Jugendstil-Kunst vs. Handwerker: Historisches Treppenhaus verschandelt

Stand: 27.03.2025 15:15 Uhr

Hamburgs Gesicht wird neben moderner Architektur auch durch die zahlreichen Jugendstil-Häuser geprägt, samt Treppenhäuser. Nun gab es einen aktuellen Fall von mutmaßlichen Denkmal-Frevel.

von Peter Kleffmann

Das Café Paris mit seiner denkmalgeschützten Decke ist schon eine absolute Legende. Das dazugehörige Treppenhaus im sogenannten Bülow Haus in der Rathausstraße in Hamburgs Zentrum steht dem in nichts nach: Jugendstilkacheln und beeindruckende Mosaike, die rund 120 Jahre alt sind. 

Im Auftrag des Eigentümers, die Hamburger Energienetze, haben gewissenhafte Handwerker nun Rigipsplatten auf die historischen Fliesen geklebt. Damit haben sie im Eingangsbereich zerstört, was Mieter wie Arne Olofsson an diesem Treppenhaus so begeistert: "Wir lieben das hier, insbesondere diesen wahnsinnig schönen Aufgang. Daher sind wir etwas schockiert."

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Handwerksarbeiten rechtens - Treppenhaus nicht denkmalgeschützt

Die Mieter alarmierten den Hamburger Denkmalverein. Die Geschäftsführerin Kristina Sassenscheidt ist vom Treppenhaus genauso begeistert - wie entsetzt, was da passiert ist. Das Problem für die Denkmalschützer: Das Treppenhaus selbst ist nicht denkmalgeschützt. Die zuständige Kulturbehörde sagt dazu:

"Die bauzeitlichen Fliesen stammen aus der Zeit von 1906 bis 1907, das Mosaik aus den 1950er Jahren. Da das Treppenhaus nicht unter Denkmalschutz steht, muss diese Baumaßnahme nicht vom Denkmalschutzamt genehmigt werden." Kulturbehörde auf Anfrage

"Wir vom Denkmalverein halten das auf alle Fälle für erhaltenswert", sagt Kristina Sassenscheidt, "denn das ist eine sehr qualitative Alltags-Architektur aus dem Jugendstil, die man nicht so häufig sieht und die es an manchen Stellen in Hamburg nicht mehr gibt. Deswegen würden wir uns sehr wünschen, wenn die Planungen korrigiert werden und man die alten Fliesen erhält." Gesagt, getan. Sassenscheidt ruft während der Handwerksarbeiten kurzerhand beim Eigentümer des Hauses an. Das sind ausgerechnet die städtischen Energienetze. 

Auf der Suche nach gemeinsamer Lösung

Es wird ein Stopp der Arbeiten vereinbart. Bei den Hamburger Energienetzen gibt man sich reumütig: "Jetzt gab es den Hinweis des Denkmalvereins und den nehmen wir sehr ernst”, so Axel Schröder, der Sprecher der Hamburger Energienetze. "Wir haben jetzt alle Arbeiten erstmal abgebrochen, setzen uns zusammen und suchen nach einer Lösung, die alle zufriedenstellt. Eine Option wäre auch‚ die Rigipsplatten wieder runter zu nehmen." Ob das klappt, ist offen. Die Handwerker haben anscheinend ganze Arbeit geleistet. Sie versichern, das der Fliesenkleber, mit dem die Rigipsplatten befestigt sind, garantiert nicht mehr runter geht.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 26.03.2025 | 19:30 Uhr

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