley findet es nicht richtig, die Werke an die Vorstellungen der heutigen Zeit anzupassen. "Die Formulierungen sind allesamt abstoßend - aber sie sollten alle bleiben. Wir bringen da unsere Empfindlichkeiten aus dem Jahr 2023 ein, verwässern Dinge wie sie einmal waren, walzen über die Geschichte hinweg und tun in unserer Arroganz so, als sei heute alles richtig."
Der Rechteverwalter Ian Fleming Publications steht auf dem Standpunkt: Der Autor selbst würde die behutsamen Anpassungen gutheißen. Fleming habe bereits in den 1950er-Jahren sprachlichen Änderungen in seinem Roman "Live and Let Die" zugestimmt, weil einige Begriffe in dem Buch schon damals für den US-Markt problematisch waren. An diesen Änderungen habe man sich jetzt für die Überarbeitung des Gesamtwerks orientiert, so der Verlag.
James Bond: Dem eigenen Ego nachempfunden?
Flemings eigene Persönlichkeit prägte die von ihm erschaffene Figur stark. Wie Bond war er selbst als Liebhaber schneller Autos, teurer Kleidung und exotischer Reiseziele bekannt. Der Autor hatte auch einen Ruf als Frauenheld - eine Eigenschaft, die sich bekanntlich ebenfalls in Bonds Charakter widerspiegelt.
Dass seine Figur einmal so berühmt werden würde, hätte Ian Fleming sicher nicht zu träumen gewagt. Tatsächlich hatte der Autor sogar große Zweifel, als er sein Manuskript für "Casino Royale" fertiggestellt hatte. Als Fleming seinem Freund, dem Schriftsteller William Plomer, ein Manuskript schickte, soll er vorsichtig angemerkt haben, er schäme sich dafür, wolle es aber trotzdem riskieren. Doch Plomer erkannte das Potenzial und ermutigte seinen Freund.
Das Phänomen James Bond
70 Jahre später ist der Geheimagent 007 ein Phänomen der Popkultur. Elf weitere Romane und zwei Kurzgeschichtensammlungen von Fleming folgten, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden. Dazu gibt es viele lizenzierte James-Bond-Geschichten von anderen Autoren. Zuletzt schrieb der Autor Anthony Horowitz eine Trilogie, in die er sogar unverwendetes Originalmaterial von Fleming einbaute und die für ihre Nähe zum Stil des James-Bond-Erfinders gelobt wurde.
Der Start der berühmten 007-Filmreihe, die 1962 mit Sean Connery in der Hauptrolle begann und mit wechselnden Darstellern bis heute andauert, bedeutete einen weiteren gigantischen Popularitätsschub für den Geheimagenten. 25 Filme sorgten weltweit für klingelnde Kinokassen.
Ian Fleming erlebte nur die Anfänge des Bond-Hypes. Er starb am 12. August 1964. In elf Jahren ist der Autor 70 Jahre tot. Die Romane sind dann gemeinfrei und jeder kann an ihnen alles ändern. Bestseller-Autor Jeffrey Archer meint: Die Welt habe sich weitergedreht, dem müsse man Rechnung tragen - aber man dürfe auf keinen Fall den Humor dabei verlieren.
Mit Informationen von Gabi Biesinger (ARD Korrespondentin in London), Patricia Batlle (NDR Kultur) und der Deutschen Presse-Agentur.