Vor 85 Jahren: Kapitän versenkt Panzerschiff "Admiral Graf Spee"
Kommandant Hans Langsdorff entschied heute vor 85 Jahren, die "Admiral Graf Spee" zu sprengen, statt in ein aussichtsloses Gefecht zu ziehen. Unter Historikern ist sein Vermächtnis umstritten. Adolf Hitler soll getobt haben.
Für die einen war er der Mann, der mehr als 1.000 jungen Männern im Zweiten Weltkrieg das Leben gerettet hat. Ein Mann, der die Soldaten vor einer kaum zu gewinnenden Schlacht bewahrt hat. Ein Held, der geehrt werden sollte. Andere zweifeln: Sie sehen, dass er sich auf einer Hakenkreuzflagge selbst getötet hat, fragen deshalb nach seiner Gesinnung. Die Geschichte des Marine-Kommandanten Hans Langsdorff wird sehr unterschiedlich bewertet.
Kommandant lässt die "Admiral Graf Spee" sprengen
Langsdorff, am 20. März 1894 in Bergen auf Rügen geboren, war es, der entschied, dass das unter seinem Befehl stehende Schiff, die "Admiral Graf Spee", mit seiner Besatzung, nicht in eine erneute Seeschlacht im Südatlantik gegen die Briten laufen würde. Ganz im Gegenteil: Er ordnete an, den Panzerkreuzer am 17. Dezember 1939 in der Mündung des Rio de la Plata zu sprengen und brachte die Besatzung nach Argentinien. In Buenos Aires tötete er sich schließlich selbst.
Für seine Tochter und Nachfahren ein Held
2019 fuhren Deutsche und Briten gemeinsam an die Stelle, an der die "Admiral Graf Spee" auf Grund liegt. Auch eine Gedenkstunde fand an Langsdorffs Grab statt. Nachfahren der Besatzung kamen ans Grab von Hans Langsdorff, um ihm zu danken. Dafür, dass er eben nicht gekämpft hat. Seine Tochter war auch dabei, sie reiste dafür um die halbe Welt. Sie wünschte sich, dass ihr Vater in Deutschland zum Vorbild erhoben wird. Und auch die Nachkommen der Soldaten der "Admiral Graf Spee" verehren ihn.
Bundeswehr sieht Nähe zum Nazi-System
Doch eine offizielle Würdigung ist schwierig. Es gibt eine Debatte um Langsdorff, seine Haltung zum Nazi-Regime - auch innerhalb der Bundeswehr. Jörg Hillmann, damaliger Kommandeur im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, sagte dem NDR 2019: "Langsdorff ist jemand, der dem System gefolgt ist. Er ist jemand, der sich auf seiner Seekriegsflagge erschossen hat, die das Hakenkreuz trägt, die damit auch ein Nähe zum System ausdrückt."
Hitler soll getobt haben
So oder so: So eine Entscheidung wie die von Langsdorff war für die Führung der Kriegsmarine außerhalb des auch nur Denkbaren. Auch Adolf Hitler soll deshalb getobt haben. "Das konnte um Gottes Willen die Marine nicht zulassen, dass einer, der bis dahin eine Musterkarriere gemacht hat, die Grundprinzipien der Marine verletzt", sagte der Langsdorff-Biograf Hans-Jürgen Kaack 2019. Er beschrieb diese Grundsätze so: "Man streicht nicht die Flagge, man kämpft bis zum Untergang, im Zweifel bis zum Tod der gesamten Besatzung."
Langsdorff war ein Mürwiker Musterschüler
Und genau das hat Langsdorff nicht gemacht. Obwohl er das alles in Flensburg an der Marineschule Mürwik gelernt hatte. Dort machte der Richtersohn Hans Langsdorff im Frühjahr 1912 seine ersten Schritte als Offizieranwärter. Im Kaiserreich war die Schule an der Flensburger Förde eine Kaderschmiede für die ganze Gesellschaft. Und Langsdorff war einer der besten Absolventen seines Jahrgangs.
Ein Westentaschen-Schlachtschiff
So war es kein Wunder, dass Langsdorff am 1. Oktober 1938 das Kommando über ein für die Marine ganz besonderes Schiff erhielt: die "Admiral Graf Spee". Das Schiff wurde am 1. Oktober 1932 auf Kiel gelegt, lief am 30. Juni 1934 vom Stapel und wurde am 6. Januar 1936 in Dienst gestellt. Es war leicht, aber schwer bewaffnet - und vor allem schnell. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 28,5 Knoten, was etwa 53 Kilometern pro Stunde entspricht. Die "Admiral Graf Spee" war 186 Meter lang und 21,64 Meter breit. Ihr Tiefgang betrug 7,34 Meter. Der MAN-Zweitakt-Diesel hatte eine Leistung von 54.000 PS. Es war das erste Kriegsschiff mit einem geschweißten Rumpf und Dieselantrieb. Pocket Battleship nannten es die Briten - Westentaschen-Schlachtschiff.
Im Handelskrieg schwer beschädigt
Im August 1939 erhielt Kommandant Langsdorff den Befehl, eine Übung in der Ostsee abzubrechen und sofort durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Wilhelmshaven zu laufen. Drei Tage hatte die Besatzung Zeit, das Schiff auszurüsten. Der eigentliche Marschbefehl lag verschlüsselt im Tresor. Es ging in den Handelskrieg gegen die Briten im Südatlantik.
Doch die Royal Navy war Langsdorff auf den Fersen und lauerte der "Admiral Graf Spee" auf. Der Kapitän entschied dann eigenmächtig, diesen britischen Verband von Kriegsschiffen vor Südamerika anzugreifen, obwohl das nicht sein Auftrag war. Die Folge: 36 Tote und zahlreiche Schwerverletzte auf der "Admiral Graf Spee". Auch das Schiff wurde bei dem Gefecht schwer beschädigt. Langsdorff suchte mit der "Admiral Graf Spee" Zuflucht im Hafen von Montevideo. Der Kapitän entschied sich dagegen, noch einmal in einen aus seiner Sicht aussichtslosen Kampf auszulaufen. Wie sich später herausstellte, soll diese Annahme auf bewussten Fehlinformationen von den Briten basiert haben.
Langsdorff begeht nach Sprengung Selbstmord
Aber Großbritannien übte Druck auf Uruguay aus und so musste die "Admiral Graf Spee" Montevideo wieder verlassen - in einem wenig seetüchtigen Zustand. Am 17. Dezember 1939 fuhr das Schiff unter den Augen Tausender Zuschauer, die gekommen waren, um das Auslaufen zu beobachten, aus dem Hafen. Nach drei Seemeilen ließ Kapitän Langsdorff ankern und seine Leute Sprengsätze scharf machen. Die Besatzung ging von Bord. Um 19.52 Uhr gingen die Sprengladungen hoch. Das Schiff neigte sich zur Seite und brannte drei Tage lang.
Am 20. Dezember 1939 erschoss sich Kapitän Langsdorff auf der Flagge seines Schiffs liegend. Er wurde von seiner Besatzung auf dem deutschen Friedhof von Buenos Aires beigesetzt.