Koalitionsvertrag: Gemischte Gefühle unter Kulturschaffenden
Union und SPD haben ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Sechs der 144 Seiten entfallen auf die "Kultur". Das ist nicht wenig - aber auch nicht viel. Mit gemischten Gefühlen blicken Kulturschaffende auf die geplanten Koalitionsvorhaben.
Die sehen zum Beispiel für die Filmbranche viele Verbesserungen vor: "Das ist toll. Das ist eine Wertschätzung für die Branche", sagt Maite Woköck und wirkt erleichtert. Von Hamburg aus führt sie eine Produktionsfirma. Noch im vergangenen Jahr hatte sie ihre Aussichten als schlecht bezeichnet, weil viele europäische Filmkollegen ihre Produktionen im eigenen Land viel günstiger produzieren als sie selbst in Deutschland.
"Steueranreize sind besonders wichtig"
Nun könnte eine Investitionsverpflichtung Anbieter von kommerziellen Streamingdiensten dazu verpflichten, einen bestimmten Anteil - den sie mit ihrem Umsatz in Deutschland machen - auch hier wieder zurückzuinvestieren. Bei Woköcks Kollegen aus Frankreich, Spanien oder Italien ist das längst gang und gäbe. Gleichzeitig soll ein Steueranreizmodell finanzielle Vorteile bringen: "Denn gerade so etwas wie Steueranreize ist besonders wichtig, dass Produktionen nicht ins Ausland abwandern damit wir in Deutschland drehen können und nicht im europäischen Ausland."
Verlegerverband ist enttäuscht
Profitiert hätten neben Filmschaffenden wie Woköck auch Presseverleger. Noch im Arbeitspapier hatte sich die "AG Kultur" auf eine Mehrwertsteuersenkung für Presseerzeugnisse auf null Prozent geeinigt und diese der letzten Koalitionsrunde vorgeschlagen. Doch davon ist im Koalitionsvertrag nun keine Rede mehr.
Ganz schön sauer ist man deshalb beim Verlegerverband BDZV, wie Pressesprecherin Anja Pasqual sagt: "Wir sind enttäuscht. Wir sind sogar maßlos enttäuscht. Dazu muss man auch sehen, dass Deutschland im europäischen Vergleich ein Hochsteuerland für Presseprodukte ist. Das ist nicht nur falsch, sondern auch demokratiepolitisch schlicht fahrlässig."
Freie Künste profitieren, aber ...
Profitieren von den Koalitionsvorhaben könnten hingegen die Freien Künste. Denn hier sollen bei der Bundesförderung Mindestgagen und Honoraruntergrenzen berücksichtigt werden. Freuen dürfte das eigentlich Menschen wie Hikmat El-Hammouri von verdi. Doch man müsse da den Koalitionsvertrag genau lesen, sagt der Gewerkschaftssekretär: "Wir lesen lediglich, dass die Kulturfonds "stabilisiert" werden - und auch in Zeiten von Inflation muss klar sein, dass die Bundeskulturfonds "gestärkt" werden - also nach oben gehen - und nicht einfach nur stagnieren."
... Mindestgagen könnten auch schaden
Wenn also gleichzeitig nicht der Kulturetat steigt, könnten sich die Mindestgagen für freie Künstler als "Pferdefuß" erweisen. Dann heißt es: Mehr Geld für einige - aber weniger Produktionen für viele. Geholfen hätte hier, wenn man die "Kultur" als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen hätte - ein Wunsch der SPD. Doch das wurde aus dem Koalitionsvertrag herausverhandelt. El-Hammouri findet das "bedauerlich, denn es muss klar sein, dass Kunst und Kultur in der deutschen Verfassung fest verankert sind und eben nicht von Haushaltsdebatte zu Haushaltsdebatte verschoben werden können".
Kulturrat mahnt: Mehr Mittel notwendig
Für ein "Staatsziel Kultur" hatte sich auch Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat stark gemacht. Er betont, was auf der Habenseite steht: "Da steht eben drin, dass der Kulturschutz kommen soll. Dass ein Restitionsgesetz geschaffen werden soll. Das ist alles positiv." Ebenso sei nun eine verlässlichere Förderung von Games verankert. Clubs könnten von einer Änderung bei der Baunutzungsverordnung profitieren. Bibliotheksnutzer von einer Förderung der Sonntagsöffnungszeiten. Urheber wiederum von einer konsequenteren Durchsetzung des Rechts auf geistiges Eigentum.
Zudem sollen Förderprogramme im ländlichen Raum erhalten bleiben. Die Frage sei nun, wie das konkret ausgestaltet wird, mahnt Zimmermann: "Damit man das überhaupt umsetzen kann, wird der neue Kulturstaatsminister auch notwendigerweise noch zusätzliche Mittel besorgen müssen, sonst geht das gar nicht. Aber wenn das passiert, wär das schon gut und den Rest müssen wir jetzt einfach mal schauen."
Wer wird Staatsminister für Kultur?
Ein Ministerium für Kultur wird es weiterhin nicht geben. Es bleibt bei einer Behörde im Rahmen des Bundeskanzleramts - mit einem "Staatsminister für Kultur" an der Spitze. Nur, wer könnte das werden? Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda wurde lange dafür gehandelt. Doch der hat wohl - so sagt man - wenig Interesse daran, sein Bürohaus mit einem Bundeskanzler Friedrich Merz als Mitbewohner zu teilen.
Die "Berliner Zeitung" spekulierte, dass Berlins Kultursenator Joe Chialo auf die Bundesebene wechseln könnte. In Berlin fiel der CDU-Politiker bei Kulturschaffenden jedoch nicht als Streiter für die Kultur auf, sondern setzte das härteste Sparprogramm um, das es jemals in der Hauptstadt gab. Ob das ein gutes Omen für die Kultur in den nächsten vier Jahren ist?
