Stadtbibliothek Hannover will Bücherbestellung europaweit ausschreiben
Die hannoversche Stadtbibliothek möchte ihre Bücherbestellung europaweit ausschreiben. Das sorgt vor allem bei lokalen Buchhändlern für einen Aufschrei, denn ihnen brechen damit große Teile der Einnahmen weg, einige sehen ihre Existenz bedroht.
Caroline Momma ist sauer. Sie arbeitet im Buchladen und gleichnamigen Kollektiv "AnnaBee" und fühlt sich durch die Pläne der Stadtbibliothek und ihres Direktors übergangen: "Ich würde ihn fragen, ob er überhaupt ein Interesse daran hat, dass es eine lokale und vielfältige Buchhandlungskultur gibt. Das nächste ist, dass niemand, der in entscheidenden Positionen sitzt, sagen kann: 'Ich kann nicht anders!'. Da entzieht sich jemand der eigenen Verantwortlichkeit."
Bücherkauf im Wert von 485.000 Euro jährlich
Das sieht der Stadtbibliotheksdirektor Tom Becker nicht so, denn schon seine Vorgängerin habe vom Rechnungsprüfungsamt eine Rüge erhalten: "Momentan ist es so, dass wir an die ca. 35 Buchhandlungen in Hannover und auch an andere deutschlandweite größere Dienstleister unterschiedliche Summen ausgeben. Das ist aber historisch gewachsen und total intransparent. Weil das Vergaberecht sagt: 'Moment, wir müssen doch schauen, dass es einen Markt gibt.' Und auf diesem Markt müssten alle dieselben Chancen haben, sagt Becker, denn es geht immerhin um 485.000 Euro die die Bibliothek jährlich für neue Bücher ausgibt.
Veredelung stellt Buchläden vor Herausforderung
Jedoch sucht die Stadtbibliothek nicht nur einen Dienstleister, der Bücherpakete, sogenannte Lose liefert, sondern diese auch veredelt - mit einem Folienbezug oder schon fertig etikettiert. Unfair, klagt Buchhändlerin Momma: "Und das ist natürlich eine Sache, die können kleine Buchhandlungen gar nicht leisten. Es ist wohl im Gespräch, dass es drei große Dienstleister geben soll und das sind natürlich große Unternehmen, die genau das können."
Wegfall von 10.000 Euro pro Jahr für die Buchhandlung
Der Buchhandlung würden dadurch über 10.000 Euro pro Jahr wegbrechen, Gehälter müssten gekürzt werden. Tom Becker zieht sich aufs Vergaberecht zurück. Er versuche das Verfahren fair für die kleinen Buchhandlungen zu gestalten: "Andererseits muss ich einfach auch diese ganze Ausschreibung so machen, dass ich nicht mit einzelnen Buchhändlern im Vorhinein spreche."
Für Caroline Momma ist das nur eine Ausrede: "Es gibt Möglichkeiten diese Lose so zu gestalten, dass die großen überhaupt gar kein Interesse mehr daran haben jetzt diese Aufträge zu erfüllen, wenn man diese Lose unter 10.000 oder 20.000 Euro ausschreiben würde." Stadtbibliotheksdirektor Tom Becker widerspricht: "Es geht ja um die Gesamtsumme. Und die Gesamtsumme, egal wie klein die Lose sind, bleibt gleich und da guckt natürlich das Vergaberecht auch drauf."
Sind Sparpläne der eigentliche Grund?
Die Buchhändlerin vermutet aber noch einen Grund für die Ausschreibungen - Sparpläne: "Durch die Buchpreisbindung am Buch kann man nicht sparen. Es gibt einen festgesetzten Preis und den müssen alle Bibliotheken bezahlen. Man kann nur Geld sparen, in dem man das mit diesen Zusatzleistungen verknüpft." Große Unternehmen könnten durch Zusatzrabatte die Buchpreisbindung unterwandern - es besteht die Gefahr von Dumpingpreisen.
Becker: Ausschreibung frühstens in zwei Jahren
Dem wäre nicht so, entgegnet Tom Becker, denn das Vergaberecht prüfe die Preise. Noch verhandelt er mit Justiziaren, dem Börsenverein und dem Rechnungsprüfungsamt. Mit einer Ausschreibung rechnet Becker frühestens in zwei Jahren. Politisch entscheiden wird über diese europaweite Ausschreibung dann der Stadtrat Hannover. Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Belgin Zaman, ist gegen die Ausschreibung und möchte ein Veto in der nächsten Ratsversammlung erreichen: "Wir möchten gerne einen politischen Auftrag an die Verwaltung geben, wir möchten diesen Weg nicht, weil wir den nicht für rechtlich haltbar halten."
Forderung nach klarer Trennung zwischen Lieferung und Veredelung
Zaman fordert eine klare Trennung zwischen Buchlieferungen und Veredelungsprozessen. Außerdem stehe sie in Verbindung mit dem Europaabgeordneten Bernd Lange. Auch Lange zweifele daran, dass eine europaweite Ausschreibung notwendig sei, so Zaman. Am Montag wird die Grüne-Ratsfraktion über das Papier der SPD abstimmen, bevor es dann im Kulturausschuss und voraussichtlich Ende März in der Ratssitzung diskutiert werden wird. Auch Buchhändlerin Caroline Momma und das Kollektiv AnnaBee wehren sich gegen die Pläne des Stadtbibliotheksdirektors - sie haben eine Onlinepetition gestartet.