Stand: 05.03.2018 17:38 Uhr

Den Jüdischen Friedhof Altona entdecken

Ein Grabstein mit einer Levitenkanne auf dem Jüdischen Friedhof Altona © NDR.de Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Auf den Grabsteinen der deutschen Juden sind keine Menschen dargestellt, aber oft werden bestimmte Symbole verwendet wie diese Kanne.

Nicht nur die jahrhundertealte Geschichte macht den Friedhof so besonders - auch die Grabkunst, die hier zu sehen ist, stufen Experten als einzigartig ein. "Von einst 9.000 Grabsteinen sind noch knapp 8.000 erhalten - ganz oder in Fragmenten", sagt Studemund-Halévy. Auf dem deutschen Teil sind mehr als 6.000 Stelen zu sehen, auf dem portugiesischen Teil liegen etwa 1.600 Steine. Die Grabsteine der deutschen Juden sind eher schlicht gehalten, die Inschriften sind in der Regel nur auf Hebräisch verfasst.

Marmorgräber verrotten

Die portugiesischen Steine sind kunstvoller gestaltet - zu sehen sind oft biblische Gestalten wie Abraham, Isaak oder Josef. "Die biblische Figur passt jeweils zu dem Vornamen des Verstorbenen", erzählt Studemund-Halévy. Diese reichhaltig ausgeschmückten Grabdarstellungen gebe es nur in Altona, Amsterdam und in der Karibik, wohin viele portugiesische Juden auswanderten. Für die Inschriften wurde nicht nur auf Hebräisch zurückgegriffen, sondern mitunter auch auf Portugiesisch, Französisch oder Englisch. "Auf dem portugiesischen Teil des Friedhofs - und nur dort - gibt es zudem 53 Marmorgräber", berichtet Studemund-Halévy. Die Steine seien sehr kostbar, es handele sich um den weltbekannten Carrara-Marmor aus Italien. "Dies zeigt, wie vermögend die portugiesischen Juden in Hamburg waren." Heute sind die Steine wegen der Luftverschmutzung in erbärmlichem Zustand.

Berühmte Rabbiner

Viele jüdische Besucher des Friedhofs reisen aus dem Ausland an. Sie kommen in erster Linie, um an den Gräbern bekannter Rabbiner zu beten. "In Altona sind viele bedeutende Persönlichkeiten bestattet wie Rabbiner, Philosophen und Ärzte", sagt Studemund-Halévy. "Sie sind nicht nur für die Historie Hamburgs wichtig, sondern auch für die Geschichte Deutschlands und Europas." Diese Fülle an Berühmtheiten auf einem jüdischen Friedhof sei einzigartig. Auf dem Gelände finden sich auch die Grabsteine von Samson Heine - dem Vater des Dichters Heinrich Heine - und von Fromet Mendelssohn, der Frau des Philosophen Moses Mendelssohn.

Nach der Schließung

Öffnungszeiten und Führungen

Der Jüdische Friedhof an der Königstraße ist geöffnet: April bis September dienstags und donnerstags 15 - 18 Uhr, sonntags 14 - 17 Uhr. Oktober bis März: dienstags, donnerstags und sonntags 14 - 17 Uhr - und nach Vereinbarung (außer an jüdischen und gesetzlichen Feiertagen). Die Stiftung Denkmalpflege Hamburg veranstaltet regelmäßig Führungen: jeden Sonntag um 12 Uhr, Erwachsene zahlen fünf Euro. Aktuelle Informationen unter www.eduard-duckesz-haus.de.

Geschlossen wurde der Jüdische Friedhof Altona im Jahr 1869 - aber nicht, weil er voll belegt war. Teile des Geländes standen wiederholt unter Wasser. Zudem war es die Zeit, in der neue Friedhöfe am Rand der Städte entstanden. Die Hamburger Juden konnten ab 1883 ihre Toten an der Ilandkoppel auf dem Großfriedhof in Ohlsdorf bestatten, die Juden in Altona wichen ab 1873 auf die Anlage am Bornkampsweg im heutigen Stadtteil Bahrenfeld aus. Da der Friedhof in Altona - der jüdischen Tradition entsprechend - auf Ewigkeit angelegt ist, konnte das Gelände nicht anders genutzt werden. Bei einer Erweiterung der Königstraße wurden allerdings im Jahr 1902 rund 300 sephardische Grabsteine am Rande des Friedhofes mit Zustimmung der jüdischen Gemeinde ins Innere der Fläche verlegt.

Schäden im Zweiten Weltkrieg

Während die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren den Hamburger Juden das Leben schwer machten, viele von ihnen in den Tod trieben und in der Reichspogromnacht die Synagogen niederbrannten, zerstörten sie den jüdischen Friedhof in Altona nicht. "Die Nationalsozialisten interessierten sich wohl mehr für die Lebenden als für die Toten", meint Irina von Jagow. Im Zweiten Weltkrieg warf die Stadt ein Auge auf das Friedhofsgelände. Dort sollten Baracken für Zwangsarbeiterinnen aufgestellt werden. Die Frauen mussten in der Fischindustrie im nahegelegenen Hafen schuften. Die Baracken wurden aber nie errichtet, weil zuvor die Fischbetriebe bei Luftangriffen zerstört wurden. Auch der Friedhof wurde von Bomben getroffen, zudem fielen Trümmer der umstehenden Häuser auf das Gelände.

Vorerst keine Welterbe-Bewerbung für den Friedhof

Seit 1960 steht der Jüdische Friedhof Altona unter Denkmalschutz. Die Stadt unterstützt seit Jahrzehnten die Erforschung der Friedhof-Geschichte und die Restaurierung der Grabsteine. Inzwischen sind auch die meisten Inschriften übersetzt. Bis Anfang 2018 stand die Anlage auf der nationalen Vorschlagsliste für die zukünftigen Nominierungen zur Aufnahme in die Welterbe-Liste der UNESCO. Doch die Stadt zog den Antrag zurück und will nun prüfen, ob sie den Friedhof als Teil einer internationalen Bewerbung erneut benennt.

Karte: Wo liegt der Jüdische Friedhof Altona?

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 10.01.2018 | 19:30 Uhr

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