Verbieten oder nutzen? Wie gehen norddeutsche Unis mit ChatGPT um?
Soll man ChatGPT verbieten? Oder kann diese Software, die Künstliche Intelligenz verwendet, sogar Studium und Forschung verbessern? Fragen, über die man sich an den Universitäten in Norddeutschland viele Gedanken macht.
An den norddeutschen Unis beginnen jetzt die Semesterferien. Doch während die Studierenden die vorlesungsfreie Zeit genießen können, sorgt das Computerprogramm ChatGPT an den Hochschulen weiter für Wirbel. Wie umgehen mit der neuen Software, die Künstliche Intelligenz verwendet, um zum Beispiel wissenschaftliche Texte zu verfassen?
"Sich gegen diese Entwicklung zu sperren, ist nicht sinnvoll"
Blockieren? Verbieten? Für Olaf Wolkenhauer vom Institut für Informatik der Uni Rostock ist das überhaupt kein Thema, wenn es um ChatGPT geht: "Da es bei ChatGPT um die Generierung von Texten geht, erwarten wir, dass sich die Technologie auf viele Bereiche der Arbeit und des Alltags auswirken wird und weltweit sehr viele Menschen zu Nutzern und Nutzerinnen werden. Sich gegen diese Entwicklung zu sperren oder sie gar zu verbieten, ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll."
Henning Zühlsdorff ist Pressesprecher der Leuphana Universität Lüneburg und sieht das ganz ähnlich: "Neuen Entwicklungen gleich erstmal mit Verboten zu begegnen, ist sicherlich keine gute Idee. An der Leuphana jedenfalls hat derzeit niemand vor, den Einsatz von ChatGPT zu blockieren oder zu verbieten."
Und auch der Germanistikprofessor Markus Hundt hält die Aufregung um ChatGPT für übertrieben. Dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre der Christian-Albrechts-Universität in Kiel ist vielmehr wichtig, "Transparenz sicherzustellen und weder ChatGPT zu verteufeln, noch das völlig unkritisch hinzunehmen".
So ist es nahezu von allen zehn angefragten Unis im Norden zu hören.
Neue Prüfungsformate sollen Betrugsversuche verhindern
Als Knackpunkt gilt die Möglichkeit, dass Studierende sich Haus- und Prüfungsaufgaben von ChatGPT schreiben lassen. Wer mit diesem Gedanken spielt, bewegt sich allerdings auf sehr dünnem Eis. Denn, so die Pressesprecherin der Europa-Universität Flensburg Katrin Fischer: "Der Einsatz von ChatGPT in einer Haus- oder einer Abschlussarbeit ist aufgrund der allgemeinen universitären Prüfungsgrundsätze verboten. Denn die Studierenden müssen vor einer solchen Prüfung erklären, dass sie ihre Leistung eigenständig erbracht haben. Diese Eigenständigkeit ist natürlich nicht gegeben, wenn ein Chat-Dienst den Text verfasst hat. Eine Arbeit von ChatGPT schreiben zu lassen, würde also als Täuschungsversuch gewertet werden."
Das Problem ist allerdings der Nachweis, dass ChatGPT genutzt wurde. Das ist nicht immer einfach. Und, so Wolfgang Kersten vom Institut für Logistik der TU Hamburg: "Natürlich wird die Software mit jeder Generation, die entwickelt wird, auch besser und schwieriger zu erkennen. Wahrscheinlich ist es auch sinnvoll, da sogar ein bisschen Forschung zu betreiben."
Zunächst einmal könnten jedoch neue Prüfungsformate entwickelt werden, um Schummeleien mit ChatGPT zu verhindern. Was das heißt, erklärt Mechthild von Münchhausen von der Leibniz-Universität Hannover: "Es wird immer weniger um reines Abfragen und immer mehr um ein Einordnen, Einschätzen und Erklären gehen. Hier zeichnet sich sicherlich auch ein sehr positiver Aspekt des Themas beispielsweise für den Bereich Prüfungskultur ab."
Norddeutsche Unis haben die Chancen von ChatGPT erkannt
Die Unis wollen sich die neue Software aber auch auf andere Weise zunutze machen. Henning Zühlsdorff aus Lüneburg nennt ein Beispiel: "Studierende können die Chat-Bots zum Beispiel auch als Tutoren einsetzen, die bei der Beantwortung von Fragen zu bestimmten Themen unterstützen und ihnen dabei helfen, ihr Wissen zu vertiefen und Bildungsbarrieren zu überwinden."
In Flensburg will man ChatGPT auf jeden Fall auch zum Forschungsobjekt machen. Denn, so Katrin Fischer: "In verschiedenen Zielberufen unserer Studierenden ist die Nutzung solcher KIs künftig eine entscheidende Kompetenz. Das gilt auch für die Lehrkräfte: Die werden auch dann damit umgehen müssen, dass Schülerinnen und Schüler versuchen, mittels KI Texte erstellen zu lassen. Oder sie sollten in der Lage sein, die KI konstruktiv im Unterricht miteinzubinden."
Die Unis im Norden müssen und wollen also die Herausforderungen durch ChatGPT annehmen. Und dabei spielen in der Regel weniger die Gefahren als vielmehr die Chancen eine Rolle, die damit verbunden sind.