Autorin Emilia Roig will "Das Ende der Ehe"
Die französische Politologin Emilia Roig hält die Ehe für ein völlig überkommenes Rollenmodell und fordert in ihrem neuen Buch "Das Ende der Ehe".
"Mit dem Ende der Ehe fordere ich das Ende einer obsoleten Institution, die die Ungleichheit und Unterdrückung der Frauen in unserer Gesellschaft produziert und aufrechterhält", sagt Emilia Roig. "Die Ehe ist eine der wichtigen Säulen des Patriarchats. Und die Ehe ist nicht nur ein Stück Papier beim Standesamt, sondern es ist ein gesamtes politisches, wirtschaftliches System. Der Staat hat auch ein Interesse an unseren Beziehungen."
Ehe diene "Interessen der Männer"
Für sich selbst hat Emilia Roig die Ehe längst abgeschafft. Sie ist geschieden und forscht seit Jahren zu Feminismus und Gleichberechtigung. Ihr Fazit: Solange es die Ehe gibt, zögen Frauen den Kürzeren. "Der Ursprung der Ehe war dazu gemeint, die Frauen zu vereinnahmen", so Roig. "Natürlich ihre Körper zur Reproduktion, aber auch ihre Arbeitskraft." Die Ehe sei von Männern erfunden worden. "Die Ehe diente und dient nach wie vor den finanziellen und politischen Interessen der Männer."
Neu ist das nicht, aber so aktuell wie zu Beginn der Frauenbewegung. Zwar wurden die frauenfeindlichsten Gesetze reformiert. Aber Corona-bedingtes Homeoffice und Homeschooling gingen erwiesenermaßen zu Lasten der Frauen.
"Die schädlichen Aspekte der Ehe werden komplett ausgeblendet"
Jeden dritten Tag ermordet in Deutschland ein Mann seine Frau. "Die schädlichen Aspekte der Ehe werden komplett ausgeblendet und verleugnet", sagt Roig. Stattdessen sei die Ehe neu verpackt worden. "Es gibt jetzt ein hippes Bild von der Ehe - mit vielen Instagram-Seiten und Pinterest, wo man sich eine schöne hippe Hochzeit auch machen kann; und es gibt dann den Eindruck, dass die Institution gar nicht die gleiche ist wie die Institution vor 40 oder 50 Jahren. Das ist ein Trugschluss."
"Der Staat ist keine neutrale Entität"
In ihrem Buch listet Emilia Roig minutiös auf, wie schlecht es um die Gleichstellung von Frau und Mann bestellt ist. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - ein Witz. Altersarmut bei Frauen - überdurchschnittlich. Das Ganze sei gezielt gefördert durch den Staat. Denn wer heiratet, spart Steuern. Die kostenlose Haus- und Care-Arbeit in der Ehe, meist von Frauen geleistet, entlastet den Staat. Der Staat sei keine neutrale Entität, meint Roig: "Wer ist denn der Staat? Der Staat sind überwiegend verheiratete heterosexuelle Männer. Mit Frauen zuhause, die diese Arbeit leisten", sagt Roig. Ein Paradigmenwechsel müsse her:
"AltenpflegerInnen, Krankenschwestern und KitaerzieherInnen sollten Millionär*innen werden - und nicht Fußballer, Börsenmakler und Investoren." Emilia Roig - "Das Ende der Ehe"
"Das Ende der Ehe", sagt Emilia Roig, müsse auch das Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystems bedeuten. Ihre Forderung: eine feministische Lohnsteuer. Geringverdienende Frauen bekommen Geld, männliche Großverdiener geben Geld ab: "radikaler Lohnausgleich".
Eine "Revolution der Liebe"
Das Buch "Das Ende der Ehe" ist eine Kampfansage an das patriarchale Staatsgefüge: "Der Staat hat ein Interesse daran, dass die Ehe die hauptsoziale Einheit in der Gesellschaft bleibt. Weil Ehen oder Kernfamilien von zwei Erwachsenen mit zwei bis vier Kindern viel einfacher kontrollierbar sind als größere Gemeinschaften", sagt Roig. "Alle sozialen Fortschritte, wenn die Macht herausgefordert wird, dann passiert das nicht durch Kernfamilien, sondern es passiert durch Bewegungen."
Emilia Roigs Utopie: keine Geschlechter-Hierarchie statt "Frau" und "Mann", Menschen statt toxischer Machtstrukturen, kollegiales Zusammenleben. Eine "Revolution der Liebe" nennt sie das. Die Abschaffung der Ehe setze voraus, dass die Wege des Seins neu gedacht werden: "Wie können wir leben?", fragt Roig.