Szene aus dem Film "Minority Report" © picture alliance/United Archives/Impress
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AUDIO: Wie beeinflusst Science-Fiction die Zukunftsforschung? (7 Min)

Wie beeinflusst Science-Fiction die Zukunftsforschung?

Stand: 18.01.2024 10:56 Uhr

Wer verstehen will, wie sich unsere Welt entwickelt, der könnte sich mal ausführlicher mit der Science-Fiction beschäftigen, denn sie hilft auch der Zukunftsforschung. Isabella Hermann kennt sich in beiden Gebieten gut aus.

Die Zukunftsforscherin Isabella Hermann ist promovierte Politikwissenschaftlerin. In ihrer Arbeit geht sie der Frage nach, inwiefern Science-Fiction neue Technologien, sozialpolitische Wertesysteme und globale Politik reflektiert. Zuletzt erschien ihr Buch "Science-Fiction - eine Einführung" beim Junius Verlag.

Frau Hermann, wenn wir mal auf die Filmgeschichte gucken, dann gibt es vor allem zwei Science-Fiction-Filme, die großen Einfluss auf innovative technische Ideen hatten: Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" und "Minority Report". Welche technischen Entwicklungen haben diese Filme vorweggenommen?

Isabella Hermann © Stiftung Zukunft Berlin
Isabella Hermann beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen Science-Fiction und Wissenschaft.

Isabella Hermann: "2001: Odyssee im Weltraum" kann man mit einem Augenzwinkern auch als großen Werbefilm für die Raumfahrt und die NASA bewerten. Da ging es auch um ein positives, optimistisches, utopisches Bild der Raumfahrt. Aber es geht auch in die Richtung: Was ist der Mensch in der Weite des Alls? Es kommen schon transhumanistische und posthumanistische Ideen zum Tragen. Natürlich der berühmte Computer "HAL 9000": Es ist das erste Bild der Angst, dass uns die Computer über den Kopf wachsen könnten. Aber "HAL 9000" ist natürlich auch eine Metapher: Es geht vielleicht gar nicht unbedingt um die Technik an sich, sondern um die Angst vor einer übergeordneten Struktur, vor einem System oder vielleicht sogar vor einem totalitären System, dem sich der kleine Mensch, mit egal welchem Argument, gar nicht mehr entziehen kann.

Bei "Minority Report" geht es ums "predictive policing", dass man Verbrechen vorhersagen kann, bevor sie geschehen. Was in dem Film aber auch ganz spannend ist, ist diese Technologie des "gesture recognition", die tatsächlich mit Wissenschaftler*innen zusammen für den Film entwickelt wurde und später auch teilweise zu erwerben war. Daraus hat sich also auch ein Unternehmen gegründet.

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Wie sieht die Verflechtung zwischen Hollywood und der Raumfahrtforschung heute aus? Hat die Filmindustrie Einfluss?

Hermann: In gewisser Weise ja. Eher indirekt, wenn es darum geht, dass die Raumfahrt legitimiert wird. Raumfahrt frisst enorme Steuergelder. Filme und Bücher können diesen Drang ins Weltall zu ziehen sehr plastisch darstellen und eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung für das Thema generieren. Bei Filmen ist das natürlich noch eindrücklicher wegen der Bilder. Vielleicht ist es eher andersrum: Es es gibt ein inoffizielles Logo, dass Filme "NASA approved" sind - da geht es auch darum, dass die NASA in einem bestimmten guten Licht dargestellt wird.

In Science-Fiction-Stoffen kommt immer wieder auch außerirdisches Leben vor. Um welche Themen geht es da heute? Da gibt es ja die Astrobiologie, die sich damit beschäftigt.

Hermann: Außerirdische gibt es schon ganz lange. Wenn man zum Beispiel an "Star Trek" denkt, dann schauen die immer sehr humanoid aus. Im Grunde ist das Alien auch immer so ein Abbild für das Andere, für das, wovor der Mensch Angst hat oder sogar für andere fremde Menschen. Das fließt dann sehr ineinander über, ob das Außerirdische nicht tatsächlich das Fremde auf der Erde in uns selbst ist, wovor wir uns fürchten. Da gibt es sehr interessante Überlappungen, und das macht Science-Fiction für mich auch so spannend, sich immer zwischen diesen Polen zu bewegen: Sind wir in so einer Projektionsfläche, in einer Metapher, in einem Abbild? Oder geht es wirklich um reale Zukunft, um wissenschaftliche Möglichkeiten?

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Sie haben sich in Ihrem Buch "Science-Fiction zur Einführung" ganz ausführlich damit beschäftigt. Würden Sie sagen, das Science-Fiction ernsthafter, wissenschaftlicher, seriöser geworden ist?

Hermann: Vom Genre her letztendlich nicht. Es gab immer schon sehr gute Science-Fiction, und es gab immer schon Trash. Ich würde eher meinen, Science-Fiction ist eine Denkfigur. Aber ich merke, dass die Akzeptanz von Science-Fiction in der Gesellschaft oder sogar im Feuilleton in den letzten zehn Jahren sehr stark gestiegen ist, weil die wissenschaftlich-technischen Entwicklungen so rasant voranschreiten, dass sie vermeintlich die Science-Fiction einholen. Das merke ich, wenn Anfragen kommen wie: Was hat die Science-Fiction schon vorgedacht, wenn es um KI geht, um Marsbesiedlung, ums Metaversum oder um Gentechnologie? Da scheinen sich Science-Fiction und die Gegenwart immer mehr anzunähern. Und daher kommt dieses gestiegene Interesse.

Was kommt denn auf uns zu in der Zukunft? Oft zeichnet Science-Fiction ein eher negatives, sehr düsteres Bild. Was könnte es denn Positives geben?

Hermann: Da haben Sie vollkommen Recht: Die Dystopien sind in der Science-Fiction Spiegel der Ängste der Menschen. Aber es gibt als Gegenbewegung auch viel positive Richtungen, zum Beispiel den Solarpunk. Das ist eine Science-Fiction-Bewegung, wo es um positivere Zukunftsideen geht, zum Beispiel nachhaltige Energiegewinnung, diverse Gemeinschaften, wo Technik auch gemeinschaftlich entwickelt und genutzt wird, wo es keine Überwachung durch große Unternehmen gibt. Diese Entwicklungen werden als Gegenbewegung zu dem Negativen auch weiterhin stark sein.

Das Interview führte Julia Westlake.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal Gespräch | 17.01.2024 | 17:30 Uhr

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