"Stubnitz": Vom Kühlschiff zur Location für Kultur und Events

Stand: 30.10.2024 18:45 Uhr

Als Kühlschiff lief sie 1964 in Stralsund vom Stapel. Heute liegt die "Stubnitz" als Industriedenkmal in Hamburg - und ist zugleich schwimmender Veranstaltungsort für Events aus Kultur, Kunst und Musik.

von Kathrin Bädermann

Ein paar Schritte über die Gangway, hinauf und hinein in die "Stubnitz" - das ist eine kleine Reise in die Vergangenheit der DDR-Hochseefischerei. Denn das Motorschiff (MS) sieht an vielen Stellen noch so aus wie bei seinen letzten Einsätzen für den Volkseigenen Betrieb (VEB) Fischfang Rostock. Die Anlagen zur Fischverarbeitung wurden zwar demontiert, um Platz zu schaffen für Veranstaltungen, aber beispielsweise die elektromechanische Maschinenanlage oder die Kommandobrücke sind weitgehend original erhalten.

"KTS Stubnitz": Erstes Leben als Schiff der Hochseefischerei

Die "Stubnitz" startete - genau wie ihr Schwesterschiff "Granitz" - als Kühl- und Transportschiff (KTS) für die Fischerei in ihr erstes Leben. Gebaut wurde sie auf der Volkswerft Stralsund, die lange als produktivste Werft für Fischereischiffe weltweit galt. Am 1. Juni 1964 lief die "KTS Stubnitz" vom Stapel: knapp 80 Meter lang, ausgestattet mit zwei Dieselmotoren aus dem VEB Kombinat Schwermaschinenbau "Karl Liebknecht" mit der Typenbezeichnung SKL 8 NVD 48. Das Schiff hatte die Fähigkeit, täglich mithilfe der 59 Besatzungsmitglieder bis zu 60 Tonnen Fisch zu verpacken und zu frosten und insgesamt über 1.000 Tonnen Fisch zu transportieren. Besonders auf Heringe hatte es die Mannschaft der "Stubnitz" abgesehen. Ab 1984 fuhren die "Stubnitz" und die "Granitz" als ROS 701 und ROS 702 für den VEB Fischfang Rostock und bekamen somit einen neuen Heimathafen.

Feiernde statt Fische an Bord: Das zweite Leben als MS "Stubnitz"

Musik an Bord: Eine Menschenmenge steht unter Deck des Kulturschiffs "Stubnitz", vor ihnen spielt auf einer rot ausgeleuchteten Bühne die Band Embryo ein Konzert © Stubnitz Archiv Foto: Stefan
Musik statt Plattenfroster: Feiernde bei einem Konzert im Bauch der "Stubnitz".

Ihr zweites Leben begann nach der Wende. Die Schifffahrt der DDR brach damals zusammen und mit der "Stubnitz" lagen im Rostocker Hafen viele Schiffe ungenutzt am Kai. Fürs Schwesterschiff "Granitz" bedeutete das Ende der DDR auch das eigene Ende: Das Schiff wurde 1991 verkauft und verschrottet. Die "Stubnitz" hatte mehr Glück und startete als schwimmende Location für Kultur durch, vorangetrieben durch eine Künstlerinitiative. 1992 ging das Schiff offiziell außer Dienst, die Fischerei hatte ein Ende.

Die "Stubnitz" wurde auf der Rostocker Neptunwerft für seine neue Bestimmung umgebaut. Seitdem ist das Schiff Veranstaltungsort, sei es für Konzerte, Performances der Kunst, Partys, Konferenzen, Ausstellungen oder Lesungen - alles in der schroffen Atmosphäre eines seetüchtigen Industriedenkmals. Mit dem "Laderaum 1", dem "Laderaum 4", der "Verarbeitung" und dem Achterdeck gibt es Bereiche für Gruppen von 120 bis zu 400 Personen - oder auf allen Flächen unter Deck kombiniert für 700 Personen.

Dass die "Stubnitz" ein umtriebiges Schiff ist, zeigt auch ihr Logbuch: Immer wieder war sie auf Außenstationen in ganz Europa, um dort vor Ort für Kulturveranstaltungen als Location zu dienen. Ein Auszug ihrer Reiseziele: Rotterdam, Amsterdam, Brügge, Stettin, Riga, Kopenhagen, Newcastle, Dünkirchen, Aarhus, Bremen, Wilhelmshaven, London.

Großer und kleiner Umzug nach und in Hamburg

Seit 2013 liegt die MS "Stubnitz" im Hamburger Hafen - zunächst vorübergehend, doch inzwischen hat sie es sich in der Hafencity Hamburgs dauerhaft gemütlich gemacht. In den ersten Jahren am Kirchenpauerkai lief alles glatt. Aber nachdem das Neubaugebiet an der Baakenallee bezogen wurde, gab es immer wieder Ärger: Die Musik sei zu laut, die Gangway klappere bei fast jedem Schritt, beschwerten sich einige Anwohner. Das Problem wurde durch einen Mini-Umzug des Schiffs im Herbst 2023 vorerst gelöst. Am neuen Liegeplatz - ein paar Schiffslängen weiter Richtung Elbbrücken - stehen bislang nur Bürogebäude, U- und S-Bahnen halten direkt um die Ecke - der perfekte Ort für ein Schiff, auf dem sich Menschen treffen und bei Partys, Kunst und Musik Spaß haben wollen. Die Liegeplatzgenehmigung dort läuft allerdings Ende 2026 aus.

Alle paar Jahre muss die MS "Stubnitz" zum Schiffs-Doktor

Die MS Stubnitz in der Werft in Stralsund. © Screenshot
Die "Stubnitz" auf dem Trockendock in ihrer Wiege in Stralsund, wo sie 1964 vom Stapel lief.

Damit die Menschen auch weiter sicher auf der "Stubnitz" Livemusik und Kultur genießen können, muss der Oldtimer alle paar Jahre zur Überprüfung in die Werft. Zuletzt lag die "Stubnitz" im Sommer 2024 in ihrem "Geburtshafen" Stralsund auf dem Trockendock bei der Strela Shiprepair und wurde für den TÜV generalüberholt. Die notwendigen Reparaturarbeiten kosteten mehr als 633.000 Euro, finanziert durch Fördermittel vom Bund und der Stadt Hamburg sowie aus den Taschen des Vereins Motorschiff Stubnitz e.V. - die Menschen, die sich um die "Stubnitz" kümmern, sind in solchen Fällen auf Spenden und Förderer angewiesen. Neben den Beschäftigten der Werft arbeiteten auch viele Ehrenamtliche vom Verein im Bauch des Schiffes, um es wieder flott zu machen. "Wir sind eine gemeinnützige Organisation, ein Team von Freiwilligen und engagierten Menschen, die sich dafür einsetzen, dass dieser Freiraum für Kultur und Kreativität existiert und für alle offen bleibt", so das "Stubnitz"-Team.

Schiffsdaten der MS "Stubnitz"

Schiffstyp: Kühlschiff
Kiellegung: 15. Februar 1964
Stapellauf: 1. Juni 1964
Werft: Volkswerft Stralsund
Gesamtlänge: 79,78 Meter
Breite: 13,20 Meter
Tiefgang: 4,90 Meter
Raumgehalt: 2.541 Bruttoregistertonnen (BRT)
Antrieb: Dieselmotoren der VEB Schwermaschinenbau "Karl Liebknecht", Typ 8 NVD 48
Maschinenleistung: bis 1.338 PS
Höchstfahrt: 12 Knoten (22 km/h)
Heimathafen: Rostock
Liegeplatz: Hamburg
Eigner: Trägerverein Denkmal- und Kulturschiff Stubnitz e. V. (seit 1998)

Weitere Informationen
Das Fang- und Gefrierschiff "Atlantik" am Ausrüstungskai der Volkswerft Stralsund am 18. Mai 1967. (Bundesarchiv, Bild 183-F0518-0205-001 / CC-BY-SA) © Bundesarchiv, Bild 183-F0518-0205-001 / CC-BY-SA Foto: Ulrich Kohls

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Dieses Thema im Programm:

Die Nordreportage | 30.10.2024 | 18:15 Uhr

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